Natur pur am westlichen Bodensee

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Als sie erfuhr, wohin ich fahre, sagte meine kleine Enkeltochter: „Ich weiß, warum der Bodensee so heißt, weil ich den Boden seh!“
In der Tat hat er derzeit durch die lange Hitze und Trockenheit weniger Wasser, und man sieht bei einer sonnigen Kanu-Paddelfahrt tatsächlich den Boden. Heißt aber auch: klares, sauberes Wasser.

Vom Hegau, der Vulkan- und Burgenlandschaft am westlichen Bodensee, bis zu den Alpen erstreckt sich der drittgrößte See Europas. Doch nirgends scheint er so naturbelassen wie um den Untersee, in Deutschland mit dem Land Baden-Württemberg und in der Schweiz mit den Kantonen Thurgau und Schaffhausen, der mit rund 62 km² Fläche der kleinere der beiden Seen des Bodensees ist. Davon gehören 47 km² zu Baden-Württemberg. Hier werden Naturschutz und Landschaftspflege großgeschrieben.

Auf dem Weg zum Hohentwiel, dem steil aufragenden und wohl bekanntesten Festungsberg unter den Vulkanen des Hegau, begegnet man unzähligen Schafen und auf den Büschen herumkletternden, Blätter fressenden Ziegen. Hunderte übervoll hängende Apfelbäume säumen den Weg und hinterlassen eine Menge Fallobst, das gern zu Most verarbeitet wird. Schafe und Ziegen werden gebraucht, um das Gras kurz zu halten und eine Verbuschung der Trockengebiete zu verhindern, so dass Kräuter wachsen können. Deshalb können unzählige Pflanzenarten gedeihen.
Auffällig sind dort Thymianwiesen und der wie Lavendel blau-lila blühende Ysop, von dem man bei einer Führung erfährt, dass er so beliebt ist, dass alte Frauen ihn in ihre Gebetbücher legen. Trotz ihres Namens meiden Schafe die Schafgarbe, aber sie eignet sich gut zum Würzen von Speisen und wird gern in Kuchen verbacken. In den Trockenwiesen tummeln sich Heuschrecken zuhauf. So viele wie hier sieht man wohl selten.
Auf der Karlsbastion angekommen, darf der Blick über die weite Landschaft schweifen. (Die Festung auf dem Hohentwiel wurde im Dreißigjährigen Krieg fünfmal erfolglos belagert, dann als Staatsgefängnis genutzt, bis die Anlage 1801 geschleift wurde. Nach der Zerstörung wurden die Ruinen ein Anziehungspunkt für Touristen.)

Dann könnte man auf einem Teilstück der in Baden-Württemberg neu eingeführten Premium- Wanderwege wandern, hier heißt er „Hegauer Kegelspiel“, bis zum höchstgelegenen Weingut Deutschlands. Es ist das Weingut Vollmayer auf 560 Höhenmetern und offeriert exzellente Weine, wie man bei einer Verkostung entdecken wird: Weißburgunder, Sauvignon blanc, der mit Cabernet cuvertisierte Regent und viele mehr.
Vor allem die alten Weinstöcke des Guts bieten beste Qualität (www.vollmayer-weingut.de). Weil die Familie im kalten Jahr 2017 Angst um ihre Ernte hatte, stellte sie unzählige mit Paraffin gefüllte Fünf-Liter-Eimer auf, zündete sie an und ließ sie über Nacht brennen, um die Reben zu wärmen. Dennoch musste sie einen Verlust von 30 Prozent erleiden. Aber die restliche Ernte war gut.

Der nächste Tag gehört dem Mindelsee und der Halbinsel Höri. Doch schon am Abend zuvor könnte man sich verwöhnen lassen mit biologischer „Genüsse-Küche“. Seit 130 Jahren befindet sich der Landgasthof „Zum Sternen“ in Moos-Bankholzen im Herzen von Höri in Familienbesitz und legt Wert auf das Servieren von regionalen Produkten, Gemüse, Fleisch, Käse, Bier, Säfte und Weine aus der Region, Fische aus dem See (www.zum-sternen.de).

Die Pflege des seit 80 Jahren unter Naturschutz stehenden 115 Hektar großen Mindelsees obliegt dem BUND Baden-Württemberg. Der nahe bei Markelfingen liegende Mindelsee, ein Moorsee, ist 2,2 Kilometer lang und 500 Meter breit, 15 Meter an der tiefsten Stelle. Auf ihm sind nur Ruderboote erlaubt, um ihn herum kein Autoverkehr. Der BUND ist sehr aktiv und meldet alles, was nicht hierher gehört. Die Uferlandschaft ist eine offene Kulturlandschaft, also nicht verbuscht. Selbst das mit Wollgras durchsetzte Schilf wird gemäht. Enten und Graugänse vagabundieren zwischen ihm und dem Bodensee. Im Wasser schwimmen Felchen, Hecht, Zander, Aal und der größte Süßwasserbinnenfisch, der Wels, der bis zu 2,40 Meter groß werden kann. Wanderwege gibt es hier ohne Ende. Am Ufer trifft man die Kanadische Goldrute, den lila blühenden Wasserdost, den Wohlriechenden Lauch, der seinem Namen alle Ehre macht. Bläulinge und andere Schmetterlinge fühlen sich hier wohl. Von der wie eine Liane an den Bäumen hängenden Waldrebe, auch Clematis genannt, wird behauptet, man könne sie rauchen wie Haschisch mit demselben Effekt. Ich habe es nicht überprüft.
Wie Vögel, nur größer, überfliegen auch Zeppeline die Region. Sie starten in Friedrichshafen und sind zu buchen, eine Touristenattraktion.

Über die Bodenseehalbinsel Höri und ihr Entstehen schmunzeln die Einwohner in ihrem Dialekt: „Gott erschuf die Welt, und als alles gut war, meinte: `Jetzt höri auf!`“ So entstand die ländliche Idylle Höri.
In Möggingen hat das Max-Planck-Institut für Ornithologie seinen Platz und lädt jedermann ein in sein „Hennhouse“, wo er selbst tätig und fündig werden kann bei der Multimedia-Schau zum Thema Vogelzug-Forschung und Migration in der Tierwelt. Man wünscht sich viele Besucher.

Höri steht auch für „Rettich, Bülle und Salat“, was etwa die Gasthäuser „Grüner Baum“, „Seehörnle“ und das „Schlössli“ in Hornstaad reichlich anbieten. Bülle braucht sicher eine Erklärung: Bülle ist die im Alemannischen gebräuchliche Bezeichnung für Zwiebel, in diesem Fall eine rote Speisezwiebel, sehr mild im Geschmack, weshalb sie gern roh verzehrt wird.

Auf der Halbinsel Mettnau im Wollmatinger Ried ist der NABU aktiv. Es ist der älteste Naturschutzverband, von einer Frau gegründet und datiert von 1898. Allein in Baden-Württemberg zählt er 100.000 Mitglieder. Er baut gerade ein neues Zentrum und achtet bei seinen großen Glasfenstern darauf, dass die Vögel nicht dagegen schlagen. Noch im Versuch ist ein vertikales Schilfmuster an den Fenstern. Vielleicht effektiv, wer weiß, die Zukunft wird es zeigen.
Wer noch nicht genug Natur genossen hat, könnte auch dieses Ried durchstreifen. Ein Teich lädt nicht nur zum Baden ein, eher zum Ansehen der Wasserinsekten. Eine Schifffahrt, auch unter Wasser bietet dazu die beste Möglichkeit. Geplant ist ein Barfußpfad, um die Natur hautnah am eigenen Leib zu zu fühlen.
Nach soviel Natur darf wieder ans Essen gedacht werden, dieses Mal an eine im alemannischen Sprachraum verbreitete Spezialität: Dünnele, Dinnete, Dinne, Wähe, Wähe, Weie oder auch Flammkurchen genannt, am besten im „Kranz“ in Liggeringen.

Bürgerreporter:in:

Elke Backert aus Hamburg

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