Das gibt's nur im AuGuSTheater Neu-Ulm: Eltern können sich beruhigt eine Theatervorstellung anschauen, während ihre Sprösslinge nebenan betreut werden. Von qualifizierten Kräften. Was die Neu-Ulmer Theatermacher im Juni mit Erfolg getestet hatten (sechs Kinder im Alter von zwei bis sieben Jahre waren für drei Elternpaare zu betreuen) soll jetzt regelmäßig praktiziert werden, etwa zwei Mal im Monat, immer sonntags, Beginn um 18 Uhr
Am Sonntag, 25. September und am Sonntag 9. Oktober gibt das "Außergewöhnliche Goethe und Schiller Theater Neu-Ulm" eine fast ganz gewöhnliche Vorstellung der Komödie "fast Faust" von Albert Frank. Scheinbar ganz gewöhnlich ...
Ungewöhnlich ist: Die Show beginnt um 18 Uhr. Eltern bringen ihre Kinder mit, Die Kids, welche das Lustspiel für zwei Schauspieler (nach Goethes Dramenklassiker "Faust I") im "Großen Haus" schon verfolgen können, zahlen nur je 2.- € (bis zum 18. Lebensjahr). Für die Kleineren, von zwei bis etwa zehn Jahren, wird ein Kindergarten eingerichtet, im "studio", der zweiten Spielstätte des Theaters.
Für dieses Pilot-Projekt kooperiert die "Schaubühne für zeitgenössisches Theater", die Mitglied der Gruppe der Privattheater im Deutschen Bühnenverein ist, mit dem "Mehrgenerationenhaus Neu-Ulm im Familienzentrum Neu-Ulm".
Mehrgenerationenhaus? Was steckt dahinter? Das Mehrgenerationenhaus macht "intergenerative Angebote". Es beschreibt sein Ziel so: "... den Vereinzelungstendenzen der Gesellschaft entgegenzuwirken und durch Vernetzung mit bestehenden sozialen Einrichtungen, Trägern und Einzelpersonen Synergieeffekte für Jung und Alt zu erzeugen."
"Das passt", dachten die Theaterleute. Mit drei Fachkräften, mit Spielgerät und Musikinstrumenten unterstützt das Mehrgenerationenhaus, um Eltern den Theaterbesuch zu ermöglichen. Weitgehend werden beim ersten Male auch die Honorare übernommen, so dass die Eltern als Babysitter-Obolus nur zwei € pro Kind zahlen.
Die Eltern sehen einen schnellen (engl.: fast) Faust: 110 Minuten, inklusive Pause. Der "Faust" im Original dauert ja vier Stunden. Da wären die Kids nicht so lang bei Laune zu halten. Außerdem ist das Vorstellungsende 19 Uhr auch sehr familienfreundlich: Um 20 Uhr sind die Kleinen im Bett und die Eltern können Tatort gucken - wenn sie nicht zu aufgekratzt sind von der Theatervorstellung und sich noch drüber unterhalten wollen. Geboten wird schließlich: Weltliteratur auf die Schnelle.
Genuss ohne Reue. Hier lacht man. Und nie unter Niveau. Aber - man lacht. So macht der olle Goethe Spaß. Und zwar richtig Spaß. Immerhin sieht man die wichtigsten Passagen aus dem Original, immer wieder komödiantisch unterbrochen. Unterhaltsamer kann die "Schnellbleiche" vom Ahnungslosen zum Kenner nicht ausfallen. Tatsächlich wird man nach dem Besuch in Sachen Faust kompetent sein, wird einfach mitreden können. Also: In 90 Minuten ganz en passant Experte werden in Sachen "Faust". Mit Brief und Siegel (Theaterstempel und Autogramm). Man kann, wie gesagt, nicht bloß überall mitreden, sondern bekommt das sogar, wenn man will, schriftlich, ganz nach dem Wort des Schülers im "Faust":
"Denn was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen."
Überhaupt ist der "Faust" ja eine Fundgrube für geflügelte Worte (Auswahl):
• "Das also war des Pudels Kern"
• "Die Zeit ist kurz, die Kunst ist lang"
• "Ach Gott! Die Kunst ist lang. Und kurz ist unser Leben"
• "Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust"
• "Hier steh ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor"
• "Es möcht kein Hund so länger leben"
• "Augenblick verweile doch, Du bist so schön"
• "Die Botschaft hört ich wohl, allein mir fehlt der Glaube"
• "Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein"
• "Ich bin der Geist, der stets verneint"
• "Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich auch endlich Taten sehn"
Die Theatermacher des "Außergewöhnlichen Goethe und Schiller Theater Neu-Ulm" fordern auf: Reclamheft "Faust I" mitbringen und Zertifikat eintragen lassen - und damit anderen eine Nasenlänge voraus sein …
Die Aktion passt in die bisherigen Ideen der Bühne (Auswahl): Theater auf Krankenschein" und "Neu-Ulmer Gesundheits-Topf". Da sollen Finanzmittel aus dem Bereich Prävention, Sponsoren-Zuwendungen, Bußgelder und städtische Unterstützung einfließen, die dann denen zugute kommen, die aus Eigenmitteln nicht am kulturellen Leben teilhaben können. Vor allem musische Angebote für Kinder und Jugendliche könnten hieraus gemacht werden. Zum Beispiel werden die Einnahmen aus einem Gastspiel des AuGuSTheater Neu-Ulm bei den Allmendinger Gesundheitstagen in diesen Topf fließen.
Bürgerreporter:in:Heinz Koch aus Günzburg |
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