Kurzgeschichte
Hier muss sich niemand auf den Schlips getreten fühlen!
In einem gemütlichen Wohnzimmer, das von Kerzenlicht erhellt wurde, standen Herr und Frau Müller vor dem großen Spiegel. Es war Silvesterabend, und nach Jahren der Abstinenz hatten sie beschlossen, wieder einmal den glamourösen Silvesterball zu besuchen.
Frau Müller, eine elegante Dame mit silbergrauem Haar, hatte sich in ein eng anliegendes, schwarzes Kleid gezwängt. Es war das kleine Schwarze, das sie vor vielen Jahren in Paris gekauft hatte. Sie strahlte, als sie sich im Spiegel betrachtete, und fühlte sich wie eine junge Frau, die bereit war, das Tanzparkett zu erobern.
Herr Müller, ein stattlicher Mann mit einem grauen Schnurrbart, stand neben ihr und kämpfte mit einer Krawatte. Er wühlte in der Schublade, aber keine der Krawatten schien ihm passend für den festlichen Anlass. Seine Frau beobachtete ihn mit einem schelmischen Lächeln.
“Warum suchst du so verzweifelt nach einer Krawatte?”, fragte sie und trat näher. “Du weißt doch, dass dir eine schwarze Fliege viel besser steht.”
Herr Müller runzelte die Stirn. “Eine Fliege? Bist du sicher?”
“Absolut”, antwortete Frau Müller und deutete auf den Fensterrahmen. “Schau mal, da kommt schon eine geflogen!”
Und tatsächlich: Eine winzige, schwarze Fliege flatterte durch das offene Fenster herein und landete auf Herrn Müllers Schulter. Er lachte und nahm die Fliege vorsichtig zwischen seine Finger. “Na dann, eine Fliege soll es sein!”
So zogen sie gemeinsam zum Silvesterball, er im eleganten Anzug mit der schwarzen Fliege, sie im kleinen Schwarzen. Und während sie über das Parkett wirbelten, fühlten sie sich wie ein junges Paar, das die Zeit überdauert hatte – mit einer Fliege als glücklichem Omen.
Bürgerreporter:in:Thomas Ruszkowski aus Essen |
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