Kurzgeschichte
Warum muss man immer aus einer Mücke einen Elefanten machen?

Es war einmal ein kleines Dorf, umgeben von dichten Wäldern und saftigen Wiesen. Die Bewohner lebten in Harmonie miteinander und mit der Natur. Eines Tages jedoch, als der Sommer in vollem Gange war, tauchte eine winzige Mücke auf. Sie summte um die Köpfe der Dorfbewohner und stach hier und da zu. Anfangs nahmen die Menschen die Mücke kaum wahr, doch bald begannen sie, sich über sie zu ärgern.

Der alte Bauer Hans, der seit Jahrzehnten auf seinem Hof arbeitete, war besonders betroffen. Jede Nacht, wenn er sich zur Ruhe legte, hörte er das Summen der Mücke. Sie schien direkt in seinem Ohr zu sitzen und ihn um den Schlaf zu bringen. Hans konnte nicht anders – er begann, aus der Mücke einen Elefanten zu machen. Er malte sich aus, wie die Mücke absichtlich auf ihn losging, wie sie ihn quälte und seine Nächte raubte.

Eines Tages versammelten sich die Dorfbewohner auf dem Marktplatz, um über die Mücke zu sprechen. Jeder hatte eine Geschichte zu erzählen: Die Bäckerin fand, dass die Mücke ihre Kuchen ruinierte, der Schmied glaubte, sie habe es auf seine Werkzeuge abgesehen, und die Lehrerin beschwerte sich, dass sie den Kindern den Unterricht vermasselte.

Der Dorfälteste, Oskar, hörte sich die Klagen an und nickte nachdenklich. Dann sprach er: “Meine lieben Freunde, wir machen aus dieser Mücke einen Elefanten. Sie ist winzig, unscheinbar und flüchtig. Aber wir geben ihr Macht über unsere Gedanken und Gefühle. Wir lassen uns von ihr ärgern und vergessen dabei, wie großartig unser Leben hier im Dorf ist.”

Die Dorfbewohner schauten sich an und begriffen. Sie beschlossen, die Mücke nicht mehr zu fürchten. Stattdessen lernten sie, achtsam mit ihren Gedanken umzugehen. Wenn die Mücke summte, atmeten sie tief ein und aus, ließen den Ärger ziehen und konzentrierten sich auf das Schöne um sie herum.

Und so geschah es, dass die Mücke bald keine Rolle mehr spielte. Sie flog weiter, auf der Suche nach einem neuen Opfer. Aber die Dorfbewohner hatten gelernt, aus einer Mücke keinen Elefanten zu machen. Sie genossen ihr Leben, ließen sich nicht mehr von Kleinigkeiten aus der Ruhe bringen und fanden Glück in den einfachen Dingen.

Und wenn du heute durch das Dorf gehst, wirst du vielleicht noch das Summen der Mücke hören. Aber du wirst auch das Lachen der Menschen hören, die gelernt haben, achtsam zu sein und aus einer Mücke keinen Elefanten zu machen.

Bürgerreporter:in:

Thomas Ruszkowski aus Essen

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