Der Bergbau im Harz hat eine lange Tradition
In früheren Zeiten mieden die Menschen die Gebirge. Das Gelände war unwegsam, das Klima rau. Außerdem hausten in den finsteren Wäldern Geister und Hexen, vor denen man sich fürchtete. Erst als die Menschen erkannten, dass es dort Schätze gab, Bodenschätze, wagten sie sich in diese unwirtlichen Gebiete hinein. Und das schon vor sehr langer Zeit. So konnte am Harzrand bei Goslar bereits ein Erzabbau zur Bronzezeit vor etwa 3000 Jahren nachgewiesen werden. Natürlich gab es noch keine Schächte und Stollen. Die erzhaltigen Gesteine wurden zunächst im Tagebau abgebaut. Heute kann man diese Pingen, mehr oder weniger große Löcher im Waldboden, noch an vielen Stellen finden.
So richtig kam der Bergbau aber erst sehr viel später in Schwung. In Goslar war es allerdings nicht das Ross des Ritters Ramm, das durch Scharren mit den Hufen eine Silberader freilegte, was eine schöne Sage ist. Sondern es war der Mensch, der erkannte, dass es im Rammelsberg viel zu holen gab, nämlich wertvolle Erze wie Blei, Kupfer und viel später auch Zink. Aber in erster Linie war es das Silber, das abgebaut wurde und das Goslar damals zu einer reichen Stadt machte. Ein Grund für die deutschen Kaiser, dort vor etwa 1000 Jahren eine Pfalz zu erbauen, das damals größte nichtkirchliche Gebäude überhaupt. Und so brachten diese Silbervorkommen - 40 bis 50 Prozent des auf deutschem Boden geförderten Silbers - dem Kaiserhof Wohlstand, und sie besuchten Goslar, gab es doch damals noch keine feste Hauptstadt, immer wieder. Viele Reichsversammlungen und Hoftage wurden dort abgehalten.
In den höher gelegenen Bereichen des Harzes hingegen waren es im 12. und 13. Jahrhundert die Mönche des Klosters Walkenried, die den Bergbau so richtig anstießen. Sie waren die ersten, die dort oben Bergwerke und Hüttenwerke anlegten. Und sie verstanden es dabei, die Kraft des Wassers zu nutzen.
Eine nächste große Blütezeit erreichte der Harzer Bergbau dann im 16. und 17. Jahrhundert. Es wurden sogar Bergleute aus dem Erzgebirge angeheuert, die bis heute in manchen Gebieten ihre ganz spezielle Mundart hinterlassen haben. Und nun war es nicht mehr der Tagebau, in dem die Erze abgebaut wurden, sondern man drang in immer größere Tiefen vor. Überall entstanden Schächte und für die damalige Zeit riesige Stollensysteme. So entstand das längste zusammenhängende Tunnelsystem der Erde. Wie lang es wirklich ist, kann niemand sagen. Aber seine Ausdehnung wird auf etwa 1000 Kilometer geschätzt. Wenn man bedenkt, dass ein Bergmann im Jahr etwa drei Meter Fels aushauen konnte, dann kann man sich zumindest annähernd vorstellen, welch eine Leistung dazu gehörte. Und die Schächte, wie in der Grube Samson in St. Andreasberg, sollten zweitweise mit bis über 800 Metern Teufe die tiefsten der Erde sein. Heute geht es allerdings, z. B. in Südafrika, bis in 4000 Meter Tiefe hinab.
Die Arbeit für die Bergleute, der „Alten Männer“, wie sie damals genannt wurden, war, wie man sich denken kann, alles andere als einfach. Sie war mit härtester körperlicher Anstrengung verbunden. Oft musste in der Hocke oder sogar auf dem Bauch liegend das harte Gestein mit Schlägel und Meißel bearbeitet werden. Die Lufttemperatur war hoch, und die Beleuchtung war schlecht. Die Öllampen der Bergleute, Ölfrosch genannt, verbreiteten ein nur schwaches Licht. Oft entwickelten sich giftige Gase, die von den Bergleuten nicht wahrgenommen werden konnten. Deswegen befand sich in jedem Stollen ein Kanarienvogel, ein "Harzer Roller". Die Vögel bemerkten das Entstehen von Kohlenmonoxyd und schlugen Alarm. Dann galt es, den Stollen so schnell wie möglich zu verlassen. Trotzdem kam es zu vielen Todesfällen.
Als die Schächte im 18. und 19. Jahrhundert immer tiefer wurden, benötigten die Bergleute für einen Abstieg in 600 Meter Tiefe über die Fahrten, wie die Leitern genannt wurden, etwa eineinhalb Stunden. Für einen Aufstieg entsprechend länger. Außerdem war es gefährlich und es kam dabei immer wieder zu Abstürzen und damit zu tödlichen Unfällen. Da sie die Auf- und Abstiege in die finsteren Tiefen auch nicht bezahlt bekamen, blieben sie bei den größeren Teufen die ganze Woche unter Tage, kamen erst zum Sonntag wieder an die Oberfläche, zu ihren Familien. Es war also ein hartes und entbehrungsreiches Leben. So kam es, dass die Bergleute ein Durchschnittsalter von nur 36 Jahren erreichten.
Später wurde es für sie zumindest etwas einfacher. Im Spiegelthaler Hoffnungsschacht in Wildemann wurde 1833 die Fahrkunst erfunden. An zwei sich gegeneinander bewegenden Balken mit Trittbrettern konnten die Bergleute nun ohne größere Kraftanstrengung in die Schächte einfahren. Aber gefährlich war es nach wie vor, gerade wenn die Bergleute in erschöpftem Zustand wieder ans Tageslicht wollten. In der Grube Samson in St. Andreasberg kann man bei einer Führung erfahren, dass es für Unfälle oder Todesfälle bestimmte Klingelsignale gab, die diese nach oben in das Schachthaus meldeten. In dieser Grube gibt es auch noch die einzig in Betrieb befindliche Fahrkunst weltweit, die nach wie vor genutzt wird, wenn auch nicht wegen des Bergbaus, der 1988 im Rammelsberg, und damit im gesamten Harz, vollständig eingestellt wurde.
Eine andere Erfindung im Harzer Bergbau war das Stahlseil. Zuvor wurden Fördertonnen an Hanfseilen oder Ketten in den Schacht hinuntergelassen oder heraufgezogen. Die Seile wurden bald feucht und konnten reißen. Die Ketten hatten schon selber ein enormes Gewicht. Wurden sie dann noch mit Erztonnen belastet, so kam es vor, dass ein Glied riss. Das war fatal. Im tiefen, wuchtigen Fall schleuderte die Kette von einer Wandseite zur anderen und zerstörte nicht selten den ganzen Schacht. Dann lag die Arbeit für Wochen oder sogar Monate still.
Doch dann hatte ein findiger Kopf den Einfall, Drähte miteinander zu verflechten, die seitdem überall auf der Welt ihren Einsatz finden. Sei es bei filigranen Brückenkonstruktionen, bei Seilbahnen und auf vielen anderen Gebieten.
Eine weitere Erfindung im Harz war die Wassersäulenmaschine, die zunächst für die Entwässerung der Bergwerke genutzt wurde, später auch für andere Zwecke wie die Fahrkunst.
Eine Erfindung aber, die die Architektur und Bauweise auf der ganzen Welt revolutionieren sollte, wurde im nahen Peine gemacht und kam im Harzer Bergbau zum ersten Mal zum Einsatz. Das war der T-Träger aus Stahl, ohne den kein größeres Gebäude und keine Brücke gebaut werden könnte. Er kann durch seine Konstruktion enorme Gewichte tragen.
Ein anderes Bergbauproblem im Harz wurde durch die Anlegung von Wasserlösungsstollen gelöst. Da ständig Wasser in die Schächte und Stollen hinablief und diese nicht absaufen durften, musste es unaufhörlich abgepumpt werden. Fielen die Pumpen aus, konnte ein mehrere hundert Meter tiefer Schacht innerhalb weniger Tage mit Wasser volllaufen. So kam man darauf, diese wasserabführenden Stollen anzulegen, die das kühle Nass über große Strecken bis an den Harzrand ableiteten. Heute kann man das Mundloch in Gittelde am südlichen Harzrand sehen, an dem dieser Wasserlösungsstollen, der Ernst-August-Stollen, benannt nach dem Hannoverschen König, zu Tage tritt. Als die Schächte noch tiefer wurden, musste das Wasser zum Ernst-August-Stollen hinaufgepumpt werden, damit es ablaufen konnte. Wolfgang Borges, einstiger Direktor des Lautenthaler Bergwerksmuseum, hat diesen Stollen, der mit seinen Nebenverzweigungen die verschiedene Bergwerksorte miteinander verbindet und 40 Kilometer lang ist, aus Kontrollgründen mehrfach befahren. Rund eine Woche war er dann mit Booten auf abenteuerliche Weise darin unterwegs.
Da für den Bergbau zum Abstützen der Stollen und besonders für die Pochwerke und die Verhüttung der Erze gewaltige Mengen an Holz und Holzkohle benötigt wurden, kam es dahin, dass der Harz vor etwa 300 Jahren fast vollkommen waldfrei war. Viele Tausende Meiler mussten ständig rauchen. So war man gezwungen, neuen Wald anzupflanzen. Dazu eignete sich am besten die Fichte, die schnell wuchs und beim Tragen von Gewicht in den Stollen sehr elastisch ist. Ehe sie bricht, biegt sie sich weit durch. Und so ist es heute die Fichte, die das Bild des Harzwaldes bestimmt, obwohl sie auf natürliche Weise fast nur im Hochharz ab einer Höhe von etwa 800 Metern vorkommen würde. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es zu einer nächsten Abholzung. Es waren die Alliierten, die sich das Holz als Reparationszahlungen abholten. Wieder wurde danach mit dichten Fichtenbeständen aufgeforstet, was sich heute rächt. Der Wald stirbt durch den Klimawandel und die damit verbundenen Borkenkäferschäden. Die neuen Wälder werden anders aussehen müssen. Mischwälder werden in Zukunft robuster sein.
Wer heute im Harz überirdisch unterwegs ist, trifft überall auf Zeugnisse der vergangenen Bergbauepoche, besonders im Oberharz, wo sich die sieben Bergstädte befinden. Zu ihnen gehören Altenau, St. Andreasberg, Wildemann, Clausthal, Zellerfeld, Lautenthal und Grund. Aber auch an vielen anderen Orten kann man den Spuren der Alten Männer folgen, allen voran im Rammelsberg.
Dabei trifft man nicht nur auf Bergbaumuseen und alte Förderanlagen, sondern auch auf jede Menge Seen und Grabensysteme des Oberharzer Wasserregals, die die großen Kunst- und Kehrräder der Bergwerke und Erzhütten angetrieben haben. Es gibt zahlreiche, schöne Wanderstrecken, die an ihnen entlangführen. Das Oberharzer Wasserregal gehört zusammen mit dem Rammelsberg zum Weltkulturerbe der UNESCO. Es ist ein einzigartiges System, das in der Welt seinesgleichen sucht.
Und einzigartig war der gesamte Harzer Bergbau, der diese Landschaft auch heute noch prägt und der so viel Interessantes zu bieten hat. Bei einem Tagesbesuch oder einem Urlaub im Harz kann man viel über diese bewegende Zeit erfahren. Es lohnt sich.
Bürgerreporter:in:Kurt Wolter aus Hannover-Bemerode-Kirchrode-Wülferode |
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