Mein schönes Schloss über Stadt und Land

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Mein schönes Schloss über Stadt und Land

von Margaretha Main

Nach langem Bitten und Betteln meiner unzähligen Fans, habe ich mich entschlossen, Euch mal einen etwas längeren Blick in mein Privatleben zu erlauben. Sonst halte ich mich, zumindest was mein Innerstes angeht, doch eher zurück. Welche Frau von Stand begibt sich schon gern ungeschminkt und in dreckigen Lumpen unters gemeine Volk? Kennt Ihr eine? Ich auch.
Naja, jedenfalls habe ich mich also mal wieder nicht in Schale geworfen, um mich Euch so zu präsentieren, wie ich nun mal bin. Vom Aufdonnern habe ich noch nie viel gehalten.
Nachdem ich viele Millionen Gedanken armen Leuten geschenkt und viele gemeinnützige Vereine selbstlos unterstützt habe, was manchmal aufgrund der ungünstigen Wetterlage in Mitteleuropa gar nicht so einfach ist – wie oft ist mir vom Winde die Frisur zerzaust worden? –, habe ich mir so bei mir gedacht, es wäre doch mal an der Zeit, mir selbst etwas zu gönnen.
Nachdem ich mein schönes Motorrad betrachtet und mein noch schöneres Auto mehrfach umkreist hatte, fiel mir im ersten Moment nicht so richtig was ein. Was könnte ich mir denn mal so gönnen, ohne dass es wirklich wehtut, ohne große Klimmzüge zu machen oder auswandern zu müssen? Da ich zu keinem befriedigenden Ergebnis kam – eine eigene Insel war mir zu weit weg und hätte viel zu viel Dreck gemacht –, schob ich diese inneren Sehnsüchte einfach erst mal beiseite und kümmerte mich um tagesaktuelle Dinge.
Auf einer meiner vielen Lesereisen durch unser schönes Land begegnete ich einem Schloss. Eine begüterte Frau hatte mich erst zum Lesen, dann zum gemütlichen Plausch eingeladen. Bei Plauschen bleibt es nicht aus, dass frau ins Gespräch kommt. Wir unterhielten uns also über dies und das und noch viel mehr. Den Inhalt möchte ich hier auslassen, da er sämtliche Rahmen mehrfach sprengen und Euch auch nur langweilen würde.
Sie führte mich stolz durch ihr Schloss, zeigte mir Zimmer und Säle und zum Schluss die grandiose Aussicht über Stadt und Land. Ich war absolut und total begeistert. Auch die riesigen Gärten mit Blumen, Bäumen und einem großen See beeindruckten mich über alle Maßen sehr. Wir lustwandelten mehr als eine Stunde durch ihr Reich, ohne das Ende auch nur erahnen zu können. Keine Menschenseele begegnete uns. Kein Hund bellte. Kein Auto hupte. Kein noch so kleiner Tropfen Regen fiel vom Himmel. Nein, es war einfach idyllisch schön. Es goss zwar wie aus Eimern und wir mussten, wie die Hasen, um die Pfützen springen, um nassen Fußes von einem Torbogen zum nächsten zu gelangen, aber trotzdem war ich dermaßen schwer beeindruckt, dass mir das Regenwasser im Haar hängenblieb.
Kaum wieder daheim, fuhr ich meinen Computer hoch, wartete bis das olle Ding endlich oben war, wartete nochmal bis sich die Internetverbindung aufgebaut hatte, klickte dann auf meinen Homebanking-Button, wartete bis sich die Bank-Seite aufgebaut hatte, gab mein Passwort ein und erhielt den Hinweis, dass mir der Zugriff verweigert wurde. Na klar, was konnte ich auch manchmal unüberlegt handeln. Ich hatte die Kontonummer vergessen. Also das Ganze von vorn und schon nach dem siebten Anlauf war ich drin.
Mit großer Freude erkannte ich auf den ersten Blick, dass mein Verlag mir sage und schreibe über fünf Euro überwiesen hatte. Na, damit ließ sich doch schon mal was anfangen. Jetzt war ich endlich in der Lage, mir einen Traum zu erfüllen, mir also ein Schloss zu kaufen, um darin zu residieren und ordentlich auf die Kacke zu hauen. Meine Güte, was würden die Menschen neidisch auf mich sein, wenn ich stolz mit meinem Schloss vorfuhr. Ich konnte mich vor Vor- und Schadenfreude kaum zurückhalten.
Gleich öffnete ich meine Lieblingssuchmaschine, um sofort und auf der Stelle nach einem passenden Schloss zu suchen. Und, siehe da, es gab sogar mehrere Schlösser, die auf eine neue Besitzerin warteten. Ich schaute mir die vielen Fotos an und war begeistert. Ein Schloss war schöner als das andere.
Plötzlich stand Mila hinter mir.
„Was machst du da?“
„Ich suche nach einem Schloss.“
„Wozu?“
„Weil ich mir eins kaufen will. Ich kann mir doch schließlich auch mal was gönnen oder?“
„Du hast doch einen Vogel.“
Ohne sich weiter um mich und mein Anliegen zu kümmern, ging sie nach unten, um weiterhin Fernsehen zu sehen. Das kann doch eine Seefrau nicht erschüttern, dachte ich so bei mir, und kuckte mir weiter Schlossfotos an.
Ein kleines niedliches Schloss ging mir nicht aus dem Kopf. Ich rief die dabeistehende Nummer an und war auf der Stelle mit einer jungen Frau verbunden, die mir überschwänglich erklärte, sie wolle aus finanziellen Gründen das Schloss verkaufen, da ihr Großvater gestorben und die Katze ausgebüxt war. Obwohl ihre Preisvorstellung leicht über der Marke von fünf Euro lag, überlegte ich nicht lange und sagte ab.
Als ich nach unten kam, saß Mila noch immer vor dem Fernseher. Es lief eine Reportage über schöne Schlösser in Norddeutschland. Kaum saß ich neben ihr auf dem Sofa, kaum hatte ich mich an sie angekuschelt, kaum einen Schluck getrunken, da flimmerte „mein“ Schloss über die Mattscheibe. In dem Moment war mir klar, dass ich zu früh abgesagt hatte. Ich war verliebt. Das Schloss war verliebt. Und Verliebte soll frau ja nach alter Bauernregel nicht trennen.
Ich sprang also auf, riss Mila gleich mit hoch – ist ja ein Aufwasch, nä? – und stürmte aus dem Hause. Schon nach nicht mal zehn Sekunden saßen wir im Auto und noch schoner brauste ich vom Hof. Drei Stunden später erreichten wir das Schloss. Kaum auf dem Parkplatz davor eingeparkt, stand ich auch schon am Tor und klingelte mir die Seele aus dem Leib. Ungeduldig hüpfte ich vor dem Tor hin und her. Dann endlich wurde geöffnet und eine junge Frau stand mir gegenüber. Sie fragte nach meinem Begehr und ich erklärte ihr, dass ich MM bin und vor ein paar Stunden mit ihr telefoniert hätte.
Sie tat ganz verwundert und erzählte mir, dass sie sich an kein Telefonat erinnern könne. Und obendrein sei ihr neu, dass das Schloss zum Verkauf stehen würde. Jetzt stutzte ich aber ein oder zwei Mal kräftig. Die Dame erläuterte mir klipp und klar, dass ich mich offensichtlich geirrt hatte. Ich überlegte fieberhaft, welchen gravierenden Fehler ich gemacht haben könnte, kam aber momentan zu keinem Ergebnis.
Ein furchtbares Hämmern überlagerte ständig meine Gedanken. Ich drehte mich zu Mila um, um sie um Rat zu fragen, und fragte ins Leere. Mila war gar nicht hinter mir. Ich blickte mich verständnislos um. Danach blickte ich noch verständnisloser zu meinem Auto. Und jetzt wurde mir klar, dass das Hämmern aus meinem Auto kam. Mila saß innen und hämmerte gegen die Scheibe.
Schnurstracks, und ohne lange zu überlegen, rannte ich zu meinem Gefährt und öffnete es. Jetzt stieg Mila aus und kam auf mich zu. Ihr unglaublich kurzer Rock flatterte mit ihren Haaren um die Wette im tosenden Wind. Als wir uns auf halber Höhe erreichten, nahm ich sie in den Arm und drückte sie fest an mich.
Ich fragte sie natürlich sofort, warum sie mich nicht begleitet hätte.
„Du dumme Gans bist aus dem Auto gesprungen, hast deine Tür zugeschlagen und von außen verriegelt. Du warst so schnell, dass ich noch nicht mal den Gurt loshatte, als du schon auf und davon warst. Findest du das in Ordnung, so zu handeln?“
Nein, das fand ich ganz und gar nicht. Ich war untröstlich. Sie war untröstlich. Und es sollte eine gute Stunde dauern, bis wir uns wieder voneinander lösen konnten. Erst ein lautes Räuspern riss uns aus unserer Umklammerung und rief uns schlagartig ins Bewusstsein, dass da noch eine junge Damen am Tor wartete.
Nachdem Mila und ich uns ewige Treue geschworen hatten – außerdem hatten wir uns geschworen, uns niemals wieder loszulassen –, schritten wir nun gemeinsam und Hand in Hand auf das Schloss zu.
Vieles Diskutieren half nicht. Wir waren am falschen Schloss, bedankten uns bei der jungen Dame und fuhren in die nahe Kleinstadt hinunter. Dort setzten wir uns in ein Internet-Café und suchten erneut nach „meinem“ Schloss. Nach nicht mal fünf Minuten hatten wir es entdeckt. Es lag gar nicht so weit entfernt und so machten wir uns erneut auf die Reifen.
Kurz und gut, ich kaufte das Schloss, obwohl ich mit meinen fünf Euro ein klein wenig danebengelegen hatte. Mila legte noch zehn Euro drauf. Ich überzog mein Girokonto und schon konnte es losgehen.
Nun wisst Ihr, wie ich zu meinem Schloss gekommen bin. Damit Ihr auch wisst, wie es aussieht, habe ich der lieben Frau Keller erlaubt, mich durch mein Reich zu begleiten, um ein paar schöne Fotos zu schießen. Kommt einfach mit rein.
Die Räume sind riesig. Die Aussicht ist umwerfend. Nachts spukt allerdings eine „Weiße Frau“ durch die Gegend und hat uns im ersten Moment fürchterlich erschreckt. Inzwischen haben wir uns angefreundet. Ich habe ihr erlaubt, ein eigenes Zimmer zu beziehen – Räume habe ich ja genug –, da ich es unmöglich finde, wenn sie auf dem Dachboden hausen müsste. Die „Weiße Frau“ war gleich ganz begeistert und hat seitdem nie wieder gespukt. Nur manchmal gibt es morgens ein kleines Gerangel ums Badezimmer, weil ihr Zimmer auf demselben Flur liegt, wie unseres, und sie stets dann duschen will, wenn wir das auch wollen. Aber ich denke, da wird sich eine Lösung finden lassen.
So, zum Schluss will ich Euch noch schnell was verraten: Die Story ist natürlich ganz und gar erfunden. Ich wollte Euch nur mal ein wenig neidisch machen und hinters Licht führen. Die Fotos zeigen die Schlösser Herzberg am Harz und Stollberg im Harz, in denen ich auf meinen Reisen zu Gast sein durfte. Ach, nun seid doch nicht böse. Es war doch nur ein kleiner Gag.

Margaretha Main

Die Bücher der mit zwei Buchpreisen ausgezeichneten Autorin Margaretha Main erscheinen demnächst im Amazon Kindle Shop

Retha, das Lausemädchen
Retha wir flügge
Retha – vom Lausemädchen zur Lausefrau
Retha auf Umwegen
Retha – mein Autoleben
Rethas langer Weg zum Ruhm
Retha – Mein Leben kann so was von schön sein
Die Angst geht um in Narrenberge
Festtagsschmaus in Narrenberge

Bürgerreporter:in:

Elisabeth Keller aus Gnarrenburg

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