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Crange ist mehr als nur eine Kirmes......es ist Crange

Der Pferdemarkt als Ursprung der Kirmes

Die Cranger Kirmes ist wohl das älteste Volksfest Deutschlands. Als aber um 1441 in unmittelbarere Nähe zum Haus Crange die erste "Kirmes" stattfand, war es ein Pferdemarkt und kein Volksfest. Wann genau der erste Pferdemarkt in Crange war, ist nicht bekannt. Dass im Jahr 2006 die 571. Cranger Kirmes veranstaltet wurde, geht auf die Zeitrechnung der Nationalsozialisten zurück. Diese legten den Beginn der Kirmes auf das Jahr 1435 fest. Folglich konnten sie im Jahr 1935 die 500-Jahrfeier der populären Kirmes propagandistisch nutzen. Nach dieser Zeitrechnung wird der Ursprung aber immer noch berechnet.
Jedenfalls ist der Pferdemarkt im Jahr 1441 urkundlich belegt. In diesem Jahr wurde auf Haus Crange mit Pferden gehandelt (Punkt 15 WANNE).
Im Vergleich zum Alter der Cranger Kirmes sind die anderen großen Volksfeste recht jung. So ist das Volksfest "Hamburger Dom" gerade mal ca. 110 und die "Münchener Wies'n" sind ca. 200 Jahre alt.

Der ursprüngliche Termin des Cranger Pferdemarktes war der 10. August, der Laurentiustag. Der Laurentiustag ist bewiesen; denn an diesem Tag wurden die im Emscherbruch gefangenen Wildpferde verkauft. Die Wildpferde waren sehr beliebt, da sie als Nutztiere wegen ihrer Zähigkeit nicht nur in Crange bekannt waren. Diese Tradition änderte sich allerdings im Jahre 1825, da die Wildpferde vom Aussterben bedroht waren. Seitdem wurde alljährig ein ganz normaler Pferdemarkt durchgeführt.

Im 19. und 20. Jahrhundert wurde die Cranger Kirmes auch als Hechtkirmes bekannt. Neben dem Pferdemarkt waren die Besucher von Hechten und anderen kleinen Fischen sehr angetan. Diese wurden aus der Emscher gezogen und dann auf der Kirmes an langen Tischen zum Verzehr angeboten. Diese "Fischfeste" fanden entweder im Haus Garthmann in Eickel oder am Schloss Crange statt.
Da der Fischbestand in der Emscher sehr stark zurückging, verschwand auch die Fischkirmes und es entstand die Cranger Kirmes.

Bis in die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts war die Kirmes noch ein kleines Dorffest. An einem Wochenende im Jahr vergnügten sich die Besucher an kleinen selbstgebauten Ständen und auf Karussells. Es stand aber auch schon damals ein Festzelt auf dem Kirmesplatz.
Erst nach dem 2. Weltkrieg, im Jahre 1946, wurde "Crange" auf 5 Tage verlängert. Die heutzutage übliche Dauer von 10 Tagen wurde erst 27 Jahre später, im Jahr 1973, festgelegt. Innerhalb dieser Zeitspanne liegt unverändert der Laurentiustag. Nur einmal, im Jahr 1962, endete die Kirmes vor dem Laurentiustag. Das verärgerte die traditionsbewussten Wanne-Eickeler sehr. Heutzutage beginnt die Kirmes immer am ersten Freitag im August.

Die Zusammenlegung der Städte Wanne-Eickel und Herne im Jahre 1975 löste bei den Wanne-Eickelern große Empörung und bei den auswärtigen Besuchern große Verwirrung aus. Da Crange ein Stadtteil von Wanne-Eickel ist, konnten die Besucher nichts mit dem Plakathinweis "Cranger Kirmes in Herne" anfangen.
1985 wurde das noch heute von eingefleischten Wanne-Eickelern benutzte Kirmesmotto "Piel op no Crange" ("Auf nach Crange!") erfunden.

4. Die Cranger Kirmes aus migrationshistorischer Perspektive

Seit mehr als hundert Jahren findet man auf der Cranger Kirmes Besucher, Schausteller, Händler und Viehmarktkunden aus den verschiedensten Bevölkerungsschichten. Die meisten waren Nah- und Fernwanderer (Deutsche und Ausländer), Arbeitsmigranten, Flüchtlinge, temporäre Zuwanderer und Einwanderer. Vor allem die Migranten machten aus dem Pferdemarkt ein Volksfest. Aber nicht zu irgendeinem Volksfest, sondern "zu einem der größten und renommiertesten Deutschlands" (Krus-Bonazza, S.65). Noch bis zum Ende des 19. Jahrhunderts kam nur ein bäuerliches Publikum aus dem westfälischen Raum. Erst als die Arbeitsimmigration aus den ländlichen preußischen Ostprovinzen anstieg und mehr fahrende Schausteller unterwegs waren, wurde die Kirmes zu einer Massenveranstaltung. Das geschah vorwiegend in der Zeit zwischen der Reichsgründung und dem Ersten Weltkrieg (1871 - 1914). Die Nachfrage nach "Viechern" (Hühner, Kaninchen, Schweine) kam vorwiegend von den sogenannten Ruhrpolen, die in den 45 Bergarbeiterkolonien auf dem Herner Stadtgebiet wohnten und sich mit Fleisch und Gemüse selbst versorgten. Pferde fanden ihren Käufer bei Bauern, Transportunternehmen und Zechen (Grubenpferde). In den Betrieben wurden zwar zu der Zeit vermehrt Maschinen eingesetzt, doch konnte man trotzdem noch nicht komplett auf die Arbeit der Pferde verzichten. Das galt auch für die Arbeit auf den Zechen untertage.
Im Jahr 1902 war der Zuspruch zur Cranger Kirmes so hoch, dass die Straßenbahn fast alle fünf Minuten auswärtige Besucher zum Platz bringen musste. Im Jahr 1919 kamen in drei Tagen 200.000 Besucher auf die Cranger Kirmes.
Um diese Zeit gab es keinerlei Probleme mit den zahlreichen verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Das lag wohl daran, dass die Kirmes ein Ort war, wo jeder ein Fremder war.

In den 1920er Jahren gab es eine eher "abartige" Art der Kirmesattraktionen. Damals gehörten "Schaubuden und Wanderzirkusse mit Angehörigen außereuropäischer Völkergruppen und körperlichen Abnormalitäten neben Kraftmessern wie dem "Hau den Lukas" oder oft mit fremden- und frauenfeindlichen Motiven versehenen Schießscheiben zu den vorherrschenden Kirmesattraktionen" (Krus-Bonazza, S. 68). Beliebt waren die Schwarzen aus den Tropen (Foto). Diese wurden in ihrer fremdartigen Lebensweise gezeigt. Auch andere makabere Belustigungen wie "Rumpfmenschen ohne Extremitäten, Siamesische Zwillinge, Frauen mit Bärten, Vogelköpfe, stark Übergewichtige oder Kleinwüchsige" (Krus-Bonazza, S. 68) waren zu dieser Zeit bestaunte Schauobjekte.
Während der Weimarer Republik, aber auch schon früher, rückten die "Zigeuner" in den Mittelpunkt des Interesses. Es war wohl ihr freies und ungebundenes Leben, das die Besucher faszinierte.
Ab 1926 ging die Organisation der Cranger Kirmes an die neu gegründete Stadt Wanne-Eickel über. Diese reduzierte den Viehmarkts und legte mehr Wert auf Volksbelustigung und Sicherheit.

Unter der Herrschaft der Nationalsozialismus änderte sich die Kirmes erneut. Die neue Regierung wollte, dass die Cranger Kirmes ein "Heimat- und Volksfest" ist, das auf der "Blut- und Boden-Ideologie" basiert. Das Fest war für die "deutsch denkenden Bergleute, die in Wanne-Eickel zusammengeströmt sind" gemacht (Krus-Bonazza, S. 70). Juden, Sinti und Roma und Teilen der polnischen Bevölkerung wurde die Teilnahme verboten. Der Ausschluss der "minderwertigen Schausteller" wurde rassistisch begründet.

In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg ging die lokale Tradition vorrübergehend verloren. Von "Geschichte und traditioneller Bedeutung der Cranger Kirmes war in jenen Jahren ebenso wenig die Rede wie von ihrem integrativen Auftrag, obgleich sich seit Mitte des Jahrzehnts die neue Zuwandergruppe der "Gastarbeiter" unter das Kirmespublikum mischte" (Krus-Bonazza, S. 72).
Um wieder an alte Traditionen anzuknüpfen, wurde im Rahmen der Cranger Kirmes Mitte der 1960er Jahre ein Reitturnier und ein historischer Festumzug veranstaltet. Später kam auch wieder ein richtiger Pferdemarkt dazu. Um an die Vergangenheit zu erinnern, wurden auch Ausstellungen über die Vorgeschichte der Kirmes organisiert.

In der Vergangenheit wurde die Kirmes sehr stark von Ausländern geprägt. Daran hat sich bis zum heutigen Tag nichts geändert, wenn man die reichhaltige italienische, türkische und griechische Küche auf dem Rummel betrachtet.
Heute ist die Kirmes immer noch ein Heimatfest. Auch die ehemaligen Gastarbeiterfamilien betrachten die Cranger Kirmes als ihre Heimat. Diese haben die Kirmes auch geprägt und teilweise zu dem gemacht, was sie jetzt ist. Da ihre Wurzeln zum einen im Pferdemarkt und zum anderen in der multikulturellen Tradition liegen, gibt sie "der buntgewürfelten Bevölkerung eine wirkliche Heimat" (Krus-Bonazza, S. 74).

5. Die Cranger Kirmes als Wirtschaftsfaktor

In Deutschland gab es im Jahr 2003 cirka 12.000 Volksfeste, Jahrmärkte und Kirmesveranstaltungen. Insgesamt kamen in diesem Jahr fast 170 Millionen Besucher zu diesen Veranstaltungen.
Von dieser hohen Beliebtheit profitiert in Deutschland der Deutsche Schaustellerbund e.V., der cirka 4.600 Betriebe vertritt (90%). Die Angaben im folgenden Text beziehen sich alle auf das Jahr 2002. So kamen in diesem Jahr rund 178 Millionen Besucher auf die deutschen Volksfeste. Solch eine hohe Besucherzahl erreicht kein weiterer Teil der Freizeitwirtschaft. Selbst Freizeitbäder (160 Mio.), Kinos (149 Mio.) sowie Theater (33,8 Mio.) erzielen bei weitem nicht diese Zahlen. Sogar die Fußballbundesliga, welche jährlich die höchsten Besucherzahlen im europäischen Vergleich aufweisen kann, kommt im Vergleich nur auf 9,3 Millionen Besucher.
Das Durchschnittsalter der Besucher liegt deutlich unter dem gesamtdeutschen Durchschnittsalter. Die Besucher gaben durchschnittlich 22,04 € pro Person und Besuch aus. Das ergibt dann für das Jahr 2002 einen Gesamtumsatz von 3,92 Milliarden €.
Von dem Gesamtumsatz profitieren aber nicht nur die Schausteller.
Diese bekommen nur cirka 0,85 Milliarden Euro.
Etwa die gleiche Summe (0,95 Mrd. €) geht an Verkehrsunternehmen, Einzelhandel, Gewerbe usw.
Einen großen finanziellen Vorteil haben auch die Kommunen. Diese profitieren u.a. von Steuereinnahmen und Platzmieten.
Viele Leute kommen aus anderen Städten, um ein Volksfest zu besuchen. Das sind aber meist Besucher aus der näheren Umgebung, die nicht über Nacht bleiben. Die durchschnittlichen Ausgaben der Tagesausflügler liegen bei 30 €.

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