Zeitenwende auch in der Bauwirtschaft
20 000 REISEN ZUM MOND UND ZURÜCK: BAULEUTE BEKOMMEN KÜNFTIG ENTSCHÄDIGUNG FÜR LANGE ANFAHRTSWEGE

Carsten Burckhardt  | Foto: (© IG BAU, Alexander Paul Englert)
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Vom 1. Januar 2023 an bekommen die Beschäftigten im Bauhauptgewerbe erstmals eine Wegezeitentschädigung.

"Damit wird endlich eine Ungerechtigkeit beseitigt, die uns schon lange auf den Nägeln brennt", so Carsten Burckhardt, Mitglied im Vorstand der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) und unter anderem zuständig für das Bauhauptgewerbe. Nach einer Studie des hannoverschen Eduard Pestel Institutes für Systemforschung aus dem Jahr 2021 beträgt der tägliche Weg zur Baustelle durchschnittlich rund 64 Kilometer, die durchschnittliche Pendeldistanz aller Arbeitnehmer*innen hingegen nur rund 17 Kilometer (jeweils einfache Fahrt). "Hinzu kommt, dass die Baubeschäftigten immer äußerst flexibel sein müssen, heute hier, morgen dort. Ihre Einsatzorte variieren ständig, je nach dem, auf welcher Baustelle sie eingesetzt werden. In den meisten anderen Branchen wissen die Arbeitnehmer*innen, wenn sie morgens aufstehen, wo ihr täglicher Arbeitsort ist", erklärt Burckhardt.
Rund 700 000 Arbeitnehmer*innen im Bauhauptgewerbe sind betroffen. Nach der jüngsten Untersuchung des Pestel-Institutes fahren rund 56 Prozent der Beschäftigten bis 50 Kilometer, 17 Prozent zwischen 51 bis 75 Kilometer und rund 15 Prozent mehr als 75 Kilometer täglich auf die Baustelle. Hinzukommen rund 12 Prozent der Baubeschäftigten, die auf Montage arbeiten. Wenn man 200 Arbeitstage zugrunde legt, kommt man auf die gigantische Summe von 15,9 Milliarden Kilometer Fahrweg. "Das sind mehr als 20 000 Reisen von der Erde zum Mond und zurück. Das sind Kilometer, die die Beschäftigten bisher aus eigener Tasche finanziert haben. Wir haben dafür gesorgt, dass damit jetzt endlich Schluss ist", sagt IG-BAU-Vorstand Burckhardt.
Die neuen Regelungen sehen vor, dass für die Strecken zwischen Betrieb und Baustelle kilometerabhängig zwischen 6 und 8 Euro bezahlt werden, wenn die Beschäftigten jeden Tag wieder nach Hause fahren. Meistens fahren die Bauarbeiter*innen mit Sammeltransportern zur Baustelle. Sollte der oder die Beschäftigte mit dem eigenen Auto zum Arbeitsort fahren, wird noch zusätzlich Kilometergeld gezahlt. Alternativ werden die Kosten für öffentliche Verkehrsmittel erstattet. Viele der Baubeschäftigten sind auf Montage, können also nicht täglich nach Hause fahren, weil die Baustelle dafür zu weit weg ist. Beträgt die Strecke zwischen Betrieb und Arbeitsort mindestens 75 Kilometer wird eine kilometerabhängige Wegezeitenschädigung zwischen 18 und 78 Euro zusätzlich zum Lohn überwiesen.
"Für uns als Baugewerkschaft ist das ein guter Anfang. Wir sehen aber noch deutlich Luft nach oben und wir bleiben dran", sagt Burckhardt. Der Fachkräftemangel sei schon heute groß und die "Generation Babyboomer" gehe in Kürze in Rente. "Deshalb braucht das Bauhauptgewerbe gute, qualifizierte und motivierte Beschäftigte, will sie die Herausforderungen der kommenden Jahre stemmen. Die Wegzeitentschädigung ist ein guter Schritt für die Anerkennung von Arbeitsleistung und Engagement."
Ausgehandelt wurden die neuen Regelungen, die in ganz Deutschland gelten und erstmals kündbar im Jahr 2026 sind, in den Tarifverhandlungen des vergangenen Jahres mit Abschluss im Oktober. Am Tisch saßen die IG BAU sowie der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie sowie der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes. Die Beschäftigten, die bisher leer ausgingen, erhalten insgesamt rund 805 Millionen Euro obendrauf. Im Bauhauptgewerbe sind rund 910 000 Frauen und Männer beschäftigt.

Bürgerreporter:in:

Heinz Kolb aus Gelsenkirchen

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