Ein Reisedampfer feiert Geburtstag – Die Honda Gold Wing wird 40 Jahre alt
Elisabeth Keller im Gespräch mit den Autorinnen Margaretha Main und Simone Petzold, sowie dem Autor und Herausgeber Hans Georg van Herste
EK Vielen Dank an Sie alle, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mit mir zu sprechen.
Herr van Herste. Sie sind der Motorradfahrer am Tisch mit der größten Erfahrung. Wie sind Sie zur Honda Gold Wing gekommen?
vH Zu meiner Kinderzeit gehörten Motorräder zum ganz normalen Straßenbild. Allerdings wurden sie eher als billige Fortbewegungsmittel benutzt. Die Spaßmotorräder kamen erst viel später.
Auch in meiner nahen Verwandtschaft gab es Personen, die viel mit motorisierten Zweirädern unterwegs waren. Dieser Virus ist schon früh auf mich übergesprungen und so konnte ich es nicht lassen, schon im Alter von dreizehn oder vierzehn Jahren mein erstes Moped durch die Feldmark zu scheuchen.
Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie wir Kinder damals staunend am Straßenrand standen und mit offenen Mündern der neuen Vierzylinder Honda CB 750 hinterherstarrten. Als ich endlich sechzehn Jahre alt geworden war, legte ich mir eine Zündapp KS 50 zu. Nun war der Freiheit keine Grenze mehr gesetzt. Kaum achtzehn machte ich nicht nur den Autoführerschein, sondern den Motorradführerschein gleich mit.
Als Mitte der 1970er Jahre die erste Honda Gold Wing GL 1000 mit Vierzylinder-Boxer-Motor vorgestellt wurde, war ich nicht sehr begeistert. Vor mir stand ein Eisenhaufen von Motorrad, den ich alles andere als hübsch fand. Obendrein hätte ich mir so ein Monstrum niemals leisten können.
In den ersten Jahren hangelte ich mich durch sämtliche Genres. Die Palette reichte vom Chopper über Enduro bis zur Sportmaschine. Irgendwann war ich es leid, mir den Rücken zu verbiegen und mein damaliger Händler Eduard Dittrich, genannt Seppel, in Herzberg am Harz riet mir dazu, einmal eine Gold Wing auszuprobieren. Ich war im ersten Moment nicht begeistert. Was sollte ich mit so einem Opamotorrad?
Nach der ersten Probefahrt mit der neuen Honda Gold Wing 1100 mit Vollverkleidung, Koffern und Topcase war ich total begeistert. So bin ich zur Gold Wing gekommen und habe mich von der GL 1100, damals noch mit vier Zylindern, über die sechszylindrige GL 1500 bis zur aktuellen GL 1800 hochgearbeitet und möchte nichts anderes mehr fahren.
EK Können sie mit dem Spot, den andere über Gold-Wing-Fahrer auskippen, gut umgehen?
vH Ich finde, jeder sollte nach seiner Facon selig werden und akzeptieren, dass es nicht nur blonde Menschen gibt, sondern auch rothaarige oder brünette. Im Laufe der Jahre habe ich festgestellt, dass Bezeichnungen wie z. B. „Wohnklo mit Kochnische“ oder „Drei-Zimmer-Küch-Bad“ häufig entstehen, wenn Neid oder einfach schiere Unkenntnis im Spiel sind. Ich habe stets das Motorrad gefahren, das mir gefiel. Leider kaufen viele Leute ihr Fahrzeug, um Familie oder Nachbarn zu beeindrucken. Mehr als einmal habe ich gehört, man würde auch lieber eine Gold Wing fahren, statt eines Renners, aber man hätte keine Lust dazu, sich auslachen zu lassen. Dem Himmel sei Dank gehen mir solche Gedanken ab.
EK Frau Main. Wie sind Sie zur Gold Wing gekommen?
MM Ich habe ebenfalls sehr früh den Motorradführerschein gemacht, da ich schon als Mädchen gern, zuerst mit der NSU Quickly und später mit meiner Zündapp, herumgefahren bin. Ich war damals die absolute Ausnahme. Für Mädchen geziemte sich das nicht. Aber das war mir egal.
Dann habe ich viele Jahre ausgesetzt und bin eigentlich erst durch Herrn van Herste wieder zum Motorradfahren gekommen. Ich bin mit einem großen Roller wieder in die Zweiradsparte eingestiegen. Allerdings war mir der schnell zu lahm und dann habe ich, auf Anraten von Hansi, mal eine Gold Wing zur Probe gefahren und war absolut begeistert. Ich habe die Probefahrt-Maschine, eine GL 1500 in quietschgrün, sofort gekauft und viele glückliche Kilometer damit abgespult. Da ich auf ein ABS nicht mehr verzichten wollte, bin ich dann auf eine GL 1800 umgestiegen.
Sitzheizung, Griffheizung, Warmluftheizung, Telefon, Navi und Luftfederung, sowie ein Kofferraumvolumen, das mancher Sportwagen nicht vorweisen kann, haben mir das Leben versüßt. Auch der viel belächelte Rückwärtsgang hat mich vor manch anstrengender Schieberei bewahrt. Was will frau mehr?
EK Aber jetzt fahren Sie keine Gold Wing mehr.
MM Leider macht sich auch bei mir das Alter hin und wieder bemerkbar und so habe ich mich über eine CTX 1300 auf meine jetzige CTX 700 mehr oder weniger heruntergehangelt.
EK Eine CTX war mir bisher nicht bekannt. Um welche Art von Maschine handelt es sich dabei?
MM Natürlich gibt es noch den Sportfahrer, der mit hoher Geschwindigkeit durch die Kurven pfeifen möchte, oder den Fahrer, dem nichts mehr Freude bereitet, als grobstollig durchs Gelände zu fliegen. Allerdings gibt es ebenfalls eine große Anzahl von Menschen, die es eher gemütlich und komfortabel haben möchten. Speziell für Frauen ist es hin und wieder schwierig, eine passende Maschine zu finden. Nicht jede will schließlich auf einem unbequemen Chopper durch die Gegend kurven.
Honda hat ein Herz für uns Bikerinnen entdeckt und quasi eine kleine Gold Wing aufgelegt. Die CTX 1300 ist, genau wie die CTX 700, sehr komfortabel und gut ausgestattet. Die CTX 1300 ist schon eine ganze Menge leichter, als die Gold Wing. Die CTX 700 ist noch leichter und wird obendrein mit Automatik ausgeliefert. Kein Balancieren am Berg mehr mit Kupplung und Schaltung. Einfach Gas geben und sich wohlfühlen. Keine Kupplungshand, die im Stau oder in der Stadt anfängt, zu erlahmen oder wehzutun. Die CTX 700 ist für mich einfach genial.
SP Das stimmt absolut.
EK Frau Petzold. Wie ist es Ihnen ergangen?
SP Als junges Mädchen bin ich mal auf einem Motorrad mitgefahren. Ich wäre allerdings nie im Leben darauf gekommen, dass ich selbst mal so eine Maschine fahre. Wie Frau Main schon sagte, das war damals für Mädchen und Frauen tabu. Ich bin erst recht spät zum Motorradfahren gekommen. Herr van Herste hat mich darauf gebracht. Ich habe mir vor vielen, vielen Jahren eine 125er Honda Rebell gekauft. Die durfte frau mit dem Autoführerschein fahren. Da ich noch nie so ein Ding selbst bewegt hatte, übte Herr van Herste mit mir auf einem großen Parkplatz. Nach ersten wackligen Versuchen wurde ich zunehmend sicherer, machte kurz darauf den Führerschein und stieg auf eine größere Maschine um.
Allerdings hängte ich dieses Hobby nach ein paar Jahren wieder an den Nagel. Auf der einen Seite fehlte mir das Geld und auf der anderen ein Motorrad, das mir das Kuppeln und Schalten ersparte. Ich konnte aufgrund von Handschmerzen keine längeren Strecken mehr fahren.
Erst als im letzten Jahr die CTX-Reihe auf den Markt kam, wurde ich wieder hellhörig. Ich machte eine Probefahrt und war total begeistert. Die Sitzhöhe war wie für mich gemacht. Ich komme mit beiden Füßen auf die Erde, habe also im Stand einen festen Stand, und obendrein ist die 700er mit Automatik ausgestattet. Und die 50 PS, die der Motor bei sehr niedrigen Drehzahlen freisetzt, reichen völlig aus, um locker mithalten zu können.
EK Fahren Sie auch im Rock, wie Frau Main?
SP Würde ich gern tun, aber dazu fehlt mir noch die Sicherheit. In der nächsten Saison werde ich das bestimmt machen.
EK Frau Main. Sie fahren fast immer im Rock. Ist Ihnen das nicht hin und wieder zu kalt?
MM Normalerweise nicht. Ich bin schon seit Kindertagen eine notorische Rockträgerin und quasi in der Minirockzeit hängengeblieben. Ich mag es noch heute nicht, in Hosen herumzulaufen. Wenn es kalt oder nass ist, trage ich auch eine Motorradhose, sonst nie. Die Motorradhose ist übrigens meine einzige Hose, die ich im Schrank habe.
EK Ist das Im-Rock-Fahren nicht etwas aus der Mode gekommen?
MM Natürlich werde ich von anderen Motorradfahrerinnen gern belächelt, aber das interessiert mich nicht. Ich finde es schade, dass so viele Frauen in Hosen herumlaufen. Mir wäre das viel zu unbequem. Wie schon gesagt, jeder soll nach seiner Facon selig werden.
EK Herr van Herste. Sie legen ihren Vereinsmitgliedern das Motorradfahren nahe. Was bezwecken Sie damit?
vH Ich habe festgestellt, dass besonders Frauen durch das Motorradfahren selbstbewusster werden. Es gehört schließlich Mut dazu, sich von der großen Masse abzusetzen und ein Hobby auszuüben, von dem die meisten Menschen keine Ahnung haben, das gern in eine zwielichtige Ecke gerückt wird. Für viele Menschen sind Motorradfahrer entweder gemeingefährliche Rocker oder ebensolche Raser. Wer nie selbst ein Motorrad bewegt hat, kann sich gar nicht vorstellen, wie viel Freiheit, wie viel Lebenslust so ein Ding bereithalten kann. Fragen Sie doch einfach mal unsere Vereinsleute. Niemand würde mehr auf sein Motorrad verzichten wollen, egal ob Mann oder Frau.
Anfangs herrscht natürlich die Angst vor. Aber mit jedem gefahrenen Kilometer wächst die Freundschaft und nach ein paar wackligen Wochen und übervorsichtigen Monaten stellt sich ein Glücksgefühl ein, auf das niemand mehr verzichten möchte.
EK Ihr Händler freut sich sicherlich darüber, dass Sie ihm so viele Kunden bescheren.
vH Natürlich freuen sich sowohl Wolfgang Wellbrock, als auch Wolfgang Harbusch in Lilienthal bei Bremen über einen festen Kundenstamm. Aber ich denke, aus der anfänglichen reinen Kundenbeziehung ist eine schon lange währende Freundschaft entstanden. Wir gehören, so könnte man es wohl sagen, schon zur Familie. Und irgendwann weicht der reine Profitgedanke der Hilfsbereitschaft. Wir kennen gegenseitig unsere Lebensgeschichten, haben viele Aufs und Abs gemeinsam durchlebt. Das schweißt zusammen und geht über eine reine Kundenbeziehung weit hinaus.
Es macht einfach Spaß, den Laden auch einfach mal so anzufahren. Und wenn wir schon auf dem Hof mit einem lauten „Hallo, Freunde!“ begrüßt werden und uns Rainer oder Anne vom Verkauf gleich mit einem heißen Kakao aufwärmen, ist das Glück perfekt.
EK Frau Main, Frau Petzold, Herr van Herste. Vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch. Ich wünsche Ihnen weiterhin immer eine Handbreit Asphalt unter den Reifen.
MM Liebe Frau Keller! Ich lade Sie hiermit zu einer Mitfahrt ein. Vielleicht kommen Sie dann auch auf den Bolzen, mal selbst fahren zu wollen.
EK Vielen Dank für die Einladung. Ich werde darüber nachdenken. Ich glaube, in der Beziehung bin ich eine Bangebüchse. Ich habe ja Ihre Bücher gelesen und da fehlt in keinem eine lustige Motorradgeschichte. Allerdings scheint es mir, als seien Sie gern recht flott unterwegs. Vielleicht sollte ich die erste Hinten-drauf-Mitfahr-Tour lieber mit Herrn van Herste unternehmen.
MM Bangebüchse! Bangebüchse!
EK Okay, überredet, aber bitte die ersten Meter nur im Schritttempo, wenn ich bitten darf.
MM Na, dann kramen Sie Ihren alten Lederrock mal wieder aus dem Schrank.
EK Ich muss kucken, ob ich den überhaupt noch wiederfinde.
Bürgerreporter:in:Elisabeth Keller aus Gnarrenburg |
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