Unterwegs auf dem Jakobsweg
Mit dem Fahrrad auf dem Jakobsweg
Für unsere Pilgerreise auf dem Jakobsweg in Frankreich haben wir uns den Zeitraum 3. Juni – 16. Juni 2006 reserviert. Der erste Tag beschreibt die Anreise mit dem Auto und den Fahrrädern auf dem Dach von Vöhringen nach Figeac, das im Südwesten Frandreichs liegt. Von dort aus wollen wir eine Etappe auf der Via Podensis mit dem Fahrrad zurücklegen. Unser Etappenziel ist St.-Jean-Pied-le-Port in den Pyrenäen.
Es ist spät geworden an meinem letzten Arbeitstag und die Vorbereitungen zu Hause sind noch nicht abgeschlossen. So beschließen wir, uns am Samstag noch Zeit zu nehmen, um unsere Reise ohne Hektik antreten zu können.
04.06.2006 – Pfingstsonntag – Anreise nach Figeac
Wie immer ist es im Bett viel zu schön, ich komme nicht aus den Federn und so starten wir mit etwas Verspätung erst um 4:45 Uhr. Das Wetter verheißt nichts gutes, es nieselt und ist ziemlich kalt. Bei dem schlechten Wetter schlafe ich noch eine Runde im Auto und als ich wieder erwache, sind wir schon an der französischen Grenze in Mulhouse und ich löse Erwin beim Fahren ab. Die strikte Geschwindigkeitsbegrenzung auf den französischen Autobahnen nervt. Doch Kollegen haben mich vor dem rigorosen Durchgreifen der Polizei bei Tempoverstößen gewarnt und so zuckle ich brav mit 130 km/h vor mich hin. Bei diesem Bummeltempo lerne ich die Vorzüge des Tempomaten schätzen. Zeitweise geht die Beschränkung auf 110, in den zahlreichen Baustellenbereichen sogar auf 90 km/h zurück. Obwohl nur wenige Autos unterwegs sind, halten sich alle Verkehrsteilnehmer strikt an das Tempolimit.
Die Gegend ist verlassen, nur wenige Städte und Dörfer liegen an der Autobahn. Dafür ist das Gelände bergig, die Brücken haben große Spannweiten und führen über tiefe Täler. So verwundert es nicht, dass für die Autobahnen Benutzungsgebühren verlangt werden. Überrascht sind wir von der Bepflanzung des Mittelstreifens. Über weite Strecken erfreuen wir uns an reich blühenden roten Rosen.
Inzwischen hat sich das Wetter erheblich verbessert. Als wir in der Gegend von Clairmond-Ferand ankommen, strahlt die Sonne um die Wette mit schier endlosen gelben Ginsterfeldern, die sich bis in die Autobahnböschungen vorgeschoben haben. Am Straßenrand sehen wir den Wegweiser nach Rocamadour, einem der berühmtesten Marienwallfahrtorte Frankreichs. Eigentlich ist der Ort nach dem heiligen Amadour benannt, dennoch werden die vielen Wunder, die hier geschehen sind, ausschließlich der Jungfrau Maria zugeschrieben. Wir sind gut im Zeitplan und gönnen uns daher den Abstecher. Zu beiden Seiten der Landstraße fallen uns Steinwälle aus Felsbrocken auf, die teilweise eingestürzt sind. Die mit Draht gefüllten Lücken geben den Blick auf karge steinige Magerwiesen frei. Die Flächen sind mehr mit weißen Gesteinsbrocken bedeckt als mit Gras bewachsen. Was es da wohl zu schützen gibt? Viel später erst wird uns der Zweck klar. Wir erspähen ein offenes Tor und nutzen diesen glücklichen Umstand, um im Schatten eines Baumes auf einem großen Felsbrocken Pick-nick und Siesta zu halten. Inzwischen zeigt das Thermometer 25 °C. Trotz der schläfrigen Mittagshitze will uns das Nickerchen nicht so richtig gelingen, es riecht irgendwie komisch. Auf die Lösung des Rätsels tappen wir beim Verlassen des anrüchigen Plätzchens, wir sind auf einer frisch abgeweideten Schafwiese gelandet. Ja klar, die Umzäunung dient dem Schutz der Schafe.
Rocamadour ist touristisch bestens erschlossen! Wir suchen Ruhe und Einkehr auf dem Jakobsweg, doch hier finden wir lärmende Menschen, die hastig überall Fotos schießen. Die Menschenmengen, der Campingplatz und der Lift zum Chateau sind abschreckend, rasch setzen wir unsere Fahrt nach Figeac fort.
Dort angekommen begeben wir uns auf Suche nach der Gite d’Etappe. Trotz mehrmaliger Versuche ist es mir nicht gelungen, von zu Hause aus eine telefonische Reservierung zu tätigen, nie war jemand zu erreichen. Die Suche gestaltet sich trotz Adresse und Anfahrskizze schwierig. Ich frage einen Monsieur im gesegneten Alter, der gerade seine Fensterläden verriegelt. Der hat nur Unfug im Sinn und erklärt mir, das sei doch viel zu gefährlich für eine schöne junge Frau (merci Monsieur für das freundliche Kompliment), alleine und schutzlos auf dem Jakobsweg und im Schlafsaal einer Gite zusammen mit all den Monsieurs. O la la – charmant sind sie, die Monsiers! Den Weg indess kann er mir nicht weisen.
In der schmucklosen Kirche „Notre Dame de Puy“ schicke ich ein Stroßgebet zum Himmel, Erwin übrigens auch – wie er mir später gesteht. Endlich haben wir die Adresse der Gite gefunden – aber sie existiert nicht mehr. Die Suche nach einem Hotel können wir uns sparen, zu Hause im Internet habe ich bereits festgestellt, dass an Pfingsten die Hotels in Figeac alle complet sind. Nun ja, dann müssen wir eben improvisieren. Der geplante Besuch im Museum muss folglich ausfallen. Dabei ist Figeac so stolz auf seinen großen Sohn Campollion, dem es als erstem Menschen gelungen ist, die Hieroglyphen zu entschlüsseln.
Von Figeac aus gibt es mehrere Varianten des Jakobswegs bis nach Cahor, durch das Tal des Lot, entlang der Célé oder durch Überquerung der Höhenzüge zwischen den beiden Tälern. Wir entschließen uns, mit dem Auto dem Höhenweg zu folgen. Dies dürfte der ursprüngliche Jakobsweg gewesen sein, denn die Alternativrouten sind zwar bequemer, führen dafür aber über weitere Strecken. Für uns Radfahrer bedeuten 20 km Umweg in der Ebene einen Zeitverlust von etwa einer Stunde, die Fußpilger der Mittelalters dürften dafür einen halben Tag gebraucht haben.
Unsere Überlegung erweist sich als richtig, denn kurz vor Feycelles erblicken wir den Wegweiser zum „Relais St. Jacques“. Monsieur Jean bedauert, es ist nur noch Platz im Dormitorium direkt unter dem Dach. Draußen hat es auf 24 °C abgekühlt, im Dortoir hält sich die Wärme noch länger. Die Freude darüber sieht man mir wohl an, denn Monsieur bemerkt, dass Gäste, die ein Zimmer reserviert haben, noch nicht angekommen sind. Ja, natürlich bin ich bereit, auch später noch ins Zimmer zu wechseln. Das Stoßgebet hat geholfen, denn wir bekommen das wunderschöne Zimmer im kühlen Erdgeschoss mit eigenem Sanitärbereich und einem frischen Blumenstrauß auf dem Nachttisch. Das Abendessen wie auch das Frühstück am nächsten Tag bestreiten wir aus mitgebrachtem Proviant. Das Weiler „La Cassagnole“ besteht aus den beiden Gebäuden der Gite und einem etwa 100 m entfernten Lokal, welches jedoch wegen des Pfingstfeiertages geschlossen hat.
Bürgerreporter:in:Angelika Böck aus Günzburg |
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