Reineke Fuchs wird erwachsen

Reineke war nun schon fast erwachsen geworden. Er hatte sich zu einem prächtigen Fuchs mit dichtem, weichen Pelz entwickelt. Zu seinem ersten Geburtstag im April war es nicht mehr lange und er freute sich schon darauf, endlich volljährig zu sein und endgültig zu Hause aus dem elterlichen Fuchsbau ausziehen zu können.

Die letzten Monate hatte es immer wieder Spannungen und Streit bei Familie Fuchs gegeben. Egal, was Reineke auch tat - und er machte seine Sache wirklich gut - ständig hatte jemand etwas an ihm auszusetzten. Das war echt ungerecht, denn den ganzen Winter über schon hatte er die ganze Familie mit Futter versorgt. Er war eben ein sehr erfolgreicher listiger Jäger und hatte mehrere Hasen und sogar ein junges Reh erlegt. Das hatte er ganz alleine geschafft. Obwohl im Winter das Futter knapp war, hatte er die Beute nicht etwa irgendwo verscharrt und für sich behalten - nein, er hatte sie jedes Mal den ganzen weiten weg nach Hause geschleppt. Eine Heidenarbeit war das! Aber seine Familie brauchte ja auch etwas zum Fressen.

Doch statt ihm dankbar zu sein, lauteten die Kommentare: "Na endlich bringst Du wieder etwas nach Hause" oder "Oh, das Kitz war wohl schon tot, es riecht ja so komisch". Undank ist der Welten Lohn.

Ganz anders ging es da seiner Schwester. Die tat nichts anderes, als zu Hause rum-zu-faulenzen und gelegentlich den Fuchsbau auszufegen. Wenn er dann müde von der Jagd nach Hause kam, motzte Sie ihn an: "Kannst Du Dir nicht Deine Pfoten abputzen, Du trägst den ganzen Dreck herein" oder "Deine Lunte ist voll Kletten, Du kommst daher, wie ein reudiger Fuchs", "Bürste Dir erst mal den Pelz, Du machst so viele Fusseln" oder beim Essen "Nicht bröseln!" und danach: "Du kannst auch mal den Tisch abräumen"... In einem schnippischen, vorwurfsvollenTonfall sagte sie das, wie beim jüngsten Gericht, von Freundlichkeit keine Spur - nein, wie das nervte!

Ansonsten war Madame ganz Papas Liebling, außer Reineke störte es niemanden, dass sie ganz fuchtbar faul war und alle möglichen Ausreden erfand, nur damit sie dieses oder jenes nicht tun musste. Sogar vom Mäusefangen drückte sie sich, weil da ihre himmelblau lackierten Krallen schmutzig werden und sogar abbrechen könnten und ihr Fell zerzaust würde. Das wäre in der Tat furchtbar, wo doch ihre gestylten Haare dem jungen Taugenichts aus dem Nachbarbau so gut gefielen.

Aber statt der faulen Dame mal anständig ins Gewissen zu reden, bekam sie auch noch Unterstützung von Papa Fuchs, der barsch bemerkte: "Mäusefangen ist Männersache, Reineke, da kümmerst Du Dich drum!"

Reineke war darüber dermaßen genervt, dass er beschloss, die Situation zu beenden und zu Hause auszuziehen. Er brauchte schließlich keine Hilfe und konnte sich ganz gut selber versorgen. So beschloss er, sich heimlich einen eigenen Bau anzulegen.

Ach, jetzt sind meine Nichten schon eingeschlafen - bei ihrem nächsten Besuch werde ich sie mit der Fortsetzung in den Schlaf hinein langweilen

Bürgerreporter:in:

Angelika Böck aus Günzburg

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