Die Kreideküste der Normandie bei Étretat – Eine grandiose Natur
Nicht wenige Deutschland-Urlauber kennen die wunderbare Kreideküste im Nationalpark Jasmund auf Rügen. Sie haben vom Königsstuhl auf die azurblaue Ostsee geschaut oder haben, das Feuersteingeröll unter den Fußsohlen, eine Uferwanderung unter den spitzen Klippen des Wissower Klinkens gemacht. Das Türkis-Blau des Meeres, das strahlende Weiß der Kreidewände und das leuchtende Grün der Buchenwälder, die dazu einen starken Kontrast bilden, beeindrucken.
Doch es gibt auch anderswo imposante Kreideküsten. So zum Beispiel am Ärmelkanal. Jeder, der mit der Fähre nach England hinübergefahren ist, hat sie bei Dover vor Augen gehabt. Wir haben dieses Mal allerdings die Kreidefelsen auf der französischen Seite des Kanals besucht. Und dort gibt es, 20 Kilometer nördlich von Le Havre, einen Uferabschnitt, der eine ganz besondere Natur zu bieten hat, die einen staunen lässt.
Wenn man durch die weite Feldlandschaft der Normandie mit ihren kleinen, gemütlichen Dörfern fährt, ahnt man noch nicht wirklich, welch schönes Ziel man da ausgesucht hat, auch wenn man vorher schon ein paar Bilder davon gesehen hat. Doch wie immer ist in Natura alles viel eindrucksvoller. Und das ist es sofort, wenn sich die kleine Straße abwärts neigt und der Blick auf die grau gedeckten Schieferdächer von Étretat frei wird, das wir uns als Ziel ausgesucht haben. Man hält irgendwo am Straßenrand an und betrachtet erstmal alles von oben. Ein idyllischer Ort liegt dort unter uns in einer von Wald umgebenen Senke, die zum Meer hin offen ist. Das macht neugierig.
Anschließend fährt man am besten gar nicht erst in den kleinen Ort hinein, in dem man sowieso keine Haltemöglichkeit findet, sondern sucht sich einen der großen Parkplätze davor aus und geht ein paar Schritte zu Fuß, sind doch die Entfernungen auch nicht groß.
An diesem Tag ist der Himmel ziemlich grau und es regnet zeitweise. Natürlich hätten wir die Szenerie gern bei schönem Wetter erlebt. Doch hat ein Schlechtwettertag auch seine Vorteile. Während der Ort sonst vor Touristenmassen überquellen soll, ist er doch mit der Kreideküste eine der Top-Sehenswürdigkeiten Frankreichs, sind nun nur wenige Touristen unterwegs. Und das soll uns natürlich nur recht sein.
Wir bummeln langsam durch den kleinen Ort mit seinen gemütlichen Gassen. War er früher ein Fischerdorf mit etwa 300 Bewohnern, so hat er sich im 19. Jahrhundert zu einem Seebad aufgeschwungen, das nun 1000 Einwohner mehr zählt. Also alles überschaubar. Und zu schauen gibt es jede Menge. Gemütlich wirkende Häuser mit schönen Fenstern an den Fassaden. Oben am Hang mal ein kleines Chateau. Oder auch das eine oder andere Fachwerkhaus, das daran erinnert, dass auch einmal die Normannen Herren des Landes gewesen sind, die diesem Landstrich ihren Namen gegeben haben, und später ab und zu auch die Engländer. Dazu dann auch noch der üppige Pflanzenwuchs in den kleinen Gärten. Alles das zusammen wirkt sehr idyllische und gemütlich, kennt man so etwas doch auch in dieser Art von Deutschland nicht.
Dann aber erreichen wir die Uferpromenade, und damit ist Staunen angesagt. Staunen vor einer großartigen Natur. Leicht sichelförmig zieht sich der Strand über einen Abschnitt von etwa einen Kilometer von Kreidefelsen zu Kreidefelsen, die das Blickfeld zu beiden Seiten begrenzen. Und damit sehen wir auch schon die Besonderheiten dieser Natur. Zur Linken das Felsentor Porte d´Aval und zur Rechten das Felsentor Falaise d´Amont.
Natürlich wollen wir das auch aus näherer Distanz betrachten. So wenden wir uns nach links und steigen viele Treppenstufen und einen kleinen Pfad hinauf, der uns oben an die Abbruchkante der Steilküste heran führt. Dort ergeben sich von diversen exponierten Punkten zum Teil atemberaubende Anblicke auf eine grandiose Natur. Natürlich die Felsentore, von denen es an diesen Uferabschnitten drei gibt. Die knapp im Meer vorgelagerte70 Meter hohe Felsspitze Aiguille, die wie ein gewaltiger Eckzahn aus den Wellen ragt. Auf die zwei im Blickfeld liegenden Strände, getrennt durch vorgeschobene Kreidewände, durch die ein Tunnel führt der beide miteinander verbindet. Und natürlich auf das Meer des Ärmelkanals hinaus, auf dessen anderer Seite die englische Küste aber nicht erkennbar ist, liegt sie doch bei Brighton mit 120 Kilometern zu weit entfernt.
Ein Stück weiter führt ein kleiner Pfad mit steilen Treppenstufen und schließlich einer fast senkrechten Leiter die knapp 100 Meter zum Ufer hinunter. Das besteht wie an den meisten anderen Stränden der Normandie nicht etwa aus Sand, sondern aus faustgroßen, rundgeschliffenen Kieseln. Und davon gibt es jede Menge, nämlich so viele wie Sandkörner am Meer. Trotzdem weisen Schilder darauf hin, dass es verboten ist, diese als Souvenier mitzunehmen, dienen sie doch dem Schutz des Ufers vor der oft rauen und nicht selten stürmischen See.
Und an den Stränden der Normandie ist der Tidenhub einer der höchsten weltweit. Bei Springflut kann er bis zu 16 Meter betragen. Weit zieht sich das Meer dabei nach Norden zurück, bevor es wieder kehrt macht – bei der Insel Saint Mont Michel haben wir diesen Vorgang bestaunt – und im Tempo eines galoppierenden Pferdes angerast kommt.
Und immer wieder geschieht es an dem Strandabschnitt zwischen den beiden großen Felstoren, dass Touristen die Flut unterschätzen und dann in der Bucht eingeschlossen werden. Da der Rückweg nach Étrat dann abgeschnitten ist, muss an den höchsten Uferbereichen vor der Steilwand sechs Stunden bis zur nächsten Ebbe geduldig augeharrt werden.
Wir müssen das jedoch nicht befürchten, zieht sich doch das Meer gerade zurück.
In aller Ruhe können wir so die Großartigkeit der Natur bestaunen. Die steilen Kreidewände, von waagerechten Feuersteinbändern durchzogen. Der Kieselstrand mit den zig Millionen von Steinen. Und natürlich die beiden Felsentore, die jeweils zu einer Seite das Blickfeld begrenzen. Das alles wirkt irgendwie irreal, wie die Kulisse aus einem fantastischen Hollywood-Film oder wie eine Szenerie aus Jules Vernes „Reise zum Mittelpunkt der Erde“.
Das Gehen über den groben Kieselstrand ist mühsam. Aber es ist mal etwas anderes als feiner Sand und macht nicht weniger Spaß. Nach Westen hin erreichen wir das Felstor der Manneporte, was so viel wie großes Tor heißt. Und das ist es wirklich. Gigantisch steilt sich der meerseitige Pfeiler vor uns auf.
Wir klettern über Felsgeklüft einen drei Meter hohen Absatz hinauf. Damit erreichen wir die Ebene unter dem gewaltigen Torbogen. Wir gehen unter dem Felsdach hindurch, blicken auf die nachfolgende Bucht und folgen dieser ein Stück. Dann wenden wir uns und schauen aus nächster Nähe auf das riesige Felsentor. Hindurch blicken wir zur Bucht nach Étretat hin. An deren anderen Ende wird diese begrenzt durch das Felsentor Porte d´ Aval, das durch einen unterirdischen Fluss und natürlich die Eroseion entstanden ist.
Dieses Tor wird später immer größer, als wir über den Kieselstrand darauf zu gehen. Es gleicht in der Form einem Elefantenkopf mit langem Rüssel daran. Davor die spitze Felsnadel Aiguilles, die aus härterem Kalkstein besteht, der dem anstürmenden Meer trotzen konnte.
Egal in welche Richtung man auch schaut. Jeder Anblick ist überwältigend. Vielleicht können das die Fotos zumindest ein wenig wiedergeben. Doch wie gesagt:in Natura…
Schließlich erreichen wir den finsteren und unbeleuchteten Tunnel, der uns durch den Kreidefels zur Bucht von Ètretat zurück führt.
Für denjenigen, der in Frankreich Urlaub macht, fahren doch viele Deutsche in die Bretagne, lohnt sich ein kleiner Abstecher an die Küste der Normandie. Die Landschaft bei Étretat beeindruckt. Und auch die nicht allzu weit entfernte der kleinen Insel Saint Mont Michel, worüber ich an anderer Stelle berichtet habe (Der Saint Mont Michel - Eine mittelalterliche Kulisse wie aus dem Bilderbuch). Beide Ziele sind Highlights französischer Sehenswürdigkeiten. Und wer sie gesehen hat, der wird sie nicht vergessen.
Bürgerreporter:in:Kurt Wolter aus Hannover-Bemerode-Kirchrode-Wülferode |
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