„Erlebniswelt mit Gleisanschluss“: Pumpen, Paddel und Pedale
Mein Freund Wolfgang hatte mir Hamburger Nichtautofahrerin versprochen, mich mal mit dem Auto durch eine idyllische Landschaft Norddeutschlands zu kutschieren. Auf meine Nachfrage spricht er vom Naturpark Lauenburgische Seen. „Ach, Du meinst Ratzeburg und Mölln und so weiter. Das kenn´ ich doch“, ereifere ich mich. Da gibt es nichts Neues zu sehen für mich.“
Doch Wolfgang lässt nicht locker, „wart`s ab“, lacht er und fährt los. Als er bei Schmilau nach links zur Farchauer Mühle abbiegt, bin ich bass erstaunt. Diese verwunschene Ecke war mir bisher verborgen geblieben.
1582 an der Südspitze des Küchensees als Wassermühle erbaut, wurde sie anfangs als Walkmühle, später als Graupenmühle betrieben. 1850 erhielt sie Schankerlaubnis, wurde Gastwirtschaft und ist heute ein beliebtes Restaurant, das regionale Spezialitäten auftischt. 1991 kam ein komfortables Hotel mit 19 Zimmern dazu. Ein Café mit Garten und Seeblick ergänzt das Angebot. Ausflugsdampfer der Vier-Seen-Rundfahrt (Ratzeburger See, Domsee, Kleiner Küchensee und Küchensee) legen am Bootssteg an.
Etwas Besonderes aber sind die angebotenen Arrangements, die ohne die „Erlebniswelt mit Gleisanschluss“ nicht machbar wären. Die Eigentümer der Farchauer Mühle Eva-Maria und Michael Sievers taten sich mit jenen ideenreichen Menschen zusammen, die für ausgediente Waggons der Deutschen Bahn, ebensolche S-Bahn-Wagen, einen ehemaligen Bahnhof und stillgelegte Gleise Verwendung fanden. Schmilau heißt der Bahnhof unweit der Mühle, von dem aus - lang ist`s her - Züge nach Ratzeburg fuhren. Heute ein Dorado für Bahnfreaks, kann man doch in alten Liegewagen der Mitropa, ja sogar in einem nachgebauten Munitionszug hoch oben im Baum, schlafen, in anderen essen und trinken, feiern, Tagungen abhalten und Betriebs- und Schulausflüge machen. Und das Tollste: Abenteuerlustige können hier alle möglichen nie bisher erlebten „Spaßräder“ ausprobieren, sogar kostenlos. Tandems, auf denen man rückwärts treten muss, aber vorwärts fährt, Einräder, Räder, bei denen man linksrum lenkt und rechtsrum abbiegt, Räder, auf denen man rauf und runter hüpft, und die „6teambikes“, auch Konferenzräder geheißen. Auf diesen Dreirädern sitzen sechs Personen um ein Lenkrad und treten in die Pedale. Ideal für eine Familien-Spritztour um die Schmilauer Spargel-, Raps- und Erdbeerfelder. Ich bin beeindruckt, ich kann mich gar nicht satt sehen, muss aber zugeben, dass ich zu feige bin, die Spaßräder selbst auszuprobieren. Aber allein das Zuschauen gefällt mir, vor allem wie viel Freude die Leute dabei haben.
Am Ratzeburger See warten darüber hinaus „Hydrobikes“, schwimmende Fahrräder mit Sattel, Lenker und Pedalen, zur Umrundung der Inselstadt, und am Strandbad Ratzeburg leiht man „Schwimmschuhe“ für einen Spaziergang übers Wasser. Dafür allerdings wird empfohlen, trockene Kleidung zum Wechseln mitzubringen. Das alles sieht irre aus, ich würde ja zu gern, aber dann mach` ich`s doch nicht… Vielleicht beim nächsten Mal.
Highlights der „Erlebniswelt mit Gleisanschluss“ in Schmilau aber sind Fahrraddraisine und - wohl einmalig - Handhebel-Draisine, dank der sich Erlebnishungrige auf den stillgelegten Gleisen mit Handhebel und Armen - runter, rauf, runter... - zwei Stunden lang durchs Herzogtum Lauenburg bis nach Ratzeburg „pumpen“. Im Gegensatz zur Fahrraddraisine, auf der man sitzt und relativ locker in die Pedale tritt, bedient man den Handhebel im Stehen.
„Da lobe ich mir die Fahrraddraisine“, lacht Wolfgang verzweifelt, „meine Beine sind fitter als meine Arme. Ich laufe nämlich Marathon!“
Muskelkraft ist immer angesagt bei den unterschiedlichen „3-Muskel“-Kombitouren und dem „Lauenburgischen 5-Kampf“. Unter dem Motto „Pumpen, Paddel und Pedale“ etwa „pumpt“ man zuerst, nimmt dann das Rad zum südlich gelegenen Piepersee und beendet die Tour mit einem romantischen Wikingerkanutörn auf dem verträumten Schaalseekanal zurück Richtung Farchauer Mühle (8 km).
„Unsere Gäste machen gern Rast in der Farchauer Mühle. Sie liegt so idyllisch am Wasser“, höre ich von den Betreibern der „Erlebniswelt“.
„Und wir fühlen uns dort gut aufgehoben wie bei besten Freunden“, höre ich die Gäste antworten.
Da kann ich nur zustimmen. Ich war inzwischen öfter dort, habe immer ausgezeichnet gegessen und wurde freundlich bedient.
Bürgerreporter:in:Elke Backert aus Hamburg |
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