Zum Gedenken an Heinke von Löw (†93)

Zum Gedenken an Heinke von Löw (†93)
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18 Monate hatte ich damals (2011) in Hamburg vergeblich nach einer Wohnung gesucht, in Altona, wie in Bergedorf und lange Zeit war niemand bereit einem bärtigen Mann ohne Geld und Rückhalt eine Chance zu geben, bis ich Menschen wie sie traf - Heinke von Löw (†93) - und was sie tat, war vorbildhaft. Sie nahm mich auf und schaute nach, was aus mir wird und sie gab mir die Zeit und den Raum an den Aufgaben zu wachsen, dafür bin ich sehr dankbar und es bräuchte mehr Menschen wie Frau von Löw. Dieser Nachruf ist deshalb auch nicht nur ein Denkmal für ein großartiges Lebenswerk einer Erdbehüterin, sondern auch ein Appell an alle Chancengeber dieser Welt - es Menschen wie Heinke von Löw gleich zu tun - Schwächere aufzunehmen - selbstlos - vorurteilsfrei - "Schaue her, ich sehe nur Dich und sonst nichts um Dich herum, ich sehe nicht Deine Armut und ich sehe nicht das, was Dir anhängt, ich sehe nur den Menschen in Dir" - schon darum geht es und gern will ich das hier mit Euch teilen - möchte Menschen für Menschen begeistern und auch Andere ermutigen, an sich und ihr Glück zu glauben ...

Trauer um Heinke von Löw (†93) - Jemand hat mal gesagt: "Der Tod gehört zum Leben mit dazu" und so sehr mein Wille darin mündet zu trösten, so sehr erhoffe ich mir Frieden auch für Geist und Seele der Unwiderbringlichen. Heinke von Löw - meine liebe Hauswirtin und Schutzherrin - starb am Tag nach Heiligabend im Kreise ihrer Lieben. Sie wurde 93 Jahre alt.

- Ein Nachruf von Max Bryan -

Es ist Heiligabend, der 24. Dezember 2014 und ich stehe im Torhaus, im Westflügel des Löwsch´schen Anwesens, gerade wird es dunkel.

Vor mir steht ein Weihnachtsmann mit Blick heraus aus dem Hof, die blaue Stunde hat gerade erst begonnen und ich laufe hinüber, die Treppen hinauf, ins Gebäude gegenüber, meine Hausherrin liegt im Bett, sie wird auch heute nicht aufstehen, es ist Heiligabend und Heinke von Löw ist sehr schwach.

Seit Wochen schon schluckt sie Betablocker, die Atemnot ist Programm, die Nebenwirkungen schlagen durch, vielleicht noch mehr als sonst. Ihr ganzes Leben lang hatte sie nichts an sich herangelassen, keine Chemie, keine "Unnatur", nun muss es sein, der Arzt will es so und "ich bin bereit", höre ich sie flüstern.

Wie der Berg zum Propheten

Die Steinfurther Kirche im Herzen des Dorfes ist bis auf den letzten Platz gefüllt, die Menschen strömen hier her.

Jedem Einzelnen, gibt der Pfarrer zum Abschied noch die Hand und Jeder kennt hier Jeden. Ein paar Worte mit auf den Weg, "gesegnete Weihnachten", das ist nur herzlich und tut auch Mut zu fragen.

Ich frage den Pfarrer, ob er Heinke von Löw ein paar Worte mit auf den Weg gibt, hier für die Kamera, ein Segen zum Fest, sie kann doch nicht mehr kommen und so kommt der Gruß dann zu ihr - und Pfarrer Nickel willigt ein, spricht Heinke von Löw direkt auch an, sehr tröstende Worte, fast prophetisch, vorausschauend, ahnt er mehr als ich?

"Liebe Freifrau von Löw, ich wünsche Ihnen ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest, dass sie trotz der kleiner werdenden Kreise innere Ruhe und Frieden finden und sich Gott anvertrauen können, der auf uns wartet und uns ein großes Geschenk macht in seinem Sohn Jesus Christus, dessen kommen in die Welt wir heute gedenken und der uns Hoffnung gibt die größer ist, als unser irdisches Leben. Ich wünsche Ihnen alles Gute und Gottes Segen", spricht Pfarrer Siegfried Nickel in die Tagebuch-Kamera.

Die Videobotschaft haben wir Heinke von Löw dann am selben Abend noch vorgespielt, eine schöne Möglichkeit, um an den Feierlichkeiten doch noch irgendwie teilzunehmen und sei es nur aus der Ferne, niemand hätte geglaubt, was am Morgen danach dann geschah.

Heinke´s Tod

Als ich am Tag nach Heiligabend den Bestattungswagen auf den Hof fahren sah, dachte ich zuerst, es sei irgendein Freund von Christoph, der ihn von weit her und zu Weihnachten besuchen kommt und nur mal einkehren möchte, Frohe Weihnachten wünschen, oder etwas in der Art.

Die Glasfront am Torhaus ermöglicht einen Rundumblick über den ganzen Hof und wie ich dann sah, dass der Wagen wendet, er nicht vor dem Eingang zum Weinkeller halt machte, sondern weiter fuhr, und schließlich an der Treppe zu Heinke´s Aufgang stoppte, wusste ich, dass etwas Schlimmes passiert war.

Sogleich sah ich Mitso auch die Treppe runter laufen, eiligen Schrittes jagte er über den Hof, war irgendwas passiert? Ein Unfall in der Küche?

Es ist die Zeit, zu der ich Heinke sonst den Kaffee bringe - 16 Uhr - und damit auch unsere Konstante, ein Ritual - die Kaffeezeit - und sie hatte diese Art sich darüber zu freuen, wie Wenige das nur können und so lief ich rüber - auch an diesem Tag.

Auf der Veranda steht Christoph - ihr Sohn und mit dem Daumen zeige ich über die Schulter, auf den Wagen hinter mir: "Was ist da los?" und der Senior antwortet: "Sie holen die Mutter ..." und ich kann gar nicht glauben, was ich da höre, die Welt steht still. Was sich drehte, hörte auf sich zu drehen und was strahlte, hörte auf zu leuchten. Meine Hand führt zum Mund, es ist so schrecklich und ich laufe ins Haus, wo Hanne Ludwig mich schon auffängt, mit beiden Armen, sie drückt mich fest an sich, "es ist gut so - es soll so sein", sagt die Frau vom Hospiz und Frau von Löw habe sich das "heute so ausgesucht - diesen Tag hier zum sterben", meinte Hanne.

Ich zittere am ganzen Leib und mir wird schlecht. Tränen steigen auf und ich ringe um Fassung, es war passiert, was nicht passieren durfte und doch ist es geschehen.

Hanne bringt mich rauf zu Heinke - und da liegt sie - mit den knöchernden Hände auf ihre Hüften. Sie trägt ein schwarzes Kleid, den Mund leicht geöffnet, die Augen geschlossen, sie war so still.

In diesem Moment und wie sie da so lag, wurde mir klar, dass ich nie wieder ihre Stimme hören werde, dass ihr Sosein nie wieder diesen Raum erstrahlt und sie hatte noch so Vieles zu sagen.

Heinke von Löw - Wer war sie?

Um es mit den Worten ihres langjährigen und treuen Wegbegleiters Manfred Grössler zu sagen - Heinke war ein "Vorbild, eine Lehrmeisterin, eine Freundin, eine Erdbehüterin, Familienvorstand und Visionärin" - Natur war ihr ganz nah und Manfred glaubt fest daran, bei ihr etwas gefunden zu haben, was man sonst nur im alten Indien findet. "Dort mussten Leute die Ayurveda studieren wollten, sich ganz eins machen mit der Pflanze". "Nur so sei es möglich, den Werdegang des Lebens zu begreifen" und das tat sie, das tat sie wirklich.

Heinke´s Engagement im Einsatz gegen die Auswüchse der Gentechnik war vorbildhaft. Als eine der Ersten bezog sie offen Stellung gegen die Vermarktungspolitik der Großfirmen, die Anfang der 50-iger - während der sogenannten "Steinfurther Rosenkriege" - versuchten kleinere Rosenzüchter von sich abhängig zu machen. In unzähligen gerichtlichen Eingaben bis hin zum Bundesgerichtshof und zum europäischen Gerichtshof in Straßburg wirkten die Löw´s darauf hin, dass es "kein Patent auf Rosen" geben sollte. "Kein Patent auf Leben", hieß es damals und Heinke hatte Erfolg, in allem was sie tat. 2008 erhielt sie den Ehrenpreis des Bundesumweltministeriums für ihr Lebenswerk als Ökogärtnerin und für ihr großes Engagement im Bereich der Biodiversität und kulturellen Vielfalt, damals im Rahmen des Wettbewerbs »Frauen Leben Vielfalt«.

Auch politisch war Heinke von Löw sehr aktiv. Im Rahmen der Lokalen Agenda 21 arbeitete sie ehrenamtlich und war von 2006 bis 2011 auch im Steinfurther Ortsbeirat tätig.

"Sie war ein so wunderbar streitbarer Mensch" und ihr Engagement auch umstrittene Themen anzustoßen, Kontroversen auszulösen, "war beispielhaft", sagt die Frau von der Humboldt-Gesellschaft, Gerda Kallmann. Auch sie ist tief bestürzt über den plötzlichen Tod der Freiherrin. Jahrelang war Heinke von Löw Mitglied auch ihrer Gesellschaft "wir brauchen mehr Frauen", hieß es damals und Heinke kam und machte mit.

1950 übernahm Heinke von Löw gemeinsam mit ihrem Mann Eberhard den ehemaligen Pachthof, der damals noch Stallungen für Pferde hatte. Fortan engagierte Heinke von Löw sich leidenschaftlich für den ökologischen Rosenanbau und war 1961 eine der Mitbegründerinnen der Steinfurther Rosenunion.

"Sie nannte mich immer mein Liebes, all die Jahre hindurch", erzählt Gerda Kallmann von und sie kenne Heinke von Löw schon viele Jahre und sie bleibt ihr in Erinnerung als Mensch, der gern auf Andere zuging - sehr herzlich.

"Ich persönlich fand ihren Mut überragend, ihre Menschlichkeit, ihre Art auf Leute zuzugehen und sie in ihr Herz zu schließen, war einfach großartig", so Kallmann. Wenn man zu ihr auf den Hof kam, freute sie sich immer, "nahm einen herzlich gerne auf". (...) "Für mich bleibt sie eine wunderbare Freundin, von der ich viel gelernt habe", so Kallmann im Interview am Tag der Trauerfeier.

5 Jahrzehnte lang prägte Heinke von Löw diesen Ort unweit der Kurstadt Bad Nauheim. Mit der Baumschule von und zu Löw, dem Gartenhof im schönen Rosendorf Steinfurth setzte sie Zeichen und machte den Ort zu dem, was er heute ist - ein Paradies im wahrsten Sinne des Wortes.

Was war und was bleibt

Was von Heinke von Löw bleiben wird, frage ich ihre langjährige Freundin und Wegbegleiterin Gertrud Gilbert und auch sie lobt vor allem die "Anstöße, die sie gegeben hat" und dass sie sich für einen "naturbelassenen Boden einsetzte", das ist ja heute noch Thema und da war sie - "zumindest hier in der Wetterau - eine Vorreiterin", so Gilbert im Interview am 2. Januar und fügt hinzu: "Es wäre auch unendlich traurig, wenn der Hof nach ihrem Tode so nicht weitergeführt werde". Denn dieser alte Hof hier aus dem 15. Jahrhundert, wie er zuletzt auch naturbelassen bewirtschaftet wurde, sei "einmalig in der Wetterau" und dürfe "auf keinen Fall verloren gehen", so Gilbert.

Wegbegleiter

Auch Manfred Grössler aus Graz ist ein guter Freund des Hauses. Der Künstler, Buchautor und leidenschaftliche Phytologe ist - wie Heinke von Löw - ein Verfechter der natürlichen Landwirtschaft, ganz im Sinne der Löw´schen Maxime, "Kein Patent auf Leben" und nieder mit der Gentechnik.

Zudem verband Heinke von Löw eine innige Freundschaft mit dem jüdischen Dichter Elazar Benyoëtz, so oft schon hat sie von ihm gesprochen, von seinen Texten und von seinen Büchern.

"Es gibt nur den einen Trost,
den jeder spenden kann,
Trost besiegelt den Verlust der Unwiederbringlichen", lässt Elazar Benyoëtz ausrichten.

Schon seit 2012 habe ich Kontakt zu Herrn Benyoëtz und mein größter Wunsch war es, ihn mal hier zu wissen, zu Lebzeiten noch von Heinke, so sehr hätte sie sich darüber gefreut, aber es sollte nicht sein.

Auszug aus dem Brief von Elazar Benyoëtz vom 1. Januar 2015:

"Lieber Max Bryan, ein schwer zu denkendes Neujahr, Heinke ist tot, mir wollte nichts gelingen, nicht da, nicht dort, ich kann nicht kommen, auch finde ich keine Worte" und ergänzt:

"Ich habe immer noch ihre helle Stimme im Ohr, die vielen Gemeinsamkeiten vor Augen, das schönste Foto unserer Begegnung in Weinsberg, einander entgegenfliegend. Mein Herz erblasst, (...) von ihr sollte man lernen, das richtige Tun, auch wenn sich das Richtig nicht einstellt, sondern - sich selbst korrigierend - nachwächst, nach und nach."

http://de.wikipedia.org/wiki/Elazar_Benyo%C3%ABtz

Und Danke auch von hier an Elazar Benyoëtz für diese tröstenden Worte aus Jerusalem - der Stadt des Glaubens - Danke dafür! Heinke hätte das sehr gefreut und sie hatte schon immer ein offenes Ohr auch für Inhalt und Anliegen ihrer Begleiter. Schon viele große Namen kreuzten ihren Weg. Ich denke da besonders an die Teilnehmer der Scheunengespräche der 70-iger und 80-iger Jahre mit all ihren berühmten Gastrednern und damit leider auch vor meiner Zeit. Ich kenne sie nur aus Heinke´s Erzählungen und ihr großes Anliegen war immer auch die Verbindung aus „Geist und Natur“, eine aus ihrer Sicht "unaufhebbare Einheit im unaufhebbaren Gegenüber", um nur eines ihrer zahlreichen Leitmotive zu nennen.

Erwin Chargaff

Ihr Denken, Fühlen, Handeln und Streben zeugte von großer Vision im Dienste der politischen Natur. So brachte der 2002 in New York gestorbene Biologe Erwin Chargaff seine Bewunderung ihr gegenüber zum Ausdruck. In einem Brief von 1985 an Heinke von Löw schreibt er: "Sie und Ihr Kreis vertreten das, worauf ich gehofft habe", auch das nur eines der vielen Zeugnisse Ihrer Zeit, sie alle stehen für Heinke´s unverwechselbaren Instinkt im Ringen um Einheit von Kultur, Umwelt, Geist und Natur.

http://de.wikipedia.org/wiki/Erwin_Chargaff

Menschsein an erster Stelle

Als ich Weihnachten dann zu ihr ging und fragte, ob ich das Fest mit ihr verbringen darf, sprach sie mit der von ihr schon so bekannten Selbstverständlichkeit und sagte: "aber klar doch - zu Weihnachten hatten wir immer ein offenes Haus" ... und so war sie, so war sie wirklich ... stets ein offenes Ohr auch für die Schwächeren der Gesellschaft, das ist die Nächstenliebe pur, das ist Diakonie und dabei blieb sie selbst eher bescheiden, hatte sich selbst nie etwas gegönnt.

Ihr Vermächtnis ist deshalb auch das Menschsein selbst, im Verbunde aus Geist und Natur. Gütig, schlicht, besonnen - demütig - freigiebig und interessiert - so war sie und so überlegte sie auch nicht lang, als ich 2012 mit nur meinem Fahrrad und der Isomatte im Gepäck vor ihrer Tür stand, damals noch völlig mittellos, bat ich um eine Chance und die sollte ich bekommen.

Rückblick:
https://www.facebook.com/pages/Max-Bryan/161102710...
(Chronik Gartenhof 2012 - 2015 / 400 Bilder)

Ich wurde besser im Garten und konnte zeigen, dass ich noch mehr drauf habe, dass ich auch ein gutes Auge für ein gutes Bild habe und so entstand diese Chronik - eine Chronik über das Leben auf dem Gartenhof, den Heinke so viele Jahre schon prägte. Sie hatte diese wundervolle Gabe, in den Menschen hinein zu horchen, ihn so anzunehmen, wie er ist und sie gab mir diesen Platz hier zum leben, schaute nach, was aus mir wird und gab mir die Zeit und den Raum an den Aufgaben auch zu wachsen.

https://www.facebook.com/notes/max-bryan/habe-vert...

"Am Vertrauen wächst der Gefallene", das waren Heinke´s Worte und sie stehen am Ende eines Films, den ich mit ihr gemeinsam begann. Eine Langzeitbetrachtung zum Leben und Wirken der Menschen hier auf dem Hof und eine Reise durch die Gezeiten, ohne Heinke wäre nichts, wie es heute ist.

Gehe ich heute durch diesen Garten, sehe ich überall ihre Spuren, ihre Zeichen - Texte und Signale, Farben und Appelle. Sie war und ist das Licht dieser Insel, möge es nie vergehen, und mögen die Menschen sich hieran erinnern, davon lernen, es weitergeben und nach Hause tragen, damit noch viele Menschen jene Chance bekommen, es ihr und diesem Garten gleich zu tun!

https://www.facebook.com/notes/max-bryan/nachruf-h...

Liebe Heinke ...

... Du wirst immer in meinem Herzen sein. Für mich warst Du die größte Chancengeberin dieser Welt!

- Ruhe in Frieden -

Max Bryan
10. März 2015

Weitere Bilder im neuen Chronik-Album (2012 - 2015) -->
https://www.facebook.com/media/set/?set=a.98619001...

Bürgerreporter:in:

Max Bryan aus Hamburg

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