Natur + Garten
In den Fängen der Würgefeige
Im Gegensatz zu einer Liane beginnt das Leben einer Würgefeige wenig spektakulär im Kronendach. Dort setzt ein fruchtfressendes Tier, zum Beispiel ein Vogel oder ein Affe, Kot und damit den Samen einer Würgefeige ab. Unter günstigen Bedingungen keimt der Same und die junge Feige beginnt zu wachsen. Anfangs lebt sie als Aufsitzerpflanze ( Epiphyt) im Kronendach. Doch das wird bald anders werden, denn sie beginnt Luftwurzeln in Richtung Waldboden zu schicken – manche frei in der Luft, manche am Stamm des Wirtsbaums entlang. Hemiepiphyten unterscheiden sich von den Epiphyten dadurch, dass sie in ihrer Entwicklung Wurzeln bilden, die den Boden erreichen. Würgefeigen können deshalb den Hemiepiphyten zugeordnet werden. Das Leben der Würgefeige ist sehr langsam und dauert Jahrzehnte. Auf dem Waldboden angekommen verankern sich die Luftwurzeln im Boden und die Feige bezieht in der Folge Wasser und Nährstoffe aus dem Boden: Die Luftwurzeln werden rasch dicker und verholzen zu kleinen Stämmen. Während die Krone der Feige im Wirtsbaum größer und größer wird, erreichen immer mehr Luftwurzeln den Boden und verholzen. Dort wo sich die Wurzeln berühren verschmelzen sie – um den Stamm des Wirtsbaums entsteht ein dichtes Geflecht von verholzten Luftwurzeln, dessen Stabilität beständig zunimmt. Der Anfang vom Ende für den Wirtsbaum. Die Umarmung der Würgefeige hat natürlich Folgen für den Wirtsbaum. Dessen Stamm wird durch das enge Geflecht der Feige regelrecht stranguliert, seine Leitgefäße werden abgeschnürt. Und als ob dies nicht genug wäre, werden seine Blätter von der zwischenzeitlich mächtig gewachsenen Krone der Feige beschattet und verdrängt. So stirbt der Wirtsbaum einen langsamen Tod, der Jahre oder auch Jahrzehnte dauern kann. Unterdessen ist das Geflecht der Feige so stabil geworden, dass sie auch ohne Stütze durch den Wirtsbaum bestehen kann. Während der Wirtsbaum stirbt und verrottet, bleibt letztlich nur die hohle Würgefeige übrig.