Autor: PETRA STARZMANN | 14.06.2011
Südwest Presse.
Einer grundsätzlichen Frage hat sich das Westentaschentheater in seiner neuen Produktion "Jackie and Hyde" angenommen: Darf man, muss man nicht sogar ein paar Leben opfern, um dadurch hunderte, vielleicht tausende Leben anderer zu retten? Überhaupt, was ist gut, was ist böse?
Um diese Fragen kreist der Thriller von Mareike Jonas und Wolfgang Neruda nach Robert Louis Stevensons Novelle "The Strange Case of Dr. Jekyll and Mr. Hyde". Nicht dem Weg aus diesem Dilemma begegnete das begeisterte Premierenpublikum, vielmehr einer bizarren Konfrontation mit diesem menschlichen Kern-Thema, aufgerollt am Motiv des Doppelgängers.
Ständig am Handy hängende Gestalten, Tanz mit schwarzen Schleiern, schön melancholische Gesänge von Christine Kappl und der mitlaufende E-Bass von Werner Hohenberger umgeben bisweilen wie ein surrealer Traum das ohnehin abwegige Geschehen, das Westentaschen-Intendant
Thomas Dentler in Szene gesetzt hat.
Poetische Momente und mörderisches Drama durchdringen sich, angezettelt von der ehrgeizigen Forscherin Jaqueline Heinrich, die hofft, das Böse abschalten zu können: Jackie will auf der Basis biochemischer Vorgänge Gut und Böse voneinander trennen und unternimmt einen Selbstversuch.
Ein Zittern ergreift ihren Körper, eine Hand greift nach ihrem Hals, würgt sie. Sie wird zum Doppelwesen, über das sie die Kontrolle verliert. Es ist eine starke Leistung, wie Michaela Kampka in raschem Wechsel die beiden Wesen verkörpert, von der Forscherin zum blutrünstigen Monster
Evelyn Hyde wird und den Wechsel zurück immer weniger im Griff hat. Die Hochsteckfrisur löst sich auf in zerzaustes Haar, adretter Forscherschritt weicht ruckartigem Frankenstein-Gestus, der gleichfalls komische Wirkung erzielt wie das übertrieben vor Blut triefende Messer als Tatwerkzeug.
Es scheint, die rund 70 Premieren-Besucher im Grünen Hof sind das wissende Publikum, dem sich die kriminalistische Handlung gängig erschließt, während die Bühnenfiguren in einzelnen Szenen selbst nur Ausschnitte erleben. In der Uni-Bar tummeln sich Zeugen und Opfer, bis Jackie endlich halb schwarz, halb weiß als beide Wesen zugleich erscheint. Schwarz-weiß, böse-gut: Wie
unverrückbar sind unsere Maßstäbe, fragt Thomas Dentler als Jackies Assistent Udo im Epilog.
Eine philosophische Frage, der sich das Stück bizarr, rätselhaft und schließlich überraschend nähert, wenn Udos schwangere Frau (Svenja Lang) murmelt: "Mutabor"- ich werde verwandelt werden.
Info
Die nächsten Vorstellungen:
Freitag und Samstag, 20.30 Uhr, im Grünen Hof.
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Bürgerreporter:in:Nancy E. Dentler aus Ulm |
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