Josephi fängt das Ziegeln an
„Nach dem Josephitag ist der Boden nicht mehr gefroren und das Ziegeln kann wieder beginnen. Das wurde früher kräftig gefeiert - mit Tanz und Schnaps!“ So steht es im Jahresprogramm des Fränkischen Freilandmuseums in Bad Windsheim für das Jahr 2011. Josephi ist in 2011 am 19. März.
Bis dahin versinkt das Museum, das mit etwa 100 Gebäuden 700 Jahre Alltagsgeschichte aus Mittelfranken unter blauem Himmel erlebbar macht, aber nicht in den Dornröschenschlaf. Nur das Backen der Ziegel zur eigenen Verwendung kann erst nach dem Frost wieder gezeigt werden. Aber im Bauernhaus aus Herrnberchtheim etwa werden fränkische Gerichte aus Urgroßmutters Rezeptbuch gebacken und gekocht und natürlich probiert. Mit Nadel und Faden können Besucher handarbeiten, etwa Monogramme sticken, auch Socken und Pulswärmer stricken oder Pompadour und Retikül anfertigen, diese niedlichen, kostbaren Perlentäschchen, wie die Dame sie heute gern wieder bei Festen zur Schau stellt. Dann kommt der Advent in die fränkischen Bauernstuben, ein Weihnachtsspiel und mit etwas Glück verschneite Bauernhäuser und Eiszapfen an hölzernen Dachrinnen. Danach warten alle auf Josephi und schöne Tage beim Durchstreifen der zum Teil ungewöhnlichen Häuser und Tierställe oder nutzen die vier Wirtshäuser des Museums, darunter ein Brauhaus, die ganzjährig geöffnet sind (www.freilandmuseum.de).
Wer ahnungslos eine Stadtführung durch das mittelfränkische Bad Windsheim macht und an der Kur-Apotheke das Aushängeschild sieht - die fränkische Stadtführerin nennt es „Ausleger“ -, versteht sofort, dass in diesem Kurort ein sprudelnder Gesundbrunnen auf ihn wartet. Es ist die Franken-Therme, einzigartig in Deutschland. Sie steht in der Besuchergunst obenan.
Schon beim Eintreten in die Vorhalle kann man sich gesund trinken. Tag und Nacht sprudelt die St.-Anna-Quelle kostenlos zur Selbstbedienung. Sogar Gläser stehen bereit zur Wiederverwendung, keine Plastikbecher zum Wegwerfen.
„Na, wird schon nicht schaden, mal einen Schluck zu nehmen. Hm, gar nicht schlecht“, hört man die Besucher sagen. Es ist eine Calcium-Sulfat-Quelle, die mineralisch und wenig salzig schmeckt. Sie soll die Verdauung und die Behandlung bei Harnwegsinfekten unterstützen. Besonders wirksam sei die morgendliche Einnahme von 0,2 bis 0,3 Liter auf nüchternen Magen und jeweils eine halbe Stunde vor den Mahlzeiten. Wer also Probleme hat, könnte das Heilwasser problemlos in Kanister abfüllen, sooft man es braucht.
In Bad Windsheim erbohrte man weitere drei Quellen:
die Kiliani-Quelle, eine Natrium-Calcium-Chlorid-Trinkquelle, verwendet zur Anregung der Gallensekretion, ausgeführt in der Kiliani-Klinik,
einen fluoridhaltigen Thermal-Sole-Säuerling, der drei Schwimmbecken der Franken-Therme füllt und der bei rheumatologischen, orthopädischen, gynäkologischen, pädiatrischen, dermatologischen und pulmonologischen Beschwerden Anwendung findet, also praktisch für jedermann gut ist, und
die Solimed-Quelle.
Diese Calcium-Magnesium-Sulfat-Quelle wird mit 26,9 Prozent als vollgesättigte Sole in einen künstlichen See geleitet, der folglich den Namen Salzsee trägt. Und er ist wirklich einzigartig in Deutschland.
Die Sole wird aus einer Tiefe von 200 Metern gefördert, wo sie in Form eines zwölf Meter dicken Salzstocks ruht, der vor 250 Millionen Jahren entstand und der mit Heilwasser ausgelaugt wird. Indikationen wie bei der Thermal-Sole, aber vor allem auch für Psoriasis-Patienten. Die über zwei Millionen Menschen in Deutschland, die an der juckenden Hautkrankheit Psoriasis, der Schuppenflechte, leiden, müssen nicht ans Tote Meer in Israel oder Jordanien reisen. Sie können in der Franken-Therme mit der „Photo-Sole“-Therapie, also mit Salz und Licht, die auch Menschen mit Atemwegserkrankungen nutzen können, erfolgreich behandelt werden. Bewiesen sei, heißt es, dass ein dreiwöchiger Aufenthalt das Leiden nachhaltig lindere.
Die Franken-Therme ist also kein Spaßbad, auch wenn es Spaß macht, zu saunen, sich in den Becken zu bewegen, auf den Sprudeldüsen zu liegen und schwerelos auf dem zum Teil überdachten immer warmen Salzsee zu schweben wie auf dem Toten Meer (www.franken-therme.net).
Bei einem Stadtrundgang fällt als erstes das schlossartige barocke Rathaus am Marktplatz auf, auf dessen Turm jeden Samstag um 17 Uhr ein Posaunenchor aufspielt. Die Kilians-Kirche gleich nebenan, die der Kiliani-Quelle ihren Namen gab, wurde 1216 erbaut, nach einem Brand im 18. Jahrhundert wieder aufgebaut, weshalb ihre Innenausstattung von 1740 datiert. Bemerkenswert sind der barocke Taufstein und die Orgel mit 4312 Pfeifen. Nicht nur Bremen hat den Roland, auch Bad Windsheim, acht Meter aus Muschelkalksandstein ragt er an einer elf Meter hohen Säule auf.
Wirft man einen Blick in die gläsernen Pyramiden auf dem Marktplatz, staunt man nicht schlecht, sieht man doch (nachgearbeitete) Skelette, einen Brunnen, und man wird neugierig. Das „Archäologische Fenster“ entstand, nachdem bei der Neugestaltung des Platzes Ende des 20. Jahrhunderts bedeutende archäologische Funde ausgegraben wurden. Allein 45 teutonische Gräber mit Skeletten aus dem 8. bis 10. Jahrhundert wurden gefunden, eine Latrine mit Glasfenstern, Küchengerät, Gefäße, Schinken und Brot und vieles mehr ist zur Stadtgeschichte von Windsheim ausgestellt.
Bei einer Stadtführung erfährt der Besucher, dass Franz Daniel Pastorius, Sohn des damaligen Bürgermeisters Melchior Adam, 1683 einer der ersten Auswanderer nach Nordamerika war und in Pennsylvania Germantown gründete.
Als berühmtesten Sohn der Stadt aber bezeichnet man Georg Wilhelm Steller, Arzt und Forschungsreisender in Sibirien und auf Kamtschatka und 1741 als Begleiter von Vitus Bering erster Naturforscherr in Alaska und auf den Aleuten. Ihm ist ein Denkmal mit einem Wal gewidmet.
Eine Rokoko-Fassade ist zu bewundern, davor der „Schöne Brunnen“ mit einem Gitter von 1590 und der Statue Karls VI. von 1727. Der See wurde zugeschüttet, aber Seegasse und die Seekapelle aus rotem Schilfsandstein mit bunt glasiertem Turm wie im französischen Beaune, existieren noch. Schmuckstück der 1402 geweihten Kapelle ist eine meisterhafte Kopie des Windsheimer Zwölfbotenaltars von Tilman Riemenschneider aus dem Jahre 1509. Im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg befindet sich das Original. Drei fast identische Traufbauten mit Mittelerker von 1751 schließen nahtlos an. Nicht zu vergessen die unzähligen Fachwerkbauten wie die Häuser am Kornmarkt, das ehemalige Gefängnis, das Gasthaus zur Krone im Freilandmuseum, das Bürgermeister-Eisen-Haus im „Malerwinkel“, das Stadtschreiberhaus von 1570 und der Getreidespeicher von 1537, heute „Reichsstadtmuseum im Ochsenhof“. Ein Backsteinbau fällt aus dem Rahmen, ein 1894 im neugotischen Stil erbautes Haus mit Treppengiebel und Türmchen, bestes architektonisches Beispiel für Historismus.
Eines der größten und kühnsten Holzbauwerke des Mittelalters ist der Alte Bauhof. Sein freitragender Dachstuhl ist mit sage und schreibe 30.000 Ziegeln gedeckt. Der Bauhof gehört seit 1989 zum Fränkischen Freilandmuseum ebenso wie die 1417 errichtete Spitalkirche, die heute, originell umgebaut, als Museum die sakrale Kultur des protestantischen Franken darstellt (www.bad-windsheim.de).
Bürgerreporter:in:Elke Backert aus Hamburg |
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