Höhlenforschen
Unterwegs in den Höhlen des Ibergs bei Bad Grund im Harz
So mancher Harzbesucher hat vielleicht schon einmal den Hübichenstein, einen steil aufragenden Kalkfelsen auf den Höhen von Bad Grund, über steile Treppen erklommen und von dort oben neben einem großen Bronzeadler auf der zweiten Spitze des Doppelfelsens über die schöne Berglandschaft geschaut. Vermutlich hat er dabei nicht geahnt, dass sich tief unter ihm im Fels zwei Höhlen befinden, einst von Bergleuten auf der Suche nach Eisenerzen in den Fels getrieben, obwohl er vielleicht von der Sage des Zwergenkönigs Hübich gehört hat, der unter dem Felsen wohnen soll. Der Hauptraum der einen Höhle ist flach und labyrinthartig, so dass man ihn nur in der Hocke und auf dem Bauch kriechend erforschen kann. Das ist sehr mühsam, aber nichts desto trotz spannend. Die zweite Höhle, die zwei Eingänge hat, besteht hauptsächlich aus einem Gang, der sich weiter hinten in zwei übereinanderliegende Gänge verzweigt. In den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts war ich in diesen Höhlen mit Freunden unterwegs. Heute sind deren Eingänge, wie vielerorts auch, aus Naturschutzgründen verschlossen, so dass sie nicht mehr betreten werden können. Nur für Fledermäuse gibt es Ein- und Ausfluglöcher. Für den Hobby-Höhlenforscher ist es schade. Aber natürlich ist das sinnvoll und verständlich.
Aber wer auf dem Hübichenstein war, der hat sicher von einer anderen Höhle gehört, sie vielleicht sogar besucht und darin eine Führung mitgemacht. Dass ist natürlich die bekannte Iberger Tropfsteinhöhle mit dem „HöhlenErlebnisZentrum“, in dem man viel Wissenswertes über die Unterwelt erfahren kann. Und natürlich ist das interessant, und für manch einen ist die Befahrung, wie der Aufenthalt nicht nur in Bergwerken sondern auch in Höhlen genannt wird, eine spannende Angelegenheit. Unheimliche Finsternis, tropfendes Wasser und Sinter und Tropfsteine üben einen ganz besonderen Reiz aus. Doch so richtig spannend ist das für einen Hobby-Höhlenforscher nicht. Das sind natürlich die Höhlen, die keine Schauhöhlen sind, die irgendwo versteckt in der Landschaft und manchmal nur schwer zugänglich sind. Wer an Höhlen interessiert und etwas abenteuerlich veranlagt ist, denjenigen ziehen diese Art von dunklen unterirdischen Gängen und Räumen magisch an.
Wer nun auf dem Hübichenstein steht und in östliche Richtung schaut, der blickt auf den Iberg. Auf den ersten Blick ist es kein besonderer Berg, einer wie unzählige andere auch. Doch das täuscht, denn an vielen Stellen ist dieser auf einer Fläche von etwa einem mal eineinhalb Kilometer und einer Tiefe von mindestens 400 Metern durchlöchert wie ein Schweizer Käse. Das liegt daran, dass dieses Gebiet vor 300 Millionen Jahren im Erdzeitalter des Oberdevon im klaren Wasser eines tropischen Meeres ein Korallenriff war. Die Hinterlassenschaft ist nun der Kalkstock des Iberges, der aus Korallen, Algen, Muscheln, Schnecken und anderem Meeresgetier entstanden ist, und deren Versteinerungen kann man dort auch finden. Als danach die großen Harzhebungen begannen, sich das Gebirge auffaltete, konnte der spröde Kalk die Verformungen nicht mitmachen. Es bildeten sich darin Risse und Klüfte, und eindringendes Wasser sorgte für Höhlenbildungen. So sollen es um die 70 Höhlen mit einer Gesamtlänge von etwa acht Kilometern sein, die sich irgendwo im Berg verstecken (Stand siebziger Jahre). Bis um die 100 Meter führen die bisher entdeckten in die Tiefe. Und je tiefer die Hohlräume liegen, desto größer werden sie. Wo die bisher bekannten sich allerdings befinden, das wird nicht verraten. Aber als Wanderer kann man immerhin nahe des Weges mal in den einen oder anderen Höhlenschacht hinuntersehen und sich dabei vielleicht etwas gruseln.
Wer das also machen möchte, der startet am besten am Hübichenstein, an dessen Fuß sich ein Parkplatz befindet. Als Ziel kann er sich zum Beispiel den Albertturm aussuchen, der knapp unter der Höhe des 562 Meter hohen Iberges steht. Dort oben gibt es auch eine Waldgaststätte.
Nach Überquerung der Bundesstraße 242, die auch weiter nach Clausthal-Zellerfeld führt, erreicht man einen Wanderweg, der auf den Iberg hinauf führt. Es geht dabei durch lichten Buchenwald, der sich im Frühsommer von seiner schönsten Seite zeigt. Dann blüht in manchen Bereichen flächendeckend der Bärlauch, der einen starken Knoblauchgeruch verströmt.
Nach links liegt im Winterberg ein riesiger Steinbruch, in dem der Kalk abgebaut und in Brennöfen gebrannt wird. An einer Stelle führt eine Trittleiter über den umgebenden Zaun. Wenn man vorsichtig an die Abbruchkante herantritt, ist der Blick frei auf die gigantische Anlage. Staunen ist angesagt. Und man erkennt, dass vom Winterberg kaum noch etwas übriggeblieben ist. Einen weiteren offiziellen Aussichtspunkt gibt es oben auf der Höhe ein Stück hinter dem Albertturm. 40 Höhlen sollen im Winterberg inzwischen dem Abbau zum Opfer gefallen sein. Einige unterirdische Hallen sind dort so groß, dass ganze Kirchen hineinpassen würden. Die bekannten unterirdischen Gänge sollen dort vor der Anlegung des Steinbruchs mindestens 10 Kilometer lang gewesen sein. Nach geologischen Erkenntnissen ist im Winter- und Iberg bisher allerdings nur ein kleiner Teil der wirklich vorhandenen Höhlen entdeckt worden.
Nach einer Weile macht der ansteigende Weg eine Biegung nach rechts. Man erreicht die Höhe des Berges, und damit auch das Höhlengebiet. Zunächst fallen Senken und Trichter im Waldboden auf. Sind es Pingen wie am Hübichenstein, in denen Bergleute in früheren Zeiten Erze abgebaut haben? Oder deuten sie auf vielleicht verschüttete, darunter liegende Höhlenräume hin? Wenig später kann man die allerdings finden. Nicht weit rechts des Weges tun sich im Waldboden scheinbar unergründlich tiefe Schlünde auf. Ein langer Riss beginnt dort, der sich ein langes Stück durch den Berg zieht. Und darunter befindet sich, zum Teil in der Mitte eingestürzt, ein langer Höhlengang, teilweise in zwei Etagen übereinander.
Für den Wanderer reicht ein Blick hinunter, für uns natürlich nicht. Auch wenn ich diverse Höhlen aus den achtziger und neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts im Iberg kenne und der Forscherdrang längst abgeklungen ist, so macht es doch wieder Spaß, diese dunklen Verliese nun noch einmal mit Digitalkamera zu durchsteigen, um sie im Bild festzuhalten, ist das Fotografieren bei den ungünstigen Lichtverhältnissen doch damit viel einfacher geworden.
Natürlich darf dabei auch geklettert werden, und das ist an manchen Stellen gar nicht so einfach. Aber gerade das macht viel Spaß und die ganze Aktion abenteuerlicher. Und wenn man dort unten unterwegs ist, ergeben sich auch immer wieder schöne Durchblicke zum Wald hinauf. Wo man zuvor von oben hinuntergeguckt hat, guckt man nun von unten hinauf. An den senkrechten Felswänden wachsen Moose, weiter oben auch Farne. Es ist ein ganz spezielles, feuchtes Klima für die Pflanzenwelt. Im Elbsandsteingebirge in den Gründen wird es Kellerklima genannt. Und durch die Öffnungen in der Decke ergeben sich auch immer wieder wunderbare Lichteinfälle, die diese Höhlenpassagen irgendwie mystisch erscheinen lassen. Sinter hingegen kommt eher wenig vor. Aber man sieht im Deckenbereich andere eindrucksvolle Strukturen. So zum Beispiel Calcit, das das Aussehen von Vanillesoße hat, die am Fels herunterläuft.
Besonders viel Spaß macht es auch, sich in finstere Schlünde abzuseilen. Die meisten Schächte sind allerdings längst nicht so tief, wie sie für den Betrachter vom Waldboden aus scheinen. Bei 10 bis 20 Metern erreicht man den Grund. Es gibt allerdings auch tiefere. Ein Höhlenforscher, mit dem ich einmal unterwegs war, berichtete mir, dass er 100 Meter tief abgeseilt habe. Dabei ging es durch eine Engstelle, die auf dem Rückweg nicht leicht zu überwinden war. Es kann jedenfalls sehr abenteuerlich sein, diese finsteren Gänge zu erkunden.
Doch für den normalen Wanderer ist das natürlich nicht möglich. Möglich ist hingegen der Besuch der nahen Iberger Tropfsteinhöhle. Wer größere und noch interessantere Schauhöhlen aufsuchen möchte, dem empfehle ich die Rübeländer Tropfsteinhöhlen. Die Baumanns- und Hermannshöhle sind nun wirklich groß und weisen einen zum Teil fantastischen Tropfsteinschmuck auf. Auch Grottenolme gibt’s dort zu sehen. Und auch die Gipshöhlen am Südharzrand sind einen Besuch wert, auch wenn sie keinen Sinter aufweisen. So zum Beispiel die Heimkehle bei Nordhausen oder die Barbarossahöhle im Kyffhäuser. Egal welche Höhle auch immer. Es macht einfach Freude, mal feuchte Höhlenluft zu schnuppern und einen Gang durch die Unterwelt zu machen. Man bekommt Eindrücke fernab unserer technisierten und kultivierten Welt. Unsere Vorfahren haben darin einst gelebt. Und auch wenn so manchem Besucher diese Finsternis unheimlich erscheint, so haben sich unsere Urahnen darin bestimmt sicher und wohl gefühlt.
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Bürgerreporter:in:Kurt Wolter aus Hannover-Bemerode-Kirchrode-Wülferode |
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