Eichenau und die Eisenbahn, der Westen Münchens

Lok bei Eichenau
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Eichenau an der Strecke von München nach Buchloe.

Mit Gesetz vom 29.4.1869 wurde die Eisenbahnstrecke „zur Ausführung genehmigt“ und die langwierige Planung begann. Die neue Strecke zweigte im Bahnhof Pasing aus der vorhandenen Fernbahn nach Augsburg ab und behielt deren von München bis Pasing fast genau westliche Richtung bei. Sie führte südlich am Dorf Aubing vorbei, wo der erste Bahnhof entstand, durchschnitt sodann das südliche Ende der Aubinger Lohe und führte weit nördlich am Dorf Puchheim vorbei. Die weitere Linienführung wurde von der Geländebeschaffenheit diktiert. Die Trasse umfuhr in einem Bogen unterhalb der Kapelle Roggenstein das nördliche Ende der sich von Süden bis hierher erstreckenden Leite und wurde sodann bis Bruck auf deren nordwestlichem Abhang angelegt. Der Abfluss des Oberflächenwassers nach Norden wurde auf die Durchlässe für den Gröbenbach östlich von Puchheim und den Starzelbach zu Füßen von Gut und Kapelle Roggenstein kanalisiert.

Bei Eichenau, nämlich in km 18,520 an der Kurve um Roggenstein, entstand der „Bahnwärterposten 5“ mit der Funktion einer Blockstelle. Seine Lage war geschickt gewählt, konnte der Wärter doch vom nördlich der Strecke angelegten Wärterhaus tangential sowohl in Richtung Puchheim als auch in Richtung Bruck weit an der Strecke entlang blicken. Doch der ab 1873 bei Roggenstein amtierende Blockwärter hatte jeden aus Puchheim vorgemeldeten Zug in „Hab-Acht-Stellung“ zu erwarten und den Lokführer mit eingerollter Flagge unter dem linken Arm militärisch zu grüßen, nach seiner Durchfahrt den Flügel des Hauptsignals von schräger Stellung in waagerechte „Halt“-Stellung fallen zu lassen, mit dem elektrischen Telegraphen die Durchfahrt zum Kollegen nach Puchheim rückzumelden.
Das Bahnwärterhaus bei Roggenstein war in vereinheitlichtem Grundriss in jener Backsteinarchitektur gehalten, die wir heute noch bei einigen Nebengebäuden des Bahnhofs Aubing erkennen. Wie überall war auch in Roggenstein das Gebäude der Blockstelle nicht nur Dienstsitz, sondern auch Wohngebäude des Bahnwärters und seiner Familie.
Haltepunkt Roggenstein an der zweigleisigen Allgäubahn

Während in Puchheim (genauer gesagt in einigem Abstand vor der gleichnamigen Gemeinde) im Zusammenhang mit der Mülldeponie und mit einigen Gewerbeansiedlungen ein Bahnhof mit einem großzügigen Empfangsgebäude und mehreren Gütergleisen entstand, genügte es in Roggenstein, den vorhandenen Bahnwärterposten mit geringstem baulichen Aufwand zum Halteplatz aufzuwerten. Die offizielle Begründung nennt als Zweck die Bedienung des Militär-Fohlenhofs in Roggenstein.
Einen Andrang wie kaum jemals vorher oder nachher erlebte der Haltepunkt Roggenstein am 2.4.1913, als 50.000 Besucher einen Flugtag in Puchheim besuchten und anschließend nach Hause wollten. Die nach Fürstenfeldbruck zurück strömenden Gäste fanden in dem um 17.17 h abfahrenden und von Puchheim her bereits überfüllten Zug keinen Platz mehr (nach Gierstorfer a.a.O.)

Wenn wir nach dem Blick in das Kursbuch von 1880 nun dasjenige von 1908, also aus der wirtschaftlichen Blütezeit zwischen Jahrhundertwende und Ersten Weltkrieg aufschlagen, stellen wir auf unserer Strecke schon einen erheblich stärkeren Eisenbahnverkehr fest. Pro Richtung fuhren zwei D-Züge und drei Eilzüge nach Lindau, fünf Personenzüge nach Kempten nebst nunmehr zwei weiteren an Sonn- und Feiertagen nach Grafrath und fünf Nahverkehrszüge nach Fürstenfeldbruck. Wie schon 1880 konnte die Zahl der Sonntagszüge bei schönem Wetter vermehrt werden. Grafrath bot seinerzeit die Möglichkeit zum Umsteigen in das Dampfschiff zum Ammersee. Wie in jedem Ballungsraum hatte der Ausflugsverkehr auch in München und seiner schönen Umgebung im klassischen Industriezeitalter eine große soziale und volksgesundheitliche Bedeutung. Noch waren für den Arbeiter der bezahlte Urlaub und die Reise an sonnige Meeresküsten nicht erfunden, so dass für frische Luft und erholsames Bad die Wälder um München und die Gestade der oberbayerischen Seen genügen mussten. Schon war das Voralpenland aber auch in den Wettbewerb mit der fränkischen Schweiz, dem Schwarzwald und Tirol um die bürgerlichen „Sommerfrischler“ aus Norddeutschland eingetreten. Nicht zuletzt die Förderung des Ausflugs- und Urlaubsverkehrs war maßgeblich für den Bau der letzten Strecken am Rande unseres Gebiets, nämlich der Verbindung Mering – Geltendorf – Weilheim 1898 und der Lokalbahn Pasing – Herrsching 1903.

Mit Beginn des Ersten Weltkrieges endeten gepflegter internationaler Fernverkehr und froher Ausflugsverkehr. Für den Personenverkehr zwischen Stadt und Umland wurde Hunger zum wichtigsten Motiv. Von 1915 bis 1926 wurde der Bahnwärterposten Roggenstein nicht bedient. Vermutlich konnte bei zweigleisigem Betrieb angesichts des kriegsbedingten Personalmangels auf diese Blockstelle verzichtet werden.
Das Zugangebot der zwanziger Jahre war im Vergleich zu der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg wenig verändert, wobei die Vorortzüge nun in Grafrath statt in Bruck wendeten und auch der Wendepunkt Geltendorf in Erscheinung trat. Wer von München nach Roggenstein fahren wollte, fand sich am Starnberger Flügelbahnhof ein und bestieg einen Zug, für den die blecherne Richtungstafel am Bahnsteig in das richtige Ziel auswies. Bis 1927 konnte er die besonders preisgünstige 4. Wagenklasse wählen, die sich mit ihren Großräumen vor allem für die Traglasten des Kleingärtners empfahl. Wer auf nicht ganz so kantigen Holzbänken sitzen wollte, löste die Karte für die weithin übliche 3. Wagenklasse. Bessere Herrschaften zahlten den Preis für die mit Polstern lockende 2. Klasse. Wer wollte, mochte die Fahrt auf einer der offenen Einstiegsplattformen genießen, die an den Enden jedes Wagens angebracht waren. Zwischen 27 und 34 Minuten dauerte laut Kursbuch von 1925 die Fahrt nach Roggenstein.
Von München bis Puchheim gab es allerdings von 1897 bis kurz nach dem Zweiten Weltkrieg den speziellen Güterverkehr zur Mülldeponie. Die Landeshauptstadt hatte ein damals hochmodernes Verfahren für die Müllabfuhr eingeführt. In der Stadt wurden die Abfälle mit genormten zweiachsigen pferdebespannten Karren des Systems „Harritsch“ zu den Verladebahnhöfen gebracht. Die Karren wurden quer auf flache Güterwagen gestellt und in Puchheim ebenso in Querrichtung auf die dortige Rampe gefahren und in der Sortieranlage abgekippt.
Mit zunehmender Besiedlung des städtischen Umlands verstärkte die Reichsbahn den Vorortverkehr. Im Sommer 1928 konnte man zwischen 4.04 h und genau 0.00 h schon zu 15 verschiedenen Zeiten von München mit Personenzügen in unsere Richtung fahren, wobei nicht alle Züge in Roggenstein hielten.
Weiterhin fuhren an Sonn- und Feiertagen spezielle Ausflüglerzüge. Bei schönem Wetter wurde ihre Zahl verstärkt; rot-gelbe Flaggen an den Bahnhöfen und Haltepunkten signalisierten, dass die Bahnverwaltung das Wetter als „schön“ im Sinne dieser Fahrplanvorschrift einschätzte.

Die Verkehrsanlagen in Roggenstein waren denkbar einfach und bestanden nur in einigen provisorischen Ergänzungen des Bahnwärterhauses und zwei sehr schlichten und niedrig aufgeschütteten und zu kurzen Bahnsteigen östlich des beschrankten Überweges. Diesen mussten sowohl die Fahrgäste zu benutzen, die von einem aus München kommenden Zug nach Eichenau wollten, als auch die aus Emmering, die nach München fahren wollten. Die Haltestelle lag so weit von der Siedlung Eichenau entfernt, dass der „Interessentenverein Eichenau“ bereits im November 1923 (einem Monat, der mit Hitlerputsch und Höhepunkt der Geldentwertung ganz andere Akzente der deutschen Geschichte setzte) in gleichlautenden langen Schreiben an das bayerische Sozialministerium, die Eisenbahndirektion München, das Staatsgut Roggenstein und die Baugenossenschaft Eichenau einen eigenen Haltepunkt nahe der Kreuzung der Bahn mit der Straße Alling – Olching forderte. Die Forderungen wurden sogar auf Anlage eines vollwertigen Bahnhofs erweitert, der mit Gütergleisen und Laderampen z.B. auch die Anlieferung von Baumaterial erleichtern sollte.
Der alte Haltepunkt lag, was Eisenbahnverwaltungen seit jeher zu vermeiden versuchen, im Gleisbogen. Damit waren Sicherheitsrisiken verbunden, weil der Schaffner oder Zugführer, der im Außenbogen auf dem schmalen Bahnsteig in Richtung Fürstenfeldbruck stand, einen der immer länger werdenden Züge nicht mehr ganz überblicken konnte. Auch als Schrankenposten war Roggenstein mangels ausreichender Sicht in beide Richtungen riskant. Mitte Oktober 1929 kam der Spediteur Seemüller aus Eichenau zu Tode, als er bei fälschlich nicht geschlossenen Schranken den Übergang benutzte und von einem Zug überfahren wurde. Am 16.7.1930 kamen die Fahrgäste, die um 20.16 h aus München angekommen waren, in schwere Gefahr. Nach Weiterfahrt des Zuges hatte der Wärter die Schranken geöffnet und die Fahrgäste strömten nach Eichenau. Der Wärter hatte aber nicht an einen vorgemeldeten Schnellzug aus Lindau gedacht und konnte, als er diesen bemerkte, nur gerade eben noch rechtzeitig die Passanten waren und die Schranken erneut schließen. Am 10.1.1932 („Beginn 3 Uhr 16 Minuten“) befasste sich eine Versammlung im „Saalbau Schliefer“ mit Oberamtmann Dr. Sepp, Bez. Ing. a.D. Gg. Popp und 1. Bürgermeister Joh. Neumaier (Bezeichnungen sic) sowie vier Gemeinderäten und ca. 250 (!) Bewohnern von Eichenau mit der Wahl des Platzes für den neuen Haltepunkt. Außer auf topografische Aspekte wurde hierbei auch auf die Minderung der fahrpreisrelevanten Tarif-Kilometer durch eine Anlage nicht zu weit im Westen Wert gelegt. Eine Platzierung östlich der Straße Eichenau – Olching wurde aber als zu ortsfern verworfen. Im Ergebnis der Erörterung wurde einstimmig der Antrag angenommen, „dass die neue Haltestelle … mit der Bahnsteigsperre keinenfalls (sic!) weiter östlich als bei Bahnkilometer 17,9 zu stehen kommt“.
Am 4.4.1933 wandte sich der erst am 28.3. ernannte kommissarische I. Bürgermeister Scheitner unter dem „Betreff: Arbeitsbeschaffung“ mit dem bekannten Anliegen an das Bayer. Staatsministerium des Innern. Er legte besonderen Wert auch auf die Nennung von Eichenau im Kursbuch und verband die alte Forderung mit dem Projekt des Ausbaus der „Feldstraße Puchheim Ort – Eichenau – Emmering – Fürstenfeldbruck zu einer Hauptverkehrsstraße“ anstelle des Ausbaus der Straße Puchheim – Hoflach –Fürstenfeldbruck.
Mit Schreiben an den „Herrn Reichstagsabgeordneten Frey, München“ vom 3.6.1933 und an den „Verbindungsstab der N.S.D.A.P. bei der Reichsbahndirektion Berlin“ (sinnvoll wäre allenfalls die Einschaltung der Generaldirektion in Berlin gewesen, da die Rbd Berlin eine regional zuständige Behörde nicht anders an die Rbd München war) vom 8.6.1933 hob Bürgermeister Scheitner die Angelegenheit auf eine politische Ebene und regte auch an, auf dem Wege über eine Einsichtnahme in die Akten der Rbd München „die an der ständigen Verschleppung dieser Sache schuldigen Dienststellen zur Rechenschaft zu ziehen“.
Alsbald entschloss sich die Rbd München zu der immer lauter geforderten Verlegung und Umbenennung von Roggenstein nach Eichenau. Der Plan zur „Umgehungsstraße Puchheim – Eichenau – Emmering“ machte eine Straßenunterführung am alten Haltepunkt wünschenswert, so dass ohnehin Bauarbeiten erforderlich wurden.
Im Oktober 1934 berichtete das Brucker Wochenblatt über den Beginn der Arbeiten an folgenden vier Objekten:
a) Straßenunterführung Roggenstein (anstelle des Bahnübergangs am alten Haltepunkt) durch Firma Schmitt & Jungk, München,
b) Neubau der Starzelbachbrücke durch Firma Sitzmann, Fürstenfeldbruck,
c) Personenunterführung Bahnhof Eichenau durch Firma Stieglers Nachf., St. Georgen,
d) Hochbauten Bf. Eichenau durch Firma Hoch, Fürstenfeldbruck
Gleichzeitig waren bis zu 150 Arbeiter im Einsatz. Zu den letztgenannten Hochbauten wurde mitgeteilt, dass es sich um ein „Dienstgebäude“ mit dem Grundriss 11 x 7 m und ein „Vorratshaus mit den Aborten“ zu 5 x 5 m handelte, ausgeführt jeweils in Fachwerk mit Backsteinausmauerung und Bretterverschalung. Die gesamte Anlage wurde mit 57 „Lampen und Kandelabern“ zu 10 – 100 W beleuchtet. Zunächst als Fußweg wurde neu angelegt die heutige Bahnhofstraße.
Am 15.5.1935 wurde der Haltepunkt Roggenstein in km 18,520 aufgelassen und zugleich in km 17,900 auf 520 m über NN (Meereshöhe) der unbesetzte Haltepunkt Eichenau eröffnet. Der erste hier haltende Zug hatte um 00.19 h Fürstenfeldbruck verlassen, hielt mit Blick auf zwei am Bahnsteig wartende Reisende außerplanmäßig noch einmal in Roggenstein und wurde wenig später in Eichenau von den Bürgermeistern Königl und Cremer sowie vom Reichsbahnsekretär Eberth (später ebenfalls Bürgermeister) empfangen, die eigentlich einen Zug aus München als Ersten im neuen Haltepunkt erwartet hatten und diesen (wenn auch als zweiten) um so festlicher begrüßten. Sogar eine Blasmusik für den nächtlichen Präsentiermarsch nebst etwa 100 Schaulustigen war am Platze. Am Morgen des 15. Mai um 9.30 h fanden dann offizielle Einweihungsfeierlichkeiten mit einer Reihe von Funktionsträgern aus Politik und Reichsbahn statt. Das Amtsblatt der Rbd München vergaß nicht die Bekanntgabe des genauen Umfangs der Dienstleistungen: Der Haltepunkt (Hp) war konzessioniert für den „Personen- und Expreßgutverkehr (ohne Abfertigung von Leichen)“.
Sogar die Expansionspolitik des Nazireiches hatte indirekte administrative Auswirkungen für unseren kleinen oberbayerischen Haltepunkt: Weil der polnische Haltepunkt Dabrówka Mala im annektierten Oberschlesien zwischen Beuthen und Kattowitz in „Eichenau (Ostoberschles)“ umbenannt wurde, musste die Bezeichnung unseres Hp am 27.1.1941 auf „Eichenau (Oberbay)“ verlängert werden.
In der Zeitgeschichte spielte der Nordring um München, der westlich von Eichenau abzweigte, eine makabere Rolle. Gerade wegen ihrer geringen Nutzung konnte man das Gleis beim Steinwerk nahe Emmering am 25.4.1945 für die Aufstellung von Güterwagen nutzen, in die 3000 überwiegend jüdische Häftlinge des KZ Dachau bzw. seiner Außenstelle Kaufering nach schrecklichen Fußmärschen verladen wurden. Wegen des schnellen Vorrückens der Amerikaner kam ein Weitertransport der Opfer etwa in eine imaginäre Alpenfestung nicht zu Stande. Die Überlebenden wurden in Seeshaupt befreit. Im Wald nördlich der Straße Eichenau – Emmering finden wir noch heute eine Betonbrücke, die auch nur einen Tag in Betrieb war. Auf ihr sollte die genannte Straße einst die Bahn überqueren.
Nach dem verlorenen Zweiten Weltkrieg konnte auch auf unserer Strecke nur ein notdürftiger Eisenbahnverkehr angeboten werden. Das ab August 1946 gültige Kursbuch enthielt pro Richtung täglich nur zehn in Eichenau haltende Züge, mit denen lediglich der Arbeiter- und Schülerverkehr einigermaßen bedient werden konnte. Nach der Währungsreform 1948 besserten sich die Verhältnisse schnell. 1951 zeigte die für unsere Strecke jahrzehntelang gültige Fahrplantabelle 406 a täglich pro Richtung 17 in Eichenau haltende Züge, die ersten Arbeiter konnten um 4.48 h nach München abfahren und die letzten Theaterbesucher hier um 0.06 h wieder eintreffen.
Noch immer war jeder Zug des Nah- und Fernverkehrs auf unserer Strecke mit einer Dampflokomotive der Bahnbetriebswerke (Bw) München Hbf, Kempten oder Lindau bespannt. Ab 1957 bot sich im Nahverkehr ein eigenartiger neuer Anblick: Lokomotiven der Baureihe 38 (preußische P 8) wurden nun im Wendezugdienst eingesetzt. Das bedeutete, dass die Lok in beiden Fahrtrichtungen am Münchner Ende des Zuges blieb, an den sie mit dem Schornstein in Richtung Wagen angesetzt war. In Richtung München zog die Dampflok „Tender voraus“, in der Gegenrichtung arbeitete der Lokführer im Steuerwagen an der Spitze des Zuges und gab dem Heizer auf der hinten schiebenden Lok fernmündliche Befehle. Dieser Wendezugbetrieb mit Dampflokomotiven blieb in Deutschland selten. Im Mai 1962 begann die Umstellung auf Dieselbetrieb.
Nicht Nostalgie im Zeichen des Abschieds vom Dampf, sondern die Erwartung großer Modernisierungen beherrschte in den späten sechziger Jahren die Gemüter bezüglich des Nahverkehrs im Großraum München. Nach jahrzehntelangen Debatten hatten sich Bundesbahn, Landeshauptstadt und Freistaat darauf geeinigt, die im Hauptbahnhof und dem Ostbahnhof einmündenden Vorortstrecken durch einen Tunnel zu verbinden, der zur Achse eines weit ins Umland ausgreifenden S-Bahn-Netzes werden sollte. Zunächst galt es, die noch nicht elektrifizierten Strecken mit Oberleitungen zu überspannen. Hierzu gehörte neben den Linien z.B. nach Erding und Holzkirchen auch die Strecke Pasing – Geltendorf. Die Umstellung der Zugförderung erfolgte mit Beginn des Winterfahrplans 1968/69 am letzten Septembersonntag 1968. Nun fuhren auch nach Geltendorf die elektrischen Wendezüge mit Lokomotiven der seit 1956 in großer Stückzahl beschafften Baureihe 141, die auf den Strecken etwa nach Gauting, Herrsching, Nannhofen und Dachau schon lange zum Alltag gehörten.
Der Wendezugbetrieb zwischen dem Starnberger Flügelbahnhof in München und Geltendorf war aber nur ein Provisorium. 1969 unternahmen drei Probezüge des S-Bahn Triebwagens 420 ihre ersten Gehversuche. Für den Einsatz des 420 benötigten die Strecken nicht nur Fahrleitungen, sondern auch neue Bahnsteige, da die Fahrzeuge keine Stufen an den Einstiegen besaßen. Insbesondere auf der Stammstrecke Pasing – Ostbahnhof, wo keine anderen Fahrzeuge eingesetzt werden sollten, wurden diese Bahnsteige so hoch ausgeführt, dass der Übergang zum Wagen auf gleicher Ebene erfolgte. Auf den Außenstrecken, die für mehr oder weniger lange Zeit im Mischbetrieb mit Güter- und anderen Personenzügen befahren werden mussten, hatte man sich mit einer Bahnsteighöhe eine Stufe unter dem Wagenboden zu begnügen. 1970 wurde in Eichenau der Bahnsteig stadtauswärts auf das neue Format gebracht, 1971 auch der Bahnsteig in Richtung München.

Am 28.5.1972 begann der S-Bahn-Betrieb im Großraum München. Dieses Datum war ohne Zweifel die bedeutendste Zäsur in der Geschichte des Nahverkehrs in Oberbayern nach dem Zweiten Weltkrieg. Schnell wurde es den Eichenauern zur Selbstverständlichkeit, mit der S 4 ohne Umzusteigen bis zum Stachus oder zum Marienplatz durchfahren zu können. Die S-Bahn machte freilich das Wohnen im weiteren Umland von München noch attraktiver, so dass die Grundstücke teurer, die Besiedlung vor allem in Puchheim und dem Fürstenfeldbrucker Ortsteil Buchenau dichter und unsere Züge immer voller wurden.
Der örtliche Service wurde nicht etwa verbessert: Im Zeitalter der Fahrkartenautomaten sparte die DB auch im S-Bahnbereich immer mehr Personal ein: Ab 1.8.1973 wurde Eichenau von einer „Agentur mit Haltepunkt“ zum „unbesetzten Haltepunkt“ herabgestuft. Mit Auskünften an die Reisenden, der Aufgabe von Reisegepäck und Expressgut und dem Verkauf von Fahrkarten für den Fernverkehr war es nun vorbei.
Zu den Bahnanlagen in Eichenau hatte stets auch der Bahnübergang gehört, der die Staatsstraße Olching – Eichenau sicherte. Zu einem nicht bekannten Zeitpunkt in den siebziger Jahren wurde der Wärterposten von einer primitiven Hütte nordwestlich des Übergangs in ein turmartiges Gebäude nordöstlich des Übergangs verlegt. Damit hatte die Bahn in Eichenau einen Ausbauzustand gewonnen, der für etwa ein Vierteljahrhundert stabil bleiben sollte. In der Peripherie des Haltepunkts entstand 1981 die Park+Ride-Anlage.
Hatte bei der S-Bahn außerhalb der Hauptverkehrszeiten zunächst ein 40-Minuten-Takt genügen müssen, so wurde nicht zuletzt unter dem Druck von Lokalpolitikern die Zugfolge immer weiter verdichtet, so dass in den neunziger Jahren ein fast lückenloser 20-Minuten-Takt erreicht war.
Unterführung statt Bahnübergang
Der ständig zunehmende Autoverkehr und die immer weiter erhöhten Geschwindigkeiten der Züge machten schon nach dem Ersten Weltkrieg den allmählichen Ersatz der schienengleichen Bahnübergänge unabweisbar. Am 23.3.1971 forderte eine außerordentliche Bürgerversammlung die Beseitigung des Eichenauer Bahnüberganges. Die DB glaubte in Eichenau mit einer einfacheren Straßenbrücke am nordöstlichen Ortsrand über die Bahn auszukommen, vergleichbar vielleicht mit der Brücke, auf der östlich von Puchheim die Kreisstraße FFB 11 die Eisenbahn kreuzt. Wegen der zur erwartenden Beeinträchtigung des Landschaftsbildes und der Lärmbelästigung war dieses Projekt jedoch nicht durchsetzbar.
Die Eichenauer Kommunalpolitik betrachtete den Ausbau der Eisenbahnkreuzung allmählich zurückhaltender. Je unwahrscheinlicher eine Zustimmung aus Puchheim zu einer Umgehungsstraße über dortige Flur wurde, umso mehr fürchtete man eine verstärkte Attraktivität der Nord-Süd-Verbindung (Staatstraße 2069) durch Eichenau für den überörtlichen Verkehr. In den frühen neunziger Jahren bevorzugte Eichenau den Bau einer Unterführung mit reduzierter Höhe zum Ausschluss des schweren LKW-Verkehrs. Am 27.9.1994 lehnte das Verwaltungsgericht München jedoch eine entsprechende Klage der Gemeinde gegen die laufenden staatlichen Planungen ab, weil eine Staatsstraße auch den Verkehr mit großen LKW aufnehmen müsse.
Inzwischen, mit ganztägigem 20-Minuten-Takt der S-Bahn und ständig wachsendem Autoverkehr, gehörte der Bahnübergang Eichenau zu den am meisten belasteten Eisenbahnkreuzungen in ganz Deutschland. Oftmals mussten die Schranken für zwei oder gar drei Züge durchgehend geschlossen bleiben, reichten die Rückstaus im Süden bis zum Rathaus und im Norden bis zur Abzeigung nach Emmering. Nunmehr einvernehmlich wurde eine vollwertige Unterführung etwas östlich vom alten Bahnübergang verwirklicht. Die Kunst der Architekten schuf mit einer geschwungenen Linienführung und einer schrägen Ausführung der Stützmauern ein Bauwerk, das sehr viel leichter und eleganter wirkt als die erwähnten Unterführungen aus den siebziger Jahren in der Umgebung.
Für Freitag, den 3. August 2001, wurde die Stunde der Einweihung der Unterführung und der Schließung des Bahnüberganges angesetzt.
Im Vergleich etwa zu Puchheim oder Gröbenzell konnten die Hochbauten des Haltepunkts Eichenau in den achtziger und neunziger Jahren nach Ästhetik und Funktion immer weniger befriedigen. Ein paar zugige Unterstände aus Fertigelementen und das Vordach des kleinen Empfangsgebäudes gewährten nur wenigen wartenden Fahrgästen Schutz vor dem Regen. Gegen Wind und Kälte blieb man während der oftmals langen Wartezeiten auf verspätete S-Bahnen ungeschützt. Der kleine Innenraum des Empfangsgebäudes war zum Trink- und Rauchsalon des Bahnhofskiosks verkommen. Die längst untauglichen Toiletten waren verschlossen.
Bald nach der Einweihung der neuen Unterführung begannen die Arbeiten zum Ersatz des alten Gebäudes durch ein neues modernes Bauwerk. Im April 2005 wurde es zusammen mit einem neuen Vorplatz und einer erheblich vergrößerten Fahrradunterstell-Anlage eingeweiht. Es enthält unter einem allseits weit überstehenden Dach einen geschützten und bewirtschafteten Warteraum. Anfangs als zu groß und modern empfunden erhielt die neue Bahnhofsanlage mit dem südlich anschließenden Pflegeheim seine passende fast städtische Umgebung. Im Zusammenhang mit dem Neubau wurde der Bus-Bahnhof auf die Nordseite des Haltepunkts in den Mittelpunkt einer dort zusätzliche errichteten Park&Ride-Anlage verlegt. Die Busse des Eichenauer Ortsverkehrs fahren nunmehr durch die Unterführung nach Norden und haben dort auch unmittelbaren Anschluss an die Busse nach Olching. Insgesamt präsentiert sich seit 2005 eine erheblich vergrößerte und modernisierte Anlage. Unerfüllt blieb bisher die Forderung nach behindertengerechten Zugängen. Vom nördlichen Busbahnhof kann ein Rollstuhlfahrer nicht zum Bahnsteig in Richtung München gelangen.

Weniger die mit einigen Regionalzügen und wenigen Fernzügen nach Oberstdorf und Lindau noch keineswegs ausgeschöpfte Kapazität der Strecke als vielmehr das Bedürfnis nach betrieblicher Separierung der S-Bahn gibt Anlass für die Planung spezieller S-Bahn-Gleise zwischen München-Pasing und Buchenau. Nach derzeitigem Stand sollen nördlich der vorhandenen Gleise zwei zusätzliche Gleise gelegt werden. Die beiden inneren der dann vier Gleise würden dem S-Bahn-Verkehr dienen, die äußeren dem Fernverkehr. Zwischen den beiden inneren Gleisen wäre ein Inselbahnsteig zu bauen, der dann über eine mit Treppen und Aufzug erreichbare neue Bahnsteigunterführung mit den südlichen und nördlichen Vorplätzen verbunden würde. Ein solcher Umbau würde außer den vorhandenen Außenbahnsteigen leider auch die alten Holzdächer beseitigen, die seit 1934 die Treppenaufgänge der alten Bahnsteigunterführung schützen. Die Geldknappheit der öffentlichen Kassen macht aber eine schnelle Realisierung dieser Pläne unwahrscheinlich.
Andreas Knipping

Bürgerreporter:in:

Michael Gumtau aus Eichenau

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