Buchbesprechung
Mortimer & Blake Acht Stunden in Berlin

José-Louis Bocquet / Jean-Luc Fromental / Antoine Aubin: Die Abenteuer von Mortimer und Blake Acht Stunden in Berlin; Carlsen Verlag Hamburg 2023; 64 Seiten; ISBN: 978-3-551-02346-9

Prof. Philip Mortimer erhält im Frühjahr 1963 eine besondere Einladung. Er soll mit einer alten Freundin zusammen an einer archäologischen Ausgrabung teilnehmen. Diese Ausgrabung findet im Ural statt, also im "Reich des Bösen", in der damals noch existierenden Sowjetunion.

Die Fundstücke, die sie entdecken, haben aber nichts mit der Frühgeschichte, sondern etwas mit der Gegenwart zu tun.

Die Spur führt in ein streng geheimes Sanatorium ganz in der Nähe. Es wurde zu einem psychochemischen Laboratorium umgebaut. Mortimer erlebt dort furchtbare Qualen.

Die Geschichte endet in West-Berlin, wo Mortimer und Blake Weltgeschichte live miterleben.

Zu diesem Heft gibt es einiges zu erzählen. 

Die Handlung ist eine Mischung aus Kriminalgeschichte und actionsreichem Politthriller; Fantasy und Scienve-Fiction fehlen also völlig. Sie greift zeitgeschichtlich bedeutsame Ereignisse aus der Zeit des Kalten Krieges auf. Es gibt das Blocksystem in Europa; Deutschland ist durch Stacheldrahtzäune getrennt, Berlin zusätzlich noch durch eine Mauer. Spionage gibt es auf beiden Seiten.

Das historische Ereignis des Berlin-Besuchs von John F. Kennedy, dem damaligen US-Präsidenten (er heißt hier anders), wird hier sogar in die Handlung eingeflochten - einschließlich seiner berühmten Worte "Ich bin ein Berliner". So scheint fast so, als sei diese Geschichte gezielt für den deutschen Markt geschrieben - ein deutscher Leser kann sich sehr gut emotional heineinversetzen.

Die Bilder sind sehr gut gezeichnet. Die Farbgebung verdeutlicht, wer gut und wer böse ist, ob eine Szene bedrohlich oder entspannt ist, was direkte Rede ist oder die Handlung erklärt. Auch bei Letztgenanntem gibt es wieder eine Nuancierung: Wann sind wir im Feindesland, wann bei Freunden, wann zuhause? Da hat sich jemand viel Mühe gegeben.

Was die Personen anbelangt, bewegt sich die Geschichte wieder in altvertrauten Bahnen. Colonel Olrik greift mal wieder nach der Weltherrschaft; Mortimer und Blake versuchen, ihm das Handwerk zu legen. Daß Bezüge zu früheren Werken eingebaut werden, ist da wohl unvermeidlich.

Hintergrundinformationen

Die frankobelgische Comicserie Blake und Mortimer ist erstmals im Jahre 1946 erschienen - zuerst in der Zeitschrift "Tintin", später auch im Buchform. Name: "Kampf um die Welt". Edgar P. Jacobs gilt als der Begründer der auch in Deutschland erfolgreichen Serie. Die Serie gilt als Meisterwerk der "Klaren Linie".

Die Zensur hat zwischendurch auch mal eingegriffen, nämlich 1962. "Die Teuflische Falle" wurde mit einem zehnjährigen Publikationsverbot belegt. Die weibliche Nebenfigur Agnés wurde als Grund genannt, da es damals in französischen Comics eine strenge Geschlechtertrennung (in Printmedien für Jugendliche) gab. Auch die pessimistische Zukunftsdarstellung infolge eines durch die französische Regierung verursachten Atomkriegs und den daraus resultierenden Zerstörungen galten als problematisch.

Im franko-belgischen Raum gibt es zahllose Parodien auf die Serie, die bislang aber kaum in Deutschland veröffentlicht wurden. Selbst bei Percy Pickwick - Comicreihe enthält immer wieder Querverweise zu Blake & Mortimer.

Es gibt auch schon Verfilmungen (z. B. als Trickfilm)

Das Jahr der Veröffentlichung folgt nicht der inneren Chronologie. So entsteht keine in sich geschlossene Biographie, sondern eher die episodenhafte Beschreibung von Lebensereignissen.

Meinung

Das französischsprachige Belgien hat eine lebendige und erfolgtreiche Comic-Szene. Ein Teil davon ist auch bei uns in Deutschland erfolgreich - siehe Tim & Struppi.

Ohne einem Kulturkampf den Mund reden zu wollen: Warum sind gerade diese "Ausländer" bei uns so erfolgreich? Wann nehmen endlich einheimische, deutschsprachige Comic-Autoren den sprichwörtlichen "Fehdehandschuh" auf und erschaffen vergleichbare Klassiker?

Bürgerreporter:in:

Andreas Rüdig aus Duisburg

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