Menschlichkeit wird bestraft - die Flüchtlingsinitiativen

Menschlichkeit wird bestraft


Der Entwurf des neuen Integrationsgesetzes sendet ein verheerendes Signal an engagierte Bürger – über 20.000 Bürgen in Deutschland drohen extrem hohe finanzielle Belastungen, nicht wenigen der finanzielle Ruin.

Das neue Integrationsgesetzes bestraft diejenigen, die sich für syrische Flüchtlinge besonders eingesetzt haben. Es geht um die langen Laufzeiten der Verpflichtungserklärungen für die legale Einreise von syrischen Kontingent-Flüchtlingen über die Bundes- und Landesprogramme sowie die Rückforderungen des Staates von den engagierten Bürgen.

Über 20.000 Bürgen in Deutschland sollen laut Gesetzentwurf volle fünf Jahre für die Lebenshaltungskosten der legal eingereisten Geflüchteten aufkommen. Die Bürgen haben durch ihre Unterschrift einer so genannten Verpflichtungserklärung ein großes finanzielles und rechtliches Risiko auf sich genommen. Die Verpflichtungsgeber in Nordrhein-Westfalen sind davon ausgegangen, dass ihre persönliche Verpflichtung und finanzielle Belastung endet, wenn die eingereisten Personen als Flüchtlinge anerkannt werden: „Mit der Titelerteilung nach erfolgreichem Asylverfahren wird der neue Aufenthaltszweck aufenthaltsrechtlich anerkannt, so dass die Geltung einer im Zusammenhang mit der Landesaufnahmeanordnung abgegebenen Verpflichtungserklärung endet“ (Erlass des NRW-Innenministers Jäger, 24. April 2015). Das Land NRW vertritt somit eine andere Meinung als Bundesinnenminister de Maizière, der auf eine Fortgeltung der Verpflichtungserklärung trotz Flüchtlingsanerkennung besteht.

Gefährliche Flucht verhindert, vom Staat bestraft und ruiniert

Die Programme für Kontingentflüchtlinge bieten eine der wenigen legalen und sicheren Einreiseformen nach Deutschland und entziehen den Schleppern ihre illegale Geschäftsgrundlage. Gleichzeitig findet in vorbildlicher Weise eine Integration statt. Denn durch die Bürgen erhalten die Geflüchteten Unterstützung bei Amtsgängen, der Schulanmeldung, dem Spracherwerb und der Arbeitssuche. Auch hierdurch entlasten die Verpflichtungsgeber Bund, Länder und Kommunen.

Tritt das neue Integrationsgesetz mit der derzeit vorgesehenen Passage zur Geltung der Verpflichtungserklärungen in Kraft, werden die Bürgen für ihr außerordentliches Engagement abgestraft. Sollten die Jobcenter beginnen, von den Bürgen die an die Geflüchteten nach ihrer Asylanerkennung gezahlten Sozialleistungen zurückzufordern, müssen die Verpflichtungsgeber mit Rückzahlungen in Höhe von 300 bis 550 Euro pro Person und Monat rechnen. Da einige Bürgen sogar mehrere Verpflichtungserklärungen unterzeichnet haben, droht diesen der finanzielle Ruin. Eine syrisch-stämmige Verpflichtungsgeberin in Bad Godesberg, mit deren Hilfe sieben Familienangehörige in Deutschland Sicherheit finden konnten, muss sich auf eine Rückforderung des Staates in Höhe von bis zu 210.000 Euro einstellen.

Flüchtlingsinitiativen fordern ein Erlöschen der Verpflichtungserklärung nach 1 Jahr oder bei Flüchtlingsanerkennung

Der Flüchtlingsrat NRW und drei Bonner Flüchtlingsinitiativen – die Flüchtlingshilfe Syrien der evangelischen Johanneskirchen-Gemeinde Bad Godesberg, das flüchtlingspolitische Netzwerk weltoffen Bonn und die Beueler Initiative gegen Fremdenhass – fordern die Politik nun auf, dass die im Gesetzentwurf vorgesehene Fünfjahresfrist auf höchstens ein Jahr korrigiert wird. Auf jeden Fall sollte die im neuen § 68a des Aufenthaltsgesetzes vorgesehene Haftung der bisherigen Bürgen entfallen. Bürgen, die eine Verpflichtungserklärung vor dem Beschluss des Integrationsgesetzes abgaben, haben einen Anspruch darauf, dass mit der Anerkennung des Flüchtlingsstatus der Eingereisten die Bürgschaft erlischt:

„Die bisherigen Verpflichtungsgeber müssen auf den alten Rechtszustand vertrauen dürfen, wonach bei einer Änderung des Aufenthaltszwecks die Verpflichtungserklärung erlischt“, erklärt Birgit Naujoks, Geschäftsführerin des Flüchtlingsrates NRW. „Innenminister Jäger hat dieses Vertrauen noch gestärkt. Sollte die Neuregelung auf Bundesebene wie geplant auch die Altfälle umfassen, muss das Land NRW andere Lösungen zur Entlastung der Bürgen finden, beispielsweise durch Einrichtung eines Sondertopfes zur Kostenübernahme.“

Bei den Kontingentflüchtlingen geht es um 20.000 Flüchtlinge, die 2013 bis 2015 über die offiziellen Bundesprogramme nach Deutschland kamen, und 16.000 Flüchtlinge, die bis Juni 2015 über die Landesprogramme ein Visum zur legalen Weg einreise erhielten.[1] An den Landesaufnahmeprogrammen konnten nur die Flüchtlinge teilnehmen für die eine private Verpflichtungserklärung von Verwandten oder anderen Bürgen unterzeichnet wurde. In Nordrhein-Westfalen wurden über 7.000 Verpflichtungserklärungen abgegeben, etwa 2000 Geflüchtete reisten so bis Ende 2015 sicher ein. Allein in Bonn konnten durch die Unterschrift der Verpflichtungsgeber 365 Geflüchtete Zuflucht finden. Etwa 500 Bürgerinnen und Bürger aus Bonn ermöglichten dies durch Bürgschaften oder durch Ihre finanzielle Unterstützung. Wir halten es für skandalös, dass diese nun auch nach Anerkennung der Flüchtlinge weiter zahlen sollen.

In der nächsten Woche, am Montag, 20. Juni findet im Deutschen Bundestag eine öffentliche Anhörung zum Integrationsgesetz des Ausschusses für Arbeit und Soziales statt. Daraufhin wird das Gesetz im Bundestag und im Bundesrat diskutiert und beschlossen. Wir fordern alle verantwortlich handelnden Bundes- und Landespolitiker auf, sich für eine Änderung der Regelung zu den Verpflichtungserklärungen im Integrationsgesetz einzusetzen, die engagierten Bürgen zu entlasten und nicht ihre Menschlichkeit zu bestrafen. Wir erwarten, dass der Gesetzgeber die Stellungnahmen wichtiger Verbände zur Anhörung ernst nehmen. Unter anderen Teilen der Deutsche Gewerkschaftsbund, die Caritas und die Diakonie unsere Auffassung zur Änderung des relevanten § 68a des Aufenthaltsgesetzes im neuen Integrationsgesetz.

Diese Nachricht stammt von Flüchtlingsrat NRW.

Bürgerreporter:in:

Andreas Rüdig aus Duisburg

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