Apropos Sauberkeit!
Das Problem ist: irgendwie sind mir allzu saubere Menschen suspekt. Betrete ich eine Wohnung zum ersten Mal, die wie ausgeschleckt wirkt, stellt sich ein gewisses Gefühl von Unbehagen ein – die Angst etwas Falsches zu tun ist einfach zu groß. Ist diese Couch überhaupt zum Hinsetzen gedacht oder dient sie der reinen Zierde? Sind die Chips auf dem Tisch zum Verzehr geeignet oder sind sie Teil eines geometrischen Gesamtkunstwerks, dessen komplizierte Harmonie ich durch das Wegnehmen eines Elements zerstören würde, gleichsam einer Fliege, die auf ein abstraktes Gemälde scheißt?
Andererseits weiß ich aus dem Physikunterricht auch noch, dass der Tod unseres Universums dann eintritt, wenn vollständige Entropie herrscht, sich sämtliche Ordnung immer mehr im ununterscheidbaren Chaos auflöst. Und wenn ich mich jetzt in meiner Wohnung umsehe, fühle ich mich schon fast wie ein Mörder: Wer als Zimmerpflanze bei mir inkarniert, darf sich auf einen schwierigen, entbehrungsreichen aber dafür unter Umständen kurzen Lebenszyklus gefasst machen. Gießen ist nicht mein Ding, nein. Mein Spülbecken hingegen ist Hort blühenden Lebens und wahrscheinlich das Paradies eines jeden Mikrobiologen. Aber aus alten WG-Zeiten hat sich halt das Wer-was-braucht-spült-sich-was-Prinzip in mir verfestigt – und halte man davon was man wolle: es funktioniert!
Ich glaube wir sind einfach so: Sauberkeit und Ordnung wird für einen Mann erst dann zum Thema, wenn Frauen in sein Leben treten. Die Frage der Klassenschönsten in der Sechsten: „Igitt, hast du deine Haare in der Friteuse gebadet?“ ist wie der berühmte Griff auf die heiße Herdplatte: es tut sauweh aber man merkt sich’s. Das Männchen lernt also Schritt für Schritt, dass ihm Ordnung hilft, in der Rangliste nach oben zu steigen. Aber wer oben mitspielen will, muss eben auch kontinuierliche Leistung zeigen und der wahre Könner strahlt Selbstverständlichkeit und Leichtigkeit aus, als wären ihm sämtliche Eigenschaften, die ihn als Spieler interessant und begehrlich machen, von Gott persönlich mit auf den Weg gegeben worden. Wobei wir wieder beim Grundproblem des Männerdaseins angelangt sind: Das Leben ist anstrengend!
Insofern kann das Leben in einer Partnerschaft doch ganz angenehm sein: helft uns ein wenig! Ihr könnt es besser, ihr habt die größere Begabung Dinge in Ordnung zu halten! Ja, ihr haltet das Universum am Leben während wir es kaputt machen! Und wenn wir auch genervt aufstöhnen, wenn ihr uns die Krawatte noch zurechtzupft, im Grunde sind wir froh, dass es jemand tut!
Bürgerreporter:in:Niklas Honig aus Augsburg |
3 Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.