Der Jazz – Ein Musikstil erobert die Welt ( Teil 2)
Was die Musik aus New Orleans von anderen bekannten und praktizierten Unterhaltungsmusiken unterschied, waren eindringliche Synkopen und vor allem die Improvisierkunst der meist nur nach Gehör spielenden Musiker. Das weiße Amerika nannte den Jazz eine komische und kurzlebige Modetorheit in der Musik.
Tatsächlich aber wurde der Jazz zum Vermittler, quasi zum Standesbeamten, bei jener außergewöhnlichen Vermählung zwischen afrikanischen und europäischen Musiktraditionen, die der Geschichte der abendländischen Musik neue Impulse zuführen sollte. Wie man diese Entwicklung auch immer verstehen mochte - der Jazz war geboren.
Storyville war allerdings nicht das ganze Bild. Überall in Amerika begann sich eine ähnliche Musik in den Tanzpalästen und bei den Hochzeiten der armen schwarzen Bevölkerung durchzusetzen und sie tauchte auch tatsächlich bald im Umfeld der Weißen auf, ähnlich einer Droge, der man sich zwar erwehren möchte, es jedoch letztlich nicht kann.
New Orleans aber kann, wenn es um die Wurzeln in der Geschichte des Jazz geht, einen besonderen Platz beanspruchen, denn schließlich sind King Oliver und sein junger Schüler Louis Armstrong in dieser Stadt geboren. Gemeinsam trugen diese beiden dazu bei, dass sich der Jazz von der Tanzmusik vieler Zufallsensembles nach und nach entfernte und sich zur Kunst der virtuosen Solisten weiterentwickelte.
King Oliver und Louis Armstrong gehörten auch zu den ersten Jazzmusikern, die ihre Musik auf Schallplatten pressen ließen und dadurch vielen anderen Jazzkollegen den Weg in die Popularität ebneten. Lassen wir einmal die Musiker Revue passieren, die im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts geboren wurden, so erschließt sich daraus schon ein unerhörtes Talentreservoir, das nur darauf wartete, entdeckt zu werden. Klangvolle Namen wie Count Basie, Thomas „Fats“ Waller, Earl Hines, Coleman Hawkins, Art Tatum und die fast gleichzeitig geborenen weißen Musiker Tommy Dorsey, Benny Goodman, Gene Krupa und Bix Beiderbecke lesen sich schon jeder für sich wie ein Kapitel Jazzgeschichte.
Wenn auch die Entstehung des Jazz für viele eher fragwürdig war, so reagierten klassisch ausgebildete Musiker in ihrem Verhältnis zum Jazz weitaus nicht so empfindlich wie das breite Publikum. Die europäischen Komponisten beispielsweise hatten bereits das Ragtime-Fieber der Vorkriegszeit miterlebt und sie bedienten sich ohne Zögern dieser neuen Form.
Bereits 1908 entstand „Golliwog`s Cake Walk“ von Claude Debussy und hier konnte es sicherlich noch keinen Einfluss des New Orleans Sound geben, zeigt aber deutlich, dass auch seriöse Musiker einer Empfänglichkeit für den Jazz nicht abgeneigt waren. Einen flotten Ragtime gibt es auch bei Erik Satie in seinem 1916 entstandenen Ballett „Parade“.
Wie schon im ersten Teil dieser Reihe erwähnt, wimmelt es in Igor Stravinskys „Geschichte vom Soldaten“ nur so von Jazz-Synkopen. Als das Werk 1918 uraufgeführt wurde, hatte die meisten Amerikaner, von den Europäern ganz zu schweigen, noch nie eine Jazzband gehört. Auch Kurt Weill hatte mit seinen vom Jazz inspirierten Opern einen großen Erfolg und selbst Paul Hindemith ließ häufig Jazzelemente in seine Kompositionen einfließen, war er doch in seiner Jugend tatsächlich Saxophonist in einer deutschen Jazzband gewesen.
Es zeigte sich also, dass sich seriöse Komponisten durchaus vom Jazz inspirieren ließen. Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts, als Benny Goodman und Thomas „Fats“ Waller zur Welt kamen, standen ihnen in Europa Kurt Weill, Ernst Krenek und Constant Lambert gegenüber. Lambert hat mit seinem „Rio Grande“ eine Art Jazz-Oratorium geschaffen und in Amerika ist es George Antheil mit seiner „Jazz-Symphonie“. Kurt Weill vermochte in seine famose „Dreigroschenoper“ mannigfaltige Jazzelemente einzubringen. Auch Aaron Copland hat sich vom Jazz genial inspirieren lassen. Besonders sein Klavierkonzert legt davon ein beredtes Zeugnis ab.
Klaus Kriesbach
Bürgerreporter:in:Klaus Kriesbach aus Fürstenfeldbruck |
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