In Fürstenfeldbruck begann der Weg zum Lebensretter für Leukämiekranke

Im Oktober 2007 ist Daniel Post bei der Bundeswehr. Bei einem Blutspendetermin an der Offiziersschule der Luftwaffe in Fürstenfeldbruck wird er gefragt: „Können wir ein Röhrchen mehr Blutabnehmen?“
3Bilder
  • Im Oktober 2007 ist Daniel Post bei der Bundeswehr. Bei einem Blutspendetermin an der Offiziersschule der Luftwaffe in Fürstenfeldbruck wird er gefragt: „Können wir ein Röhrchen mehr Blutabnehmen?“
  • hochgeladen von Annika Zimmer

„Das ist doch keine große Sache – eine Selbstverständlichkeit“, sagt Daniel Post, der gerade mit einer Stammzellspende einem ihm unbekannten Menschen, der an Leukämie erkrankt ist, eine Chance gibt, den Blutkrebs zu besiegen. Dabei „hasst“ der Mann Spritzen. Er ist der Typ, der um Ärzte lieber einen großen Bogen macht. Doch als er jetzt darum ging, einem Menschen zu helfen, hat er „Ja“ gesagt.

Das Ganze hat eine Vorgeschichte: Im Oktober 2007 ist Daniel Post bei der Bundeswehr. Bei einem Blutspendetermin an der Offiziersschule der Luftwaffe in Fürstenfeldbruck wird er gefragt: „Können wir ein Röhrchen mehr Blutabnehmen?“ Damit ist er bei der Stefan-Morsch-Stiftung, Deutschlands ältester Stammzellspenderdatei als potenzieller Spender registriert. Nahezu täglich sind Teams der gemeinnützigen Stiftung in ganz Deutschland unterwegs, um über das Thema Hilfe für Leukämie- und Tumorkranke aufzuklären – auch in den verschiedensten Bundeswehrstandorten. Es geht darum, Menschen zu sensibilisieren, sich als Stammzellspender registrieren zu lassen.
Jedes Jahr erkranken allein in Deutschland etwa 11 000 Menschen an bösartigen Blutkrankheiten wie etwa der Leukämie. Jeder zweite Patient ist ein Kind oder Jugendlicher. Je nach Leukämieart variieren die Heilungsaussichten. Oft reicht die Behandlung mit einer Chemotherapie oder Bestrahlung nicht aus. Dann ist die Übertragung gesunder Blutstammzellen die einzige Hoffnung auf Leben. Eine solche Transplantation ist aber nur möglich, wenn sich ein passender Stammzell- bzw. Knochenmarkspender zur Verfügung stellt, der die gleichen genetischen Merkmale hat, wie der Patient.
Aus einer Blutprobe(knapp ein Fingerhut voll Blut) sind bei der Typisierung von Daniel Post die Gewebemerkmale bestimmt und bei der Spenderdatei gespeichert worden. Seitdem stehen sie anonym im deutschen Zentralregister (ZKRD) in Ulm, wo sie mit denen der Patienten weltweit verglichen werden können. Mit jedem neu gewonnenen Spender erhöht sich somit die Chance, dass einem leukämiekranken Patienten das Leben gerettet werden kann.
Daniel Post ist heute 32 Jahre alt und der Vater einer viereinhalbjährigen Tochter. Als Flugzeugmechaniker wartet den ehemaligen Luftwaffensoldaten bei Airbus Helicopters, einem Tochterunternehmen der Airbus Group, in Donauwörth, die CH 53-Hubschrauber der Bundeswehr. Am 11. Februar, 16.30 Uhr, bekommt er einen Anruf der Stefan-Morsch-Stiftung. Er ist der passende Spender für einen an Leukämie erkrankten Menschen, lautet die Nachricht. Als er in dem Gespräch gefragt wird, ob er bereit ist zu helfen, sagt er „Ja!“ und sitzt um 18.30 Uhr im Zug. Er muss zur Voruntersuchung. „Das war ganz schön eilig“, lacht er. Die Stefan-Morsch-Stiftung erklärt: „Eine Transplantation ist oft nur möglich, wenn die Ärzte eine Remission der Krankheit erreicht haben. Dann kann es sein, dass man ganz kurzfristig einen Spender braucht.“
Bei der Voruntersuchung wird zur Sicherheit des Spenders abgeklärt, ob er ganz gesund ist. Und er wird komplett über die Chancen und Risiken, aber auch über den Ablauf der Spende aufgeklärt. Danach musste die Spende verschoben werden. Nach Angaben der Stefan-Morsch-Stiftung, tritt dieser Fall dann oft ein, wenn sich der Gesundheitszustand des Patienten verändert hat und im Moment keine Transplantation möglich ist. Aber ein paar Monate später war es dann soweit.
Mit der Übertragung von Stammzellen bekommt der Patient ein neues blutbildendes System. Die Stammzellen befinden sich im Knochenmark. Um sie zu übertragen, gibt es zwei Möglichkeiten: Die Entnahme peripherer Blutstammzellen aus dem Blut – ähnlich wie bei einer Plasmaspende oder Dialyse. Dazu wird dem Spender einige Tage lang ein körpereigener Botenstoff verabreicht, der die Stammzellen aus dem Knochenmark in das Blut übergehen lässt. In einer Entnahmestation werden dann die Stammzellen aus dem Blut herausgefiltert bzw. zentrifugiert. Apherese heißt dieses Verfahren, das heute am häufigsten angewandt wird.
Bei der klassischen Methode - der Knochenmarkspende – punktieren die Ärzte den Beckenknochen des Spenders. – niemals das Rückenmark. Dieser Eingriff dauert zirka eine Stunde. Daniel Post hat sich für die Apherese entschieden. Das bedeutete aber auch, dass er sich ein paar Tage vorher spritzen musste. Ganz offen erzählt er: „Das hat mich wirklich Überwindung gekostet.“ Erst als seine kleine Tochter sagte „Papa, stell Dich nicht so an, sonst mach ich das“ hat er sich einen Ruck gegeben. Nach der Stammzellentnahme ist er wieder ganz der Alte: „Ich stehe auf dem Standpunkt: Mir fehlt nix, weder die Typisierung noch die Entnahme tut mir was. Ich fände es unverantwortlich „nein“ zu sagen, wenn jemand Hilfe braucht.“ Und das sagt der Mann, der wirklich keine Spritzen und Ärzte mag.

Was ist Leukämie?

„Leukämie“ ist der Oberbegriff für eine ganze Gruppe von Erkrankungen des blutbildenden Systems. Das Blut setzt sich aus Zellen (Blutkörperchen) und einer Flüssigkeit, dem Blutplasma, zusammen. Bei den Blutkörperchen werden dabei drei Arten unterschieden: die roten Blutkörperchen (Erythrozyten), die weißen Blutkörperchen (Leukozyten) und die Blutplättchen (Thrombozyten). Alle Blutzellen haben abhängig von ihrer Funktion eine begrenzte Lebensdauer. Im Knochenmark entstehen daher aus so genannten Blutstammzellen durch Zellteilung oder Reifungsschritte ständig neue Blutzellen, die dann in den Blutkreislauf übertreten. Bei einer Leukämie kommt es zu einer starken Vermehrung von weißen Blutkörperchen, insbesondere der noch funktionsuntüchtigen, jugendlichen Vorstufen. Diese Leukämiezellen verdrängen die normale Blutbildung im Knochenmark. Das stört den normalen Ablauf der Blutbildung und führt zu einem Mangel aller Arten gesunder Blutzellen. Dabei führt die Verminderung roter Blutkörperchen zu Blässe und Leistungsschwäche und die Verminderung der Blutplättchen zu vielen blauen Flecken oder schwer stillbaren Blutungen (Nasenbluten). Das Fehlen gesunder weißer Blutkörperchen führt zu einer erhöhten Anfälligkeit für Infektionen.
Abhängig von der Art der weißen Blutkörperchen aus denen die Leukämiezellen hervorgehen, unterscheiden die Mediziner zwischen myeloischen und lymphatischen Leukämien. Beide Leukämiearten können jeweils eine akute oder chronische Verlaufsform annehmen. Akute Leukämien entwickeln sich sehr rasch und ohne Behandlung tritt hier innerhalb weniger Wochen ein lebensbedrohlicher Zustand ein. Im Gegensatz dazu sind chronische Leukämien schleichende Erkrankungen, bei denen der Patient über Monate und Jahre symptomarm bleiben kann.

Die Stefan-Morsch-Stiftung und die Bundeswehr

Die Stefan-Morsch-Stiftung mit Sitz in Birkenfeld (Rheinland-Pfalz) ist die älteste Stammzellspenderdatei Deutschlands. Unter dem Leitmotiv “Hoffen – Helfen – Heilen“ bietet die Stiftung seit fast 30 Jahren Hilfe für Leukämie- und Tumorkranke. Hauptziel der Stiftung ist es, Menschen zu werben, sich als Stammzellspender zu registrieren. Beinahe täglich sind Teams der Stefan-Morsch-Stiftung in ganz Deutschland unterwegs, um junge Soldaten als Stammzellspender zu gewinnen. Im ersten Halbjahr 2014 konnten so mehr als 5000 Angehörige der Bundeswehr in die Spenderdatei der Stiftung aufgenommen werden. Menschen, die sich bereit erklärt haben, im Ernstfall für einen an Leukämie erkrankten Menschen Stammzellen zu spenden und dadurch dem Patienten die Chance auf Heilung zu geben. Die Blutentnahme findet in den meisten Fällen in Zusammenarbeit mit dem Blutspendedienst der Bundeswehr oder bei der Blutgruppenbestimmung statt.
Emil Morsch, Vorstandsvorsitzender der Stiftung, lobt das große Engagement der Bundeswehr: „Hier treffen wir auf Menschen, die bereit sind, für andere Verantwortung zu übernehmen.“ Fast 11 000 Menschen erkranken jedes Jahr an Leukämie – mal ist es ein Vereinskollege, mal das Kind eines Kameraden. Oft ist dann eine Stammzelltransplantation ihre einzige Chance, den Blutkrebs zu besiegen. „Leider wissen viele Menschen nicht, dass jeder gesunde Mensch ab 18 Jahren mit einer Stammzelltransplantation Leben retten kann“, so die Stefan-Morsch-Stiftung, die seit Jahren junge Militärangehörige über die Chancen und Risiken der Stammzellspende informiert.
Denn gerade junge Menschen bringen die besten Voraussetzungen mit, um Lebensretter zu werden. Nicht nur, dass die Zahl der typisierten Soldaten innerhalb der Spenderdatei kontinuierlich wächst, auch der Anteil der Stammzellspender liegt heute bei mehr als 35 Prozent. „Über 200 Lebensretter, die die Stefan-Morsch-Stiftung im vergangenen Jahr vermittelt hat, sind Angehörige der Bundeswehr“, berichtet Emil Morsch. „Diese erfolgreiche Zusammenarbeit wollen wir fortführen.“
Prinzipiell kann sich jeder gesunde Erwachsene zwischen 18 und 40 Jahren registrieren lassen. Entsprechende Ausschlusskriterien lassen sich auf der Homepage der Stefan-Morsch-Stiftung nachlesen. So führen überwiegend schwerwiegende Vorerkrankungen, die auch zum Ausschluss bei der Blutspende führen würden, dazu, dass man nicht als Stammzellspender zugelassen wird.
Die aktuellen Termine für die Typisierungsaktionen der Stefan-Morsch-Stiftung findet man auf der Internetseite (www.stefan-morsch-stiftung.de). Zudem gibt es die Möglichkeit, sich über die Startseite auch online registrieren zu lassen. Dort kann man die Einverständniserklärung ausfüllen und sich ein Entnahmeset zuschicken lassen. In dem Päckchen ist das entsprechende Material, um sich bei seinem Hausarzt eine Blutprobe entnehmen zu lassen. Dieses Päckchen wird dann einfach an die Stefan-Morsch-Stiftung zurückgesendet.
Sollten Sie noch Fragen haben – die Stefan-Morsch-Stiftung ist unter der gebührenfreien Hotline 08 00 - 766 77 24 oder über info@stefan-morsch-stiftung.de erreichbar. Auf der Homepage www.stefan-morsch-stiftung.de oder via Facebook kann man sich ebenfalls informieren.

Bürgerreporter:in:

Annika Zimmer aus Birkenfeld

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Eine/r folgt diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.