Interview und Veranstaltung zum Thema: „Erfolgsfaktor – Psychische Gesundheit in Ihrem Unternehmen oder Betrieb“

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Die Gesundheitsregionplus Landkreis Günzburg veranstaltet am 24. Oktober 2019 eine Informationsveranstaltung zum Thema „Erfolgsfaktor – Psychische Gesundheit in Ihrem Unternehmen oder Betrieb“.
Prof. Dr. Stephan Gronwald, Dekan der Fakultät für angewandte Gesundheitswissenschaften der Technischen Hochschule Deggendorf, wird einen Vortrag zum Thema „Psychische Gesundheit als Erfolgsfaktor“ halten. Interessenten, die an der Veranstaltung teilnehmen wollen, können sich bis 10. Oktober 2019 bei der Geschäftsstelle der Gesundheitsregionplus anmelden. Im Gespräch mit der Geschäftsführerin der Gesundheitsregionplus, Carolin Blank, beantwortete Prof. Gronwald, weshalb das Thema psychische Gesundheit in der Arbeitswelt zunehmend in den Vordergrund rückt und warum das Betriebliche Gesundheitsmanagement eine entscheidende Rolle hierbei spielt. Das Interview ist nachfolgend mit dem vollständigen Wortlaut wiedergegeben. DAS INTERVIEW FÜHRTE Carolin Blank, Leiterin der Geschäftsstelle der Gesundheitsregionplus Landkreis Günzburg

Carolin Blank:
Herr Prof. Gronwald Sie sind Dekan der Fakultät für angewandte Gesundheitswissenschaften der Hochschule Deggendorf und leiten das Lehrgebiet und die Forschungsgruppe Betriebliches Gesundheitsmanagement und Arbeitssicherheit.
Das Thema Gesundheit rückt immer stärker in den Fokus der Personalarbeit. Wie hat sich Ihrer Meinung nach die Arbeitswelt in den letzten Jahren gewandelt und welche Bedeutung kommt der Mitarbeitergesundheit zu?

Prof: Gronwald:
Der Druck auf die Mitarbeiter immer mehr zu leisten und noch bessere Ergebnisse – sprich Wachstum – zu generieren nimmt ständig zu. Jedoch erleben wir, wie es eigentlich für alle biologischen Systeme typisch ist, eine deutliche Gegenbewegung des Systems Mensch. Die Arbeit steht gerade bei der jüngeren Generation nicht mehr an erster Stelle und auch viele Menschen der Babyboomer Generation stellen sich – übrigens ganz normal für diese Altersgruppe - Sinnfragen und Fragen nach dem Warum. Dies führt unweigerlich dazu, dass eine Bewertung über das eigene Empfinden und damit die Gesundheit in den Vordergrund tritt. Es geht jetzt nicht um gesundheitliche Maßnahmen oder Therapien, die in verstärkter Zahl angeboten und durchgeführt werden sollen, sondern vielmehr, dass Raum und Zeit für die drängenden Fragen des Menschseins wieder in das Blickfeld rücken.

Carolin Blank:
Den Mitarbeitern Raum und Zeit für die drängenden Fragen des Menschseins zu geben, sind derzeit aber nicht die Trends in den Unternehmen oder?
So werden immer wieder Begriffe genannt, wie die Zukunftsfähigkeit der Unternehmen zu erhöhen, die Arbeitgeberattraktivität zu steigern und dem drohenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken.
Dies soll unter anderem durch die Etablierung eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements oder der Stärkung der Betrieblichen Gesundheitsförderung erreicht werden.
Sehen auch Sie diese Vorteile? Warum sind diese Bereiche ein wertvoller Gewinn für Unternehmen und Betriebe?

Prof. Gronwald:
Man muss aufpassen, dass man nicht in die für die Wirtschaft, aber auch für die Medizin typischen linearen Denkmuster verfällt – „Wenn ich A mache, passiert B“. Das heißt, man bietet einfach Maßnahmen, z.B. BGM an, führt diese durch und am Ende steht ein Ergebnis, am besten Gesundheit. Die Gesundheit der Mitarbeiter oder überhaupt die Gesundheit von uns Menschen ist ein wesentlich komplexeres Geschehen. Ein wertvoller Gewinn für die Unternehmen wird sich nur einstellen, wenn es dem Betrieb ehrlich gelingt, sich auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter einzulassen und Interesse für die wahren Beweggründe der Mitarbeiter zu entwickeln. Dahinter verborgen finden Sie im Übrigen die so gewünschten Attribute wie Motivation, Zufriedenheit, Verbundenheit, aber auch Leistung.

Carolin Blank:
Mit dem Begriff der Betrieblichen Gesundheitsförderung geht häufig auch der Begriff der psychischen Gesundheit einher. Doch dies ist ein weit gefasster Begriff. Was ist darunter in Bezug auf das Arbeitsleben zu verstehen und wie beeinflussen sich diese gegenseitig? Können Sie dies an einem konkreten Beispiel erläutern?

Prof. Gronwald:
Leider wurde die Bezeichnung für eine der wichtigsten Entwicklung in der Arbeitswelt sehr schlecht und unüberlegt gewählt: „Psychische Belastung oder Psychische Gesundheit“. Die Assoziation mit psychischen Krankheiten und der oftmals damit verbundenen Stigmatisierung und Tabuisierung ist in unserer Gesellschaft noch sehr stark verankert. Um was geht es denn aber eigentlich? Im Grunde will man herausfinden – und das letztendlich auch in der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen – wie und was der Mensch wahrnimmt, wie er bewertet und welche Handlungen er daraus ableitet.
An einem konkreten Beispiel wird das sicher deutlicher: Passt die Arbeit zum Können, zu den Fähigkeiten und den Rahmenbedingungen des Mitarbeiters und wird die Arbeit wertgeschätzt, so bekommt er Rückmeldung und Unterstützung, hat er Ziele und kann er seine Ziele erreichen.

Carolin Blank:
Welche Bedeutung kommt in diesem Zuge der Work-Life-Balance zu?

Prof. Gronwald:
Wir werden uns zukünftig mit immer neueren Formen der Arbeitsgestaltung auseinandersetzen müssen – Stichwort: New Work. In vielen Branchen und Tätigkeiten wird es möglich sein, von überall aus zu arbeiten und auch zu jeder Zeit. Es ist unschwer zu erkennen, dass hier die Gefahr droht in ein neues, noch größeres Problem hineinzulaufen. Das Ganze wird wieder nur über die Frage führen, die sich jeder Einzelne stellen muss: Was ist für mich und mein Leben/ Arbeit wirklich, wirklich wichtig? Also auch hier wieder die Forderung, gerade an die Betriebe, Raum und Zeit für diese Fragen und diese Auseinandersetzung zu schaffen. Daraus ergeben sich dann die individuellen Antworten für die Arbeitsgestaltung von Mitarbeitern.

Carolin Blank:
Als selbstständiger Prozessberater und Mediator sind sie häufig in den verschiedensten Unternehmen tätig. Wo sehen Sie Probleme oder Handlungsbedarfe bei der Umsetzung der Gesundheit im Alltagsgeschäft?

Prof. Gronwald:
Man muss die wirkliche Bereitschaft von Unternehmen und Verantwortlichen, die Dinge grundlegend verändern zu wollen, derzeit noch sehr stark in Frage stellen. Damit sind vor allem gemeint, das Vertrauen in die Selbstständigkeit, die Autonomie und die Entscheidungsfähigkeit der Mitarbeiter, eine freie Zeiteinteilung, neue Entlohnungs- und Bewertungssysteme, also insgesamt mehr Partizipation und gemeinschaftliche Ziele. „Wasch mich, aber mach mich nicht nass“ – trifft es in meinen Augen am besten.
Handlungsbedarf besteht zu allererst in der Bereitschaft, Einstellung und Haltung zu verändern. Dafür sollte sich auch eine Geschäftsführung oder Leitung viel Raum und Zeit geben.

Carolin Blank:
In der Veranstaltung „Erfolgsfaktor – Psychische Gesundheit in Ihrem Unternehmen oder Betrieb“ werden Sie gemeinsam mit den Anwesenden Bedarfe und mögliche Lösungsansätze diskutieren. An welchem Punkt steht ein Großteil der Unternehmen und Betriebe derzeit im Bereich der psychischen Gesundheit und was können diese aktiv tun?

Prof. Gronwald:
Hier haben wir als Hochschule und ich als Wissenschaftler eine sehr klare Vorstellung, wie sich Systeme nachhaltig verändern lassen. Der wesentliche Punkt ist das Wissen und die Kompetenz, wie komplex das System Gesundheit ist und welche Faktoren hier zum Tragen kommen. Vor allem aber, zu lernen, dass man selbst die besten Veränderungen bewirken kann. Vorausgesetzt man steht wirklich und authentisch hinter diesem Wissen. Beherrscht man das System, dann ist es ein Leichtes, sich gezielt Unterstützung von allen Sozialversicherungsträgern und gesetzlichen Leistungsanbietern zu holen. Die Systeme gleichen sich und das ist das Wunderbare an unserem Sozialsystem.
Ich ziele damit natürlich darauf ab zu lernen, die vielen Beratungsangebote kritisch danach zu hinterfragen, was mein Betrieb wirklich braucht. Derzeit erleben wir nach dem Motto „viel hilft viel“, dass ein großer Aktionismus betrieben wird.

Carolin Blank:
Welche Erwartungen und Hoffnungen haben Sie an die geplante Veranstaltung? Welchen Mehrwert kann diese den Geschäftsführern und Personalverantwortlichen im Landkreis bringen?

Prof. Gronwald:
Ich würde mich sehr freuen, wenn es mir gelingt, die große Chance zu verdeutlichen, die in einem Wandel der Einstellung und der Haltung liegen kann und dass die Teilnehmer im Anschluss mit der Motivation nach Hause gehen, sich intensiv mit diesen Erkenntnissen und einer eventuell eigenen Veränderung auseinanderzusetzen.
Dann sind wir gespannt, ob die Besucher die Chance zu einem Einstellungswandel nutzen.
Vielen Dank für das interessante und ausführliche Gespräch.

Bürgerreporter:in:

Thomas Rank aus Günzburg

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