St. Johanniskirche Woffleben im Portrait
Die Anfänge der Kirchengemeinde Woffleben im Südharz
Um zu verstehen, warum sich in einem kleinen 440-Seelen-Dörfchen ein Kirchenbauverein gegründet hat, muss man zwangsläufig in die Vergangenheit schauen. Heimatforschung als Hobby zu haben, kann ein ganzes Leben ausfüllen und man ist sich stets bewusst, nicht alles herausgefunden zu haben.
Teil 1: Zurück ins Jahr 1103 - eine Reise ins Mittelalter - die Zeit von Kaiser Heinrich IV.
Wie die Menschen in dieser Zeit gelebt haben, kann man sich heute kaum noch vorstellen, doch es gab den Glauben an göttlichen Beistand und wo fand man ihn besser, als in einem Gotteshaus. Woffleben hatte bis Dato keinen vergleichbaren Ort, vielleicht fand das Gebet unter freiem Himmel, vielleicht auch in einer schlichten Hütte statt - es gibt keine Aufzeichnungen dazu.
Im Jahr 1103 ließen sich also die noch wenigen verbliebenen habitatores (Einwohner) in der vorübergehend wüsten Villa Wofeleibin (Woffleben) eine Kirche erbauen und gaben 3 Hufe (~ 18 ha Land) ihres Freigutes dazu. Da das Dorf zu den Königsgütern gehörte, wird vermutet, dass es sich bei dem Land um sogenannte Königszinser handeln dürfte.
Als erster Pfarrer wurde der Mainzer Priester Amelung (Amelius) eingesetzt, auf dessen Bitte hin der Erzbischof Roudhard von Mainz Kirche und Kirchhof weihte und auch das Tauf- und Begräbnisrecht verlieh. Als Zeugen sind in der Urkunde, neben weiteren Geistlichen und Adligen, unter anderem Graf Adelger I. von Hohnstein (er war der erste Graf seiner Adelslinie) und Graf Beringer von Schauenburg (Berengerus comes) eingetragen.
Die Urkunde wird im Nachtrag von Band 2 der Regesta diplomatica necnon epistolaria historiae Thuringiae erwähnt. Der Text daraus kann, online frei zugänglich, bei der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena nachgelesen werden. Das Original der Urkunde befand sich im Wofflebener Kirchenbuch und ging in den Wirren des Zweiten Weltkriegs verloren.
Doch wie kam es eigentlich, dass ein Erzbischof diese kleine Feldkirche auf dem Land weihte? Erzbischof Ruthard (Roudhard) von Mainz lebte nach seiner Flucht seit 1096 in Thüringen und führte von dort sein Amt bis zum Tod 1109 weiter - nachzulesen unter “Volkskreuzzug” auf Wikipedia. Da der erste in Woffleben eingesetzte Pfarrer ein Mainzer Priester war, bat er den Erzbischof, die Kirche in Woffleben zu weihen, wie man im Buch "Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Grafschaft Hohnstein" von Julius Schmidt auf Seite 172 nachlesen kann.
Wie sah denn eigentlich das Gebäude aus?
Da jede Geschichte bei mir auch bebildert wird, habe ich weiter geforscht. Ich wollte unbedingt die erste Kirche von Woffleben rekonstruieren. Ich hatte folgende Hinweise: sie wurde 1103, also im Mittelalter gebaut, vermutlich im romanischen Baustil mit kleinen hoch gelegenen Fenstern, dem Eingang von Norden her und den Altar nach Osten gerichtet.
Und dann fand ich mehr durch Zufall einen Hinweis darauf, wie der Turm dieser Feldkirche ausgesehen hat. Ein Landkartensammler hatte mir 2010 einen Auszug der Kursächsischen Gebietsstraßenkarte von 1578 als Foto geschickt, weil er einen Ort auf der Karte lokalisieren wollte. Ich wusste zwar, dass Woffleben darauf eingezeichnet war, aber erst 2023 schaute ich es mir nochmal genauer an und siehe da, der Kirchturm der Feldkirche war zu erkennen. Ich bin auch heute noch erfreut darüber.
Also Gebäude zeichnen ist zwar nicht meine Stärke, aber ich denke die Kirche ist mir gar nicht so schlecht gelungen. Ich hatte im Vorfeld ein selbst konstruiertes Papiermodel der romanischen "St. Oswald und Otmar Kirche" aus Frenkenbach am Bodensee gebastelt , damit die Proportionen und Winkel stimmig werden.
Die Umgebung der Kirche habe ich bewusst ohne Häuser und einer heute stehenden Mauer gezeichnet, da die Besiedlung für die Bauzeit ja als "wüste Villa", also fast unbewohnt, beschrieben wurde. Woffleben liegt auch heute noch umgeben von Mischwald und der Bezeichnung Feldkirche wollte ich auch mit dem Hintergrund Rechnung tragen. Das Originalbild habe ich 2023 mit Aquarellfarben auf raues Aquarellpapier im Maß 20x30 cm gemalt. Es soll Teil einer Ausstellung in 2027 werden. Dann feiert ganz Woffleben seine erste urkundliche Erwähnung vor 1100 Jahren. Wie doch die Zeit vergeht ...
Wie es weiter geht, berichte ich in drei weiteren Teilen, wenn das nächste rekonstruierte Bild fertig gemalt ist - ein Knipsdings hatten 'se ja damals noch nich' :-) . Bis dahin habe ich noch andere interessante Themen aus Woffleben, über die ich in Zukunft schreiben werden.
Annett Deistung
Kirchenbauverein Woffleben e.V.
Mehr zur Kirche finden Sie hier: St. Johannis
Bürgerreporter:in:Annett Deistung aus Ellrich |
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