Wo Hannover noch Dorf ist: Alte Bauernhäuser im Norden der Stadt
Trotz Auto- und Reifenindustrie in Stöcken. Ein paar Schritte weiter scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Statt Fabrikhallenlärm ländliche Idylle. Im Bereich rund um das Gemeindeholz erzählen noch heute hübsche Fachwerkhäuser vom mühevollen Tagwerk der Altvorderen mit Ackerbau und Viehzucht. Stöcken ist einer der wenigen hannoverschen Stadtteile, in denen an manchen Stellen die Landeshauptstadt noch an einigen Stellen an die dörfliche Vergangenheit erinnert. Die wachsende Großstadt schluckte im Laufe der Jahre viele alte Ortschaften, das bäuerliche Erbe wurde nur sehr spärlich bewahrt. Planierraupe und Fallbirne bereiteten den historischen Gemäuern aus Großvaters Tagen schnell ein Ende.
Vor fast 27 Jahren verfasste ich einen Text zu den alten Bauernhäusern im Stadtgebiet. Diesen Text stelle ich jetzt hier – nach und nach im Rahmen einer kleinen Mini-Serie - auf myHeimat vor. Ob noch alle 1992 genannten Bauernhäuser vorhanden sind, habe ich nicht kontrolliert. Der damalige Text soll weitgehend in der ursprünglichen Fassung erscheinen. Schön wäre es indes, wenn MyHeimatler aus Hannover vielleicht einmal vor ihrer Haustür nachschauten und aktuelle Informationen und Ergänzungen dann als Kommentar zu diesem Bericht veröffentlichen würden.
1890 wurden in Stöcken vier Vollmeierhöfe und sechs Halbmeier gezählt, die zu den besonders großen Anwesen mit Milchviehhaltung gehörten. Hinzu kamen ein Großkötner, zehn Kleinkötner, 20 Brinksitzer, 13 Anbauern und drei Abbauern. Unter diesen Hofstellen forderte die Stadterweiterung allerdings auch ihren Tribut. So mussten 1970 die beiden Höge Borcherding und Riechers für einen bekannten Reifenhersteller Platz machen. Manchmal hatten die uralten Bauernhäuser allerdings trotz heranrückenden Baggern eine Chance. Das Bauernhaus am Stöckener Bach 16 konnte 1983 gerettet werden. Das 1812 gezimmerte Fachwerk wurde auseinandergenommen und in Isernhagen H.B. von Freunden der bäuerlichen Architektur wieder aufgebaut.
Noch an seinem historischen Platz steht der Dreiständerbau Stöckener Straße 235. Das Bauernhaus aus dem Jahr 1777 wurde 1984 liebevoll restauriert. Dabei stellte sich heraus, , dass nur etwa 20 Prozent der alten Balken schadhaft waren und ausgetauscht werden mussten. Auf der Liste der Baudnekmale finden sich in Stöcken weitere Schmuckstücke früherer Zimmermannskunst: der Vierständerbau Gemeindeholzstraße 12 aus dem Jahr 1866, das 1770 entstandene Bauernhaus Am Jädekamp 5 mit dem Altenteiler Am Jädekamp 5a von 1801 und der Vollmeierhof Mohrhoff Am Jädekamp 13. Der Wirtschaftsteil des Haupthauses datiert aus dem Jahr 1835, die Wirtschaftsgebäude wurden 1818 errichtet. Die frühere südliche Dorfgrenze markiert ein Wohnwirtschaftsgebäude von 1816, das an der Weizenfeldstraße 69 steht.
Herrenhausen kann demgegenüber kaum noch mit Erinnerungen an seine dörfliche Vergangenheit aufwarten. Auf den Dorfbereich des 1022 als Haringehusen erstmals erwähnten Ortes weisen nur noch die Gebäude Herrenhäuser Straße 75 sowie 75 A hin. Auch im Stadtteil Hainholz grassierte das Bauernhaussterben. Fast wäre jüngst (wie gesagt Text Stand anno 1992!) das letzte relativ unveränderte Fachwerkgebäude aus dem Dorfkern verschwunden. Das Haus war 1987 außen wie innen in schlechtem Zustand; Fenster und Türen waren nur notdürftig vernagelt. Doch der Vierständerbau, dessen Wirtschaftsteil um 1835 und der Wohnteil 1865 gezimmert wurden, blieb erhalten. Als Domizil eines Restaurants ist das Fachwerk heute ein Schmuckstück des Stadtteils.
Im benachbarten Vahrenwald erzählen keine alten Häuser mehr vom Ursprung des Stadtteils. An das Dorf erinnern neben der Rotermundsstrße, die ihren historischen Verlauf beibehalten hat, nur ein paar Kastanien, die einst am ehemaligen Dorfschulhaus standen und eine Eiche am Borsigweg. Der Baum wuchs dort schon, als das Gebiet ringsherum noch Weideland war.
Etwas mehr blieb den Nachgeborenen immerhin vom Dorf Vinnhorst. Der Ort geht auf zwei von den Herren von Roden im Mittelalter angelegte Meierhöfe zurück. Einer dieser Höfe war der Dorelhof. Von diesem Gehöft stammt die Durchfahrtsscheune aus dem Jahr 1734 an der Straße Alt-Vinnhorst 125 und das 1817 entstandene Altenteilerhaus Alt-Vinnhorst 129. Bis 1928 stand hier auch das älteste nachweisbare Zweiständerhaus im heutigen Stadtgebiet von Hannover. Nach der Jahreszahl am Torbalken erbauten es die Vinnhorster 1615. Das strohgedeckte Haus musste leider nach einem Sturmschaden abgebrochen werden. Zum historischen Ensemble des altes Dorfes gehören noch das 1850 als Mietshaus entstandene Fachwerkgebäude Alt-Vinnhorst 64 und das ehemalige Hirtenhaus Wischkämpe 19, das 1707 aus einer Anbauernstelle hervorgegangen ist.
Soweit der Bericht aus dem Jahr 1992.
Mehr lesen?
Hier geht es zu den Bauernhäusern im Osten von Hannover
Hier geht es zum Bericht über alte Bauernhäuser im Süden von Hannover
Hier geht es zum Bericht über alte Bauernhäuser im Westen von Hannover
Bürgerreporter:in:Jens Schade aus Hannover-Döhren-Wülfel-Mittelfeld |
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