Eine Radtour vom Aegi, dem einstigen Verlauf des Schiffgrabens folgend, zum Altwarmbüchener Moor
Vielen Menschen macht es Freude, in der Freizeit mit dem Fahrrad unterwegs zu sein. Man radelt an der frischen Luft, man bewegt sich und tut etwas für die Gesundheit. Man entdeckt Interessantes, an dem man sonst mit dem Auto achtlos vorbei fährt und man kann Strecken befahren, die auf vier Rädern unerreichbar sind, liegen sie doch irgendwo in Feld, Wald und Flur.
Als Ziel haben wir uns an diesem Tag das Altwarmbüchener Moor ausgesucht. Berichtet habe ich bereits über das Bissendorfer Moor und das Tote Moor am Steinhuder Meer. Nun wollen wir also das Moor etwas kennenlernen, das Hannover zwar am nächsten liegt, sozusagen vor den Toren der Stadt, das aber wohl die meisten Moorinteressierten im Gebiet der Hannoverschen Moorgeest am wenigsten kennen. Dabei wollen wir dieses Ziel nicht nur erreichen, sondern einmal drum herum radeln, damit wir von verschiedenen Stellen verschiedene Eindrücke bekommen. Etwa 40 Kilometer lang wird die Tour werden. Starten dazu wollen wir am Aegidientorplatz, kurz Aegi genannt, dem einstigen östlichen Stadttor des alten Hannovers. Und das hat seinen Grund.
Der Torf im Altwarmbüchener Moor wurde schon im Mittelalter von den Bauern der umliegenden Dörfer gestochen, die ihn, nachdem die Wälder größtenteils gerodet waren, für den eigenen Bedarf als Brennstoff benötigten, ihn aber auch mit Ochsenkarren nach Hannover brachten und dort verkauften. Doch es gab ab 1365 noch eine andere Möglichkeit des Transportes. Es wurde ein neun Kilometer langer Graben angelegt, auf denen Kähne den Torf aus dem Moor zur damals 4.000 Einwohner zählenden Stadt bringen konnten. Als die Stadt dreihundert Jahre später für eine Ziegelei mehr Brennmaterial benötigte, nahm sie den Torfabbau selbst in die Hand. Dazu wurde der Schiffgraben im Jahr 1747 verbreitert und ausgebaut. Das war natürlich nicht allen Torfbauern recht, brachte sie es doch um die eigenen Verdienstmöglichkeiten. Deswegen schütteten sie den Graben, der von Steuerndieb bis Altwarmbüchen zum Schutz Hannovers auch als Landwehr diente, aus Protest teilweise wieder zu. Wie auch immer, wurde der Konflikt dann doch bereinigt. Bis zum Jahr 1865, also 500 Jahre lang, wurde der Kanal zum Torftransport und auch zum Holztransport benutzt. Danach wurde er aufgegeben, gab es doch dann mit der Steinkohle aus dem Deister ein besseres Brennmaterial. Vor dem Aegidientor, von wo aus der Graben mäanderte und in die Leine floss, nahm er seinen Anfang. Und dort wollen wir also unsere Radtour beginnen.
Wo sich früher die Befestigungsanalagen der Stadt mit einem breiten Wassergraben befanden. Wo eine Bockwindmühle stand, die heute ihren Platz im Lönspark hat, und wo einst Reisende am Aegidientor um Einlass baten, haben wir heute ein vollkommen anderes Bild. Nichts erinnert an diesem weiten Platz mit seinen modernen Glasfassaden und dem Theater mehr an diese Zeit vergangener Jahrhunderte - fast nichts. Bis auf das Straßenschild „Schiffgraben“, unter dem die Erläuterung des Straßennamens steht. Nämlich dem, das hier einmal ein Torfkanal zum Altwarmbüchener Moor führte.
Nachdem wir zunächst noch einen Blick auf das futuristische und architektonisch eindrucksvolle Gebäude der Nord LB geworfen haben, das schon vielen Fernsehfilmen als Kulisse diente, radeln wir los. Gleich mit der zweiten Straße zur Rechten finden wir einen Hinweis auf den Torftransport. Dort zweigt die Warmbüchenstraße ab. Ihr Name weist auf die einstige Torfstation hin, in der die Torfkähne damals entladen wurden. Von dort wurde der Torf zum Beginenturm gebracht, in dem er eingelagert wurde.
Gleich darauf sehen wir auf derselben Seite ein großes historisches Gebäude. Einst im 19. Jahrhundert als Ständehaus gebaut, in dem die preußische Provinzialregierung untergebracht war, dient es heute als Finanzministerium.
Dieser erste Streckenabschnitt des Schiffgrabens, den wir jetzt durch dichten Verkehr radeln - besser man macht die Tour an einem Sonntag - war in seiner späten Zeit, nachdem sich Hannover durch den Bau der Eisenbahn explosionsartig vergrößert hatte, zu beiden Seiten durch eine steinerne Balustrade gesichert. Ein Teil davon ist erhalten (siehe Foto). Sie dient dem 1864 eröffneten Engesohder Friedhof an dessen Nordseite als Begrenzungsmauer.
Am Emmichenplatz vor der Musikhochschule sehen wir andere historische Reste aus Stein. Aber so dürftig sie auch sind, so lassen sie doch erahnen, was für ein prächtiges Gebäude einst an diesem Ort stand. Nach einem Pestlazarett, einer Holzstation und einer ersten Lokalität mit dem schönen Namen „Zum goldenen Löwen“, entstand dort im Jahr 1894 ein elegantes und feudales Musikcafè für die feine Gesellschaft, die auch in den in die Eilenriede integrierten Parkanlagen flanieren konnte. Auch befand sich dort, noch zurzeit des Torftransportes, ein kleiner Hafen mit Werkstatt, in der die Torfkähne repariert werden konnten.
Kurz verlassen wir nun die einstige Schiffgrabenstrecke und sehen uns ein wenig in diesem Bereich der Eilenriede, der damaligen Parkanlage, in der die Wege damals mit Geländern versehen waren, etwas um. Gerade hier zwischen der Bernadotte-Allee und der Hohenzollernstraße gibt es ein großes Angebot an Freizeitmöglichkeiten. Gleich vorne der Teich mit der schönen Skulptur eines Steinbockes und dem Burckhardt-Denkmal, eines früheren Direktors des Hannoverschen Forstwesens. Dahinter der beliebten Waikitu-Spielpark, ein Klettergarten und verschiedene Einkehrmöglichkeiten. Alles sehr attraktiv. Doch dann wieder auf die Kanalstrecke zurück.
Rechts lassen wir das Zooviertel mit seinen prächtigen Villen liegen, die auch einen Blick wert sind. In einer von ihnen hat einst der aus damaliger deutscher Sicht "größte Held" des 1. Weltkrieges, der Generalfeldmarschall und spätere Reichspräsident Hindenburg, in seinen späteren Jahren gelebt. An anderer Stelle Exbundeskanzler Gerhard Schröder.
Und dann erreichen wir auch schon den Erlebnis-Zoo, den mit seinen verschiedenen Themenbereichen wohl attraktivsten Tierpark Deutschlands. Doch der soll dieses Mal nicht unser Ziel sein. Wir folgen weiter der Straße geradeaus, die nun Wald Chaussee heißt. Und das zu Recht, denn sie führt mitten durch die nördliche Eilenriede, den größten Stadtwald Deutschlands, hindurch, bis nach Steuerndieb hin. Diese Straße war einst eine Seite des berühmten Eilenriededreiecks, auf dem bis 1955, nur unterbrochen durch den Krieg, Motorradrennen vor bis zu 120.000 Zuschauern ausgetragen wurden. Doch das war einmal. Heute ist die Straße, zumindest an den Wochenenden, für den Autoverkehr gesperrt, führt sie doch durch eine Erholungslandschaft, und das ist gut so.
Einige Meter links der Straße plätschert parallel zu dieser ein Bach entlang. Es ist der alte Bauerngraben, der auf dem Stadtplan zusätzlich den Namen Schiffgraben trägt. Ob er in früheren Zeiten tatsächlich als Torfgraben gedient hat, bevor der Schiffgraben im Jahr 1747 erweitert und ausgebaut wurde, kann ich nicht sagen. Aus der Landkarte der Kurhannoverschen Landesaufnahme von 1781 (siehe auch Bild) geht jedenfalls eindeutig hervor, dass der Torfkanal der heutigen Wald Chausee schnurgerade folgte. Vermutlich dort, wo sich rechts der Straße heute der Radweg befindet. Und vermutlich verlief er auch vor dem Ausbau dort.
Etwas rechts der Straße im Wald und sich leicht windend parallel dazu, verläuft der Königseichenweg. An ihm erinnert ein Denkmal, das aus einem Findling besteht, an die Völkerschlacht bei Leipzig, die bis dahin größte Schlacht der Weltgeschichte. Schon dort erlebte Napoleon, dessen Truppen auch Hannover besetzt hatten, sein Waterloo.
Nicht weit dahinter, kurz vor Steuerndieb, stoßen wir zum ersten Mal auf das, weswegen wir diese Anfahrstrecke zum Moor überhaupt gewählt haben. Von links wechselt unter der Wald Chaussee der Bauerngraben hindurch zu deren rechter Seite. Und genau dieser auf etwa 700 Meter Länge folgende Abschnitt des Bachverlaufs ist ein tatsächlich erhaltener Teilabschnitt des Torfkanals. Auch wenn es sich heute dabei nur um einen kleinen tiefer liegenden Bach handelt, so war es damals doch ein drei bis fünf Meter breiter Graben, auf dem die Torfkähne getreidelt wurden. Zu beiden Seiten des Kanals befanden sich Laufwege, so dass die Kähne an Stricken gezogen werden konnten. Das konnte vom Moor bis zum Aegidentor mehrere Tage dauern. Bis hin zum Weidetorkreisel führt dieses Stück, bevor es vor diesem in den Untergrund abtaucht. Zwar kommt es danach links des Messeschnellweges wieder zum Vorschein, dürfte sich jedoch nicht mehr um die Originalführung handeln, zumindest dann nicht, wenn man es mit der Landkarte der Kurhannoverschen Landesaufnahme vergleicht.
Im Mittelalter befand sich in Steuerndieb ein Warthaus der Landwehr, die von hier ab den weiteren Verlauf des Torfkanals bildete. Von diesem Ende der Eilenriede konnte der Holz- und Torftrasport durch die Stadt Hannover kontrolliert werden. Der Name Steuerndieb ist aus den Worten „steuere den Dieb“ entstanden, wurden doch an diesem Grenzübergang zum Bisstum Hildesheim auch die Einreisenden überprüft, und nicht jeder erhielt Einlass.
Wer möchte, kann an dieser Stelle der Tour in einem Ausflugslokal einkehren, oder einen kleinen Abstecher über eine Brücke des Messeschnellweges zur Waldstation machen. Dort lohnt es sich, den über 30 Meter hohen Aussichtsturm zu erklimmen. Einen Euro sollte man für dessen Besteigung bereithalten. Von dort oben hat man einen prima Rundumblick. Zur einen Seite über die Baumkronen der Eilenriede zur City hin und darüber hinaus bis zum Deister. Zur anderen erkennt man hinter dem Telemax die Berge der Mülldeponie, hinter denen das Altwarmbüchener Moor beginnt.
Bei der Weiterfahrt lassen wir den knapp 300 Meter hohen Fernsehturm rechts liegen und radeln durch Groß-Buchholz. Vom alten Bauerndorf Buchholz, das im 14. Jahrhundert seine Anfänge nahm, ist nicht mehr viel übrig geblieben. Immerhin einige alte Bauern- und Fachwerkhäuser. Sehenswert ist dort auch ein bronzener Brunnen mit bäuerlichen Tierfiguren, den Buchholzer Bürger gestiftet haben. Ein gelungenes Kunstwerk, das an vergangene Zeiten erinnert.
Nachdem wir den Mittellandkanal überquert haben, treffen wir aber doch noch auf ein originales Teilstück des Torfgrabens. Er fließt südlich des Laher Stadtfriedhofes, wo sich damals eine Torfscheune befand und an der die Kähne beladen wurden, bis er das Autobahnkreuz Hannover-Buchholz erreicht. Dahinter kommt er in der Mülldeponie noch einmal zum Vorschein, wobei es sich auch noch um ein Originalstück handeln könnte. Doch damit hat der Schiffgraben sein Ziel endgültig erreicht, das Altwarmbüchener Moor, damals Altenwarmbücher Moor genannt. Auch wir sind damit bei dieser Radtour an unserem Ziel angelangt. Doch nun wollen wir dieses auch näher kennenlernen.
Zunächst drehen wir eine Runde um den Altwarmbüchener See, der allein schon ein schönes Ziel ist. Besonders im Sommer zum Baden. Das Wasser dort ist besonders klar. Entstanden ist Hannovers zweitgrößter See, der mit 48 ha etwa zwei Drittel der Fläche des Maschsees hat, in den Jahren 1978 bis 1981 durch den Ausbau der A 37 nach Celle. Da diese Autobahn mitten durch das Moor führt, weswegen sie auch Moorautobahn genannt wird, wurde zum Aufschütten der Trasse viel Sand benötigt. So entstand durch die Entnahme des Sandes auch der See. An seiner Nord- und Ostseite bis zur Autobahn hin ist der See noch von sumpfigen Moorgelände umgeben.
Nachdem wir wieder am Ausgangspunkt der Seeumrundung angelangt sind, nehmen wir jetzt die Straße zur Zentraldeponie. Dort befindet sich der mit über 120 Metern höchste Berg Hannovers. Was für gewaltige Mengen an Zivilisationsmüll müssen unter der begrünten Oberfläche verborgen sein. Sicher eine interessante Ausgrabungsstätte für Archäologen späterer Jahrhunderte oder Jahrtausende. Zumindest einmal im Jahr kann der Berg erstiegen werden, nämlich am Entdeckertag. Und das lohnt sich, denn der Blick von dort oben ist großartig. Man sieht Hannover und Umgebung mal aus einer völlig anderen Perspektive, und natürlich geht der Blick auch über das Moor.
Vor dem Eingang der Deponie biegen wir nach links in einen unbefestigten Weg ab, der direkt an der Autobahn entlangführt. Natürlich nervt der Straßenlärm, aber das nehmen wir jetzt mal für die nächsten drei Kilometer in Kauf. Und das fällt uns gar nicht schwer, denn wir blicken nach rechts auf eine eindrucksvolle Moorlandschaft. Nun einige Worte dazu.
Die Größe des Altwarmbüchener Moores beträgt etwa 15 Quadratkilometer. Durchschnitten wird es nicht nur von der Moorautobahn, sondern im rechten Winkel dazu auch von der A 7, die von München nach Hamburg führt. Entstanden ist das Moor nach der letzten Eiszeit vor etwa 12.000 Jahren. Das Eis hat nach seinem Rückzug auf sandigem Untergrund einen See hinterlassen. Durch dessen Verlandung entstand ein Niedermoor, aus dem sich später ein Hochmoor entwickelte. Die Torfschicht hat eine Dicke von rund zwei Metern. Moore galten früher als ödes, nutzloses Land, das der Mensch normalerweise mied. Doch irgendwann entdeckte er, dass man Torf als Brennstoff verwenden konnte. Seit wann der Torf im Altwarmbüchener Moor abgebaut wird, wissen wir nicht genau. Aber wir wissen ja, dass 1365 der Torfkanal angelegt wurde, und vermutlich haben die Bauern der umliegenden Dörfer schon lange vorher Torf für den Eigenbedarf gestochen.
Doch nun sind wir auf dem Weg neben der Moorautobahn unterwegs. Zur Moorseite ergeben sich immer wieder eindrucksvolle Naturbilder. Der Kiefern-Birken-Bruchwald steht im Bereich der Deponie vollkommen unter Wasser. Hat der Mensch in den vergangenen Jahrhunderten durch über 30 Entwässerungsgräben versucht, das Gebiet trocken zu legen, so ist es heute genau umgekehrt. Durch das Niedersächsische Moorschutzprogramm sollen die Moore renaturiert werden. Und genau das kann man hier anhand des hohen Wasserstandes gut erkennen. Einen Kilometer weiter steht nicht mehr alles unter Wasser, aber immerhin einige Flächen, und kurz vor dem Autobahnkreuz Kirchhorst liegt ein kleiner, schöner See.
Nach Überquerung der Autobahn entdecken wir eine große, freie Wiesenfläche, und wir trauen unseren Augen kaum. An deren anderer Seite, am Rande des Moorwaldes, sehen wir ein großes Rudel Rothirsche, die das doppelte Gewicht der Damhirsche im Tiergarten haben. Immerhin 23 Tiere können wir zählen. So viele haben wir noch nie zusammen gesehen. Wir sind beeindruckt.
Danach verlassen wir das Moor und machen durch die Feldlandschaft einen Abstecher nach Kirchhorst. Dort ist es die kleine Dorfkirche St. Nikolai, die unser Interesse weckt. Nicht nur, dass die Mischung aus Feldsteinen, rotem Backstein und dem hölzernen Turm sehr ungewöhnlich aussieht, sondern sie ist auch alt. Eine erste romanische Kapelle entstand im 12. Jahrhundert. Zwei Jahrhunderte später wurde sie ausgebaut und vergrößert. Der Innenraum wurde im 15. Jahrhundert mit gotischen Fresken bemalt, die im 17. Jahrhundert weiß übertüncht wurden und die Ende des 19. Jahrhundert wieder freigelegt wurden.
Doch dann geht’s wieder dem Moor entgegen. Über den kleinen Ort Stelle und über die Moorautobahn hinüber zu dem Dorf Beinhorn, das nur aus wenigen Häusern besteht. Doch so klein es auch ist, so hatte und hat es doch prominente Einwohner. Dort wohnte der 2014 verstorbene ehemalige Niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht und dort wohnt heute dessen Tochter, Verteidigungsminsterin Ursula von der Leyen. Später, im Jahr 2019, wurde sie sogar zur Präsidentin der Europäischen Kommission gewählt.
Von Beinhorn führt am Ostrand des Moores eine schmale Straße, die bald in einen Waldweg übergeht, nach Gross Kolshorn hinüber, einem schönen Reiderdorf mit vielen Pferden. Noch ein Stück weiter erreichen wir Klein Kolshorn, das ebenfalls gemütlich wirkt, zumal dort auch nur selten ein Auto vorbei fährt, da es abseits der Hauptverkehrsadern liegt. Von dort radeln wir bis an den Rand des Moores heran, lassen die Räder stehen und folgen einem Waldweg, der ins Moor hineinführt, der aber irgendwann, wie alle Wege hier, als Sackgasse endet. Kein einziger Weg führt mitten durch das Moor nach Kirchhorst oder Altwarmbüchen hinüber. Und hier sehen wir an diversen Stellen am Wegrand die alten Torfstiche, die teilweise von dicken Moospolstern umgeben und mit braunem Moorwasser vollgelaufen sind. Dazwischen das Totholz vormodernder Bäume, das ein Paradies für Kleinsttiere ist. Es ist eine urwüchsige und sehr eindrucksvolle Landschaft. Auch wenn der Mensch im Mittelalter und danach stark in diese Landschaften eingegriffen hat, so wird sie doch heute geschützt und darf sich frei entwickeln. Und das steht ihr äußerst gut zu Gesicht. Deswegen sollte man auch unbedingt beachten, dass man die Wege jenseits der A 7 nicht verlässt, ist doch dieser größte Bereich des Moores zu Recht ein Naturschutzgebiet.
Und dann haben wir auf dieser Moortour noch etwas ganz Besonderes gesehen. Verraten werde ich nicht, wo die freie Fläche inmitten des Moorwaldes liegt, auf der wir aus dem Schutz des Waldrandes heraus zwei Kraniche beobachtet haben. Sieht man sie normalerweise nur im Herbst und Frühjahr während des Vogelzuges in großen Gruppen hoch oben trompetend am Himmel, so scheinen sie sich im Großraum Hannover in verschiedenen abgeschiedenen Naturgebieten wieder anzusiedeln. Die großen Federtiere sind sehr scheu. Man darf ihnen auf keinen Fall zu nahe kommen und sie stören. Da sie am Boden brüten, ist gerade sumpfiges Gelände für sie wichtig, meidet dieses doch der Fuchs und auch andere gefräßige Räuber. Auf freiem Gelände inmitten abgelegener Natur können sie ihre Umgebung zusätzlich gut im Auge behalten und fühlen sich so sicher.
Mit einem solchen Anblick hatten wir nun wirklich nicht gerechnet. Und wie gebannt standen wir da, die großen Federtiere vielleicht 400 Meter von uns entfernt und sahen ihnen zu, wie sie langsam und majestätisch über die Wiese schreitend nach Beute Ausschau hielten. Ein eindrucksvolles Erlebnis. Ein anderes Tier, was man auch nur mit viel Glück zu Gesicht bekommt, hatten wir ein anderes Mal gesehen. Es war eine Kreuzotter, die wir wohl durch unsere Schritterschütterung aufgeschreckt hatten und die sich schnell durch das Unterholz davon schlängelte. Zum Fotografieren war sie zu schnell. Mehr Glück hatte ich einmal im Toten Moor. Dort konnte ich eine Ringelnatter beobachten und fotografieren (siehe Bericht Totes Moor) die still an einem Bach lag und wohl auf Beute lauerte.
Nachdem wir Klein Kolshorn verlassen haben, radeln wir auf der Straße Richtung Ahlten weiter. Nach etwa zwei Kilometern biegt nach rechts in den Wald der von Aligse her kommende Regionsfahrradweg ab. Ihm folgen wir Richtung Misburg, wobei wir an allerschönsten Moorwaldbereichen vorbeikommen. Hier zeigt sich die Moorlandschaft wie aus dem Bilderbuch. Unter Wasser stehende Waldbereiche, die nicht vom Torfabbau traktiert wurden. Bäume im Wurzelbereich von dicken Moospolstern umgeben, die aus dem Wasser ragen. Andere Bäume sind umgestürzt, dürfen als Totholz liegen bleiben. Helles Frühjahrsgrün sprießt aus den moorigen Wasserflächen hervor. Es sind die Blätter der Sumpflilien, die einen Monat später ihre gelben Blüten zeigen werden. Man fühlt sich in eine urzeitliche Landschaft versetzt und würde sich kaum wundern, wenn plötzlich Riesenlibellen vor einem in der Luft stehen würden. Wieder sind wir beeindruckt von so viel Schönheit der Natur.
Doch dann erreicht uns bei der Weiterfahrt am Misburger Friedhof vorbei wieder die Zivilisation. Wir radeln Hannover-City entgegen und erreichen irgendwann wieder den Aegi, wo wir unsere Tour begonnen haben. Sie hat viel Spaß gemacht. Auch deswegen, weil Moore eben ganz besondere urwüchsige Landschaften sind. Es sind Ruhezonen in einer doch so hektischen Welt, in der Stille eine Seltenheit ist. Und beim nächsten Mal radeln wir vielleicht zum Oldhorster, zum Otternhagener oder zum Helstorfer Moor. Die kennen wir auch noch nicht. Und wer etwas über das Bissendorfer oder das Tote Moor erfahren möchte, kann sich meine anderen Berichte anschauen.
Siehe auch:
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- Eine Radtour zum Bissendorfer Moor
Steinhuder Meer
Bürgerreporter:in:Kurt Wolter aus Hannover-Bemerode-Kirchrode-Wülferode |
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