Die Tiefe des Raumes- und die Gefühleder Handlung

Der Film und das Kino waren noch keine 50 Jahre alt, als Robert J. Flaherty und Zoltan Korda den in Indien geborenen Sabu für ihren Film „Elefantenboy“ entdeckten, den sie 1937 nach einer Erzählung aus dem „Dschungelbuch“ von Rudyard Kipling drehten.
Durch den mit drei Oscars ausgezeichneten „Der Dieb von Bagdad“ und durch das „Dschungelbuch“ von Zoltan Korda wurde Sabu berühmt.
Im Zusammenhang mit dem 50. Jubiläum wäre dies allerdings kaum erwähnenswert, wenn Sabu nicht der Grund für die Existenz der heutigen Essener Filmkunsttheater wäre.
Vor allem als Mowgli im „Dschungelbuch“ hat besagter Sabu ein Kinderherz erobert, nämlich das des kleinen Hanns-Peter Hüster, der dadurch für immer dem Film und dem Kino verfallen war.

Als 13jähriger richtete er mit filmbegeisterten Freunden sein erstes kleines Kino im ehemaligen Luftschutzkeller seines Elternhauses ein. Die Freunde schlossen sich zum „Filmbund“ zusammen, zeigten auch für die Nachbarskinder alles, was sie auf 8mm- und 16mm-Film ergattern konnten. Die ersten eigenen Filme entstanden, als Hanns-Peter Hüster zur Konfirmation eine 16mm-Kamera bekam, viele Kurzfilme sollten in den kommenden Jahren noch folgen.

In den 1950er Jahren betrieb Hanns-Peter Hüster dann mit Freunden und einem Kaplan ein 16mm-Gemeidekino in dessen Pfarrei, später initiierte er mit seinen Filmbund-Freunden regelmäßig Filmvorführungen in einem im Nebenraum eines Eiscafes von ihnen eingerichteten Kino, machte eine - teils kinotechnische - Ausbildung und war Kameramann beim WDR.

Das erste Kinosterben hatte längst begonnen, als Hanns-Peter Hüster 1962 mit den Frillendorfer Lichtspielen sein erstes „richtiges“ Kino übernahm. Am 19.01.1962 wurde es als Studio Filmforum mit „Pal Joey“ eröffnet.

„Papas Kino ist tot“ war die Parole bei der Veröffentlichung des Oberhausener Manifestes einige Wochen später, mit dem sich Filmschaffende wie Alexander Kluge und Peter Schamoni vom seichten Nachkriegsfilm der 50er Jahre distanzierten und die Ära des Neuen Deutschen Films einläuteten. Zunächst von Journalisten und der Filmbranche mit Häme überschüttet (auch vom Gros der Kinobetreiber) wurde der Neue Deutsche Film im Laufe der 60er, bis in die 70er Jahre auch international zu einem Begriff. Regisseure wie u. a. Fassbinder, Herzog, Kluge, Schlöndorff oder Straub drehten ihre ersten Filme in dieser Zeit.
Analog hierzu entwickelte sich Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre eine neue Kinoform, das so genannte Programmkino. Das Studio Filmforum war quasi ein Vorläufer dieser späteren Programmkinos.
Zwei Jahre nach dem Beginn des Studio Filmforum kaufte die Stadt Essen das Gebäude, um es fortan für Behinderte zu nutzen. Aus dem Kinosaal wurde ein Turnsaal. Die Stadt Essen baute die gesamte Technik des Studio Filmforums in ihr frisch eröffnetes Jugendzentrum ein, das nun über einen größeren und einen kleineren Kinosaal verfügte. Hanns-Peter Hüster setzte hier seine Arbeit ab Mai 1964 in Kooperation mit dem Jugendamt fort, weiterhin hieß das Kino Studio Filmforum.
Ab August 1966 übernahm die Stadt Essen die komplette Finanzierung des Kinobetriebes. Unter dem neuen Namen Cinema 66 war es also spätestens jetzt das erste kommunale Kino der Republik geworden. Hanns-Peter Hüster war im Auftrag von und in Absprache mit der Stadt Essen für das Programm und den Betrieb des Kinos, sowie für die Leitung des Filmkreises bis Dezember 1970 verantwortlich. Unter dem Leiter des JZE Bernhard Graf von Schmettow fanden übrigens auch die legendären Essener Songtage und die Essener Kabaretttage statt.

Im März 1971, ein halbes Jahr nach dem Abaton in Hamburg und ein Jahr vor der Gründung der AG Kino, eröffnete Hanns-Peter Hüster schließlich die Galerie Cinema. Die Galerie Cinema war zwar ein winziges Kino, wurde aber von Hanns-Peter Hüster technisch besser als manches große Kino ausgerüstet. Etliche der Mitstreiter der Cinema 66-Zeit, aber auch noch aus alten Studio Filmforum-Zeiten waren wieder dabei. Für viele wurden hier - wie auch danach immer wieder - die Weichen für das Ergreifen eines kulturnahen Berufes gestellt.

1980 konnte Hanns-Peter Hüster endlich das Eulenspiegel übernehmen, um das er sich schon früher bemüht hatte, dem Verpächter aber zu jung war. Als reiner Kinozweckbau errichtet, mit großer gekrümmter Bildwand und 400 Plätzen, entsprach es ganz seinen Ansprüchen an ein gutes Kino. Es sollte lange Zeit das größte Programmkino der Stadt bleiben und machte sich damals unter anderem mit seinen langen Filmnächten und den zahlreichen Besuchen späterer Regieberühmtheiten, sowie mit seiner außergewöhnlichen Tonanlage einen Namen.

Als die damalige Betreiberin des Filmstudios den Betrieb dieses ältesten Kinos des Reviers zum Ende des Jahres 1990 aufgab, nachdem die für Ende 1991 geplante Eröffnung des Cinemaxx bekannt wurde, übernahm es Hanns-Peter Hüster trotz größter Sorge hinsichtlich der zu erwartenden Auswirkungen der anstehenden Eröffnung des größten deutschen Mulitplex’ mitten in der Stadt.

Obwohl sich diese Sorge als berechtigt herausstellte, waren seine Kinos letztlich nicht betroffen. Er hatte im Vorfeld noch einmal in weitere technische Aufrüstung investiert, hatte noch einmal unter sorgfältiger Pflege des historischen Charakters renoviert und die strikte inhaltliche Abgrenzung verdeutlicht. Die Unvergleichbarkeit mit einem Hightec-Massenkino war so offensichtlich, dass die Kinos durch ihre Individualität und Atmosphäre zur Alternative geworden waren und vom Publikum als solche angenommen wurden.

Während in der ersten Hälfte der 90er Jahre alle anderen Essener Kinos zunächst - teils mehrfach - den Betreiber wechselten, dann aber - bis auf die Lichtburg - doch geschlossen wurden, übernahm Hanns-Peter Hüster 1995 noch das zum Schluss von der UFA betriebene Astra, womit auch dieses klassische 50er-Jahre Kino vor der Schließung bewahrt und zum größten seiner Kinos wurde.

1998 zog sich die UFA endgültig aus Essen zurück. Sie gab jetzt auch den Betrieb der Lichtburg auf, nachdem eine seit 1994 von den Filmkunsttheatern initiierte Protestbewegung von Bürgern, Filmschaffenden und vielen Medien den Verkauf der städtischen Immobilie an die UFA verhindert hatte. Ein drohender Abriss oder eine Zweckentfremdung waren erst 2001 endgültig vom Tisch.

Von 1998 bis zur Renovierung 2002 hatte Hanns-Peter Hüster und sein Team auch die marode Lichtburg zunächst übergangsweise betrieben und auch bereits revitalisiert. Nach der Wiedereröffnung der Lichtburg in 2003 konnte sie endgültig an ihre glanzvollen Zeiten der 50er und 60er Jahre anknüpfen.

Das 1991 übernommene Filmstudio gerät Anfang des neuen Jahrtausends ebenfalls in Gefahr, für immer zu verschwinden. Auch hier war es wieder die gleiche Gruppe von Kinoenthusiasten, die schon die Rettung der Lichtburg vorangetrieben hatte, der es nun durch unbeschreiblichen persönlichen Einsatz mit ebenso unbeschreiblicher Unterstützung aus der Bevölkerung gelang, das Ruder herumzureißen. Das mit Bürgerspenden und öffentlichen Mitteln wieder aufgebaute älteste Kino der Region, konnte im Dezember 2009 wiedereröffnet werden.

Mit seinen fast 90 Jahren ist das Filmstudio heute so etwas wie ein Kinomuseum, allerdings ein äußerst lebendiges.

Mögen alle Kinos mindestens 100 Jahre und älter werden!

__________________________________________________________________

www.essener-filmkunsttheater.de/index.htm?site/aktuell/120119_50_Jahre.html

Bürgerreporter:in:

Wolf STAG aus Essen

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Folgen Sie diesem Profil als Erste/r

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.