Auftakt des Bayerischen Antisalafismusnetzwerkes - Innenminister Joachim Herrmann: Mehr Prävention durch mehr Personal bei Polizei und Verfassungsschutz - Mehr Beratung und mehr Öffentlichkeitsarbeit
Nach Angaben von Bayerns Innenminister Herrmann geben drei Entwicklungen Anlass zur sicherheitspolitischen Sorge: Der ungehemmte Nachschub an todes- und tötungswilligen Jihadisten reißt nicht ab. Die intensiven Missionierungsaktionen von Jihadisten mittels jugend- und alltagstauglicher Internetpropaganda ziehen zunehmend auch Minderjährige an. Geradezu erschreckend sind laut Herrmann die Turboradikalisierungen über Online-Medien. Sein Fazit lautet: „Nur mit konsequenter Präventionsarbeit und gezielten Deradikalisierungsmaßnahmen kann dem Treiben der Gotteskrieger in Deutschland Einhalt geboten werden.“
Dazu machte eine zweitägige Expertentagung im Münchner Lenbach Palais heute den Auftakt. Der Focus der engen Zusammenarbeit von Innen-, Sozial, Justiz- und Kultusministerium im Bayerischen Präventions- und Deradikalisierungsnetzwerk liegt auf speziellen Fachstellen mit Koordinierungs- und Schulungsaufgaben, auf gezielter Beratung, Begleitung und Ausstiegshilfen für Radikalisierte auch durch zivilgesellschaftliche Akteure sowie der Verhinderung von islamistischen Anwerbeversuchen unter Asylbewerbern durch verstärkte Öffentlichkeitsarbeit: „Allein Polizei und Verfassungsschutz erhalten 30 Stellen für spezielle Präventions- und Deradikalisierungsarbeit“, so Herrmann.
Das Innenministerium setzt im Bereich Deradikalisierung insbesondere auf eine neue zentrale Beratungsstelle. Sie soll von einem zivilgesellschaftlichen Träger betrieben werden. Dazu läuft derzeit bis Anfang 2016 das Vergabeverfahren. Hierfür stehen rund 400.000 Euro zur Verfügung. Beraten werden radikalisierungsgefährdete und bereits radikalisierte Personen sowie deren Angehörige. Zudem werden Ausstiegshilfen angeboten. Als Ansprechpartner für die zentrale Beratungsstelle dient das seit 1. September 2015 beim Bayerischen Landeskriminalamt eingerichtete „Kompetenzzentrum für Deradikalisierung“. Es koordiniert bei Sicherheitsgefahren zwischen den Sicherheitsbehörden und der Beratungsstelle.
Im präventiven Bereich setzt die Polizei insbesondere auf vertrauensbildende Maßnahmen mit muslimischen Einrichtungen. Hierzu finden bayernweit regelmäßige Kooperationsgespräche durch feste Ansprechpartner statt. Die Polizei verstärkt generell die interkulturellen Kompetenzen ihrer Beamten in Aus- und Fortbildung. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz steht im Rahmen von spezifischen Schulungen als Inputgeber mit Fachwissen und Expertenrat zur Seite. Die vom Innenministerium herausgegebene Broschüre 'Salafismus - Prävention durch Information' informiert besonders über Radikalisierungsprozesse junger Salafisten. Sie gibt Hinweise auf Beratungsangebote und Betroffenen sowie deren Angehörigen Tipps zum richtigen Verhalten. Sie wird demnächst aktualisiert. Ergänzt wird das Angebot Anfang 2016 durch einen speziellen Flyer: Er dient der Sensibilisierung und Aufklärung der Betreuer in Asylbewerberunterkünften und legt sein Augenmerk speziell auf islamistische Anwerbeversuche unter Asylbewerbern.
Mit der Fachstelle zur Prävention religiös begründeter Radikalisierung des Vereins Ufuq e.V. setzt das Sozialministerium insbesondere auf eine neue Anlaufstelle in Bayern, die pädagogische Hilfestellungen bietet. Neben Jugendeinrichtungen, Verbänden oder Schulen, können auch religiöse Einrichtungen, Behörden wie Justiz oder Jobcenter das Beratungs- und Fortbildungsangebot der Fachstelle nutzen. Hierfür sollen im Nachtragshaushalt zusätzliche Landesmittel in Höhe von rund 900.000 Euro sowie fünf Personalstellen aus dem in der letzten Woche vom Bayerischen Kabinett beschlossenen Maßnahmenpaket bereitgestellt werden.
Das Justizministerium wird insbesondere die bereits bestehenden, umfas-senden Maßnahmen zur Bekämpfung des salafistischen bzw. islamisti-schen Extremismus im bayerischen Justizvollzug weiter optimieren. Dazu startete heute eine Zentrale Koordinierungsstelle, die von einer lslamwissenschaftlerin geleitet wird. Die Koordinierungsstelle wird insbesondere dabei helfen, einzelne Gefangene sicherheitsrechtlich zu bewerten und die Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden weiter zu verdichten. Darüber hinaus wird sie die Behandlungsangebote und Deradikalisierungsprojekte im Justizvollzug fachlich begleiten sowie den weiteren Ausbau der muslimischen Gefängnisseelsorge gestalten. Für den weiteren Ausbau der muslimischen Gefängnisseelsorge sollen im Nachtragshaushalt 2016 200.000 Euro zur Verfügung gestellt werden.
Das Kultusministerium setzt insbesondere auf die Präventionsarbeit der sog. Regionalbeauftragten für Demokratie und Toleranz, der Schulen und der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildung. Die Regionalbeauftragten bilden Lehrerkollegien fort und sind als Schulpsychologen auch Ansprechpartner, um junge Menschen vor dem Abgleiten in die radikalisierte Szene zu bewahren. Die Schulen nehmen ihre Funktion der Wertevermittlung und Erziehung zur Demokratie wahr. Dabei spielt neben Fächern wie Sozialkunde, Religion und Ethik auch der Islamische Unterricht in staatlicher Verantwortung für Kinder muslimischen Glaubens eine wichtige Rolle. Die Landeszentrale für politische Bildungsarbeit stellt Informationsmaterialien zum Islamischen Staat sowie pädagogisch-didaktische Materialien zum Umgang mit der salafistischen Herausforderung in der schulischen und außerschulischen Bildung bereit.
Bürgerreporter:in:Thomas Rank aus Günzburg |
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