Strom-Roller im lichtblauen N(OST)algie-Gewand
(TRD/MID) Eine dicke Portion Nostalgie, kombiniert mit modernster Technik: Mit dem Schwalbe-Elektroroller versucht die Münchner Firma Govecs einen weiten Spagat: Sie verbindet das Design des Ost-Kultrollers Simson Schwalbe mit einem Bosch-Elektro-Antrieb. Eine im wahrsten Sinne spannende Mischung.
Die Schwalbe setzte die halbe DDR in Bewegung. Und seit der Wende knattern die Zweiräder mit der gut riech- und sichtbaren Zweitaktfahne auch munter durch die alten Bundesländer – schließlich dürfen sie trotz des Versicherungskennzeichens ganz legal mit 60 Stundenkilometern unterwegs sein. Und das sind immerhin 15 Sachen mehr als bei den übrigen Kleinkrafträdern mit Versicherungskennzeichen. Diesen Vorzug hat die Schwalbe der Neuzeit wegen ihrer Zulassung in der Fahrzeugklasse L1e leider eingebüßt. Sie setzt also nicht auf Tempo, sondern auf ihr auffällig-nostalgisches Gewand und die Kraft von 4,0 kW/5,4 PS, die sie mit leisem Surren in Bewegung verwandelt. Und das mit erfreulichem Temperament. Trotz des nicht gerade zarten Gewichts von 135 Kilo (mit zwei Akkus) gehören Ampelsprints zu den beliebtesten Aktionen eines E-Schwalbe-Piloten. Wer beim Umschalten auf Grün schnell reagiert, hängt locker auch gut motorisierte Autos ab. In Zahlen: 0 bis 45 km/h schafft der Zweirad-Stromer in 5,0 Sekunden.
Auch wenn die elektronische Tempo-Drossel nicht nervt wie oft die brutal und erschreckend einsetzenden Drehzahlbegrenzer bei kleinen Benzin-Rollern: Dass die Schwalbe gerne schneller als die maximal erreichbaren 47 km/h fahren würde, ist deutlich zu spüren. Da ginge locker noch mehr – und Govecs, so ist zu hören, wird das auch in Kürze mit einer weiteren Version möglich machen.
Doch zunächst surrt nur die kleine Schwalbe. Bis zu 63 Kilometer Reichweite verspricht der Hersteller bei der Ausstattung mit einem 2,4 kWh-Akku, werden zwei davon installiert – im Falle der Testmaschine fix und nicht herausnehmbar -, sollen es 125 Kilometer sein. Bei den Testfahrten erwies sich diese Angabe als zutreffend: Obwohl man eigentlich immer mit Vollstrom unterwegs ist, passen die Abnahme der Reichweitenanzeige und die Zunahme am Kilometerzähler gut zusammen. Es muss ja nicht immer im flinksten „Boost“-Modus gefahren werden, auch in den per Knopfdruck wählbaren „Go“- und „Cruise“-Einstellungen kommt der Fahrer problemlos aufs Spitzentempo. Beeindruckend sind die Zwischensprints etwa beim Überholen von Radlern, oder die Performance an Steigungen – das macht so richtig Laune. Aufpassen muss man angesichts der geringen Lautstärke der E-Schwalbe allerdings darauf, dass man nicht einfach überhört und dann übersehen wird.
Das Design ist so weit wie möglich dem des Ost-Originals angenähert, bis hin zu den vorderen Blinkern an den Lenkerenden und dem schmalen Gepäckträger mit Gummi-Gurt. Auch der hochklappbare Sitz, unter dem sich ein Mini-Staufach und das beim Testgefährt fest installierte, fünf Meter lange Spiral-Ladekabel verbirgt, entspricht dem der alten Schwalbe. Die Sitzfläche ist zwar recht schmal, aber gut gepolstert. Zusammen mit der ergonomisch günstigen Position der Füße auf dem Trittbrett sorgt das für eine entspannte Haltung, die es ermöglicht, die maximal erreichbare Reichweite ohne körperliche Beschwerden durchzustehen.
Zündschlüssel drehen, den gewünschten Fahrmodus einstellen, „Gas“ geben – mehr braucht es nicht. Das Fahrwerk kommt mit der möglichen Leistung und der überschaubaren Geschwindigkeit gut zurecht, die immerhin 16 Zoll großen Räder mit Allwetter-Reifen sorgen für Stabilität in Kurven. Dass statt der früheren Funzel-Lämpchen vorne und hinten LED-Lichter verbaut sind, ist ebenso erfreulich wie die Tatsache, dass Govecs auf wartungsarmen Doppelriemenantrieb und kräftig zupackende und gut dosierbare Scheibenbremsen vorne und hinten setzt – optional ab Dezember 2017 sogar mit ABS.
Die E-Schwalbe ist ohne Frage ein witziges und charmantes Fortbewegungsmittel für die Stadt, eine moderne Interpretation eines Klassikers und ein rundum erfreulicher Anblick für alle Freunde des nicht alltäglichen Designs. Was sie aber ganz bestimmt nicht ist: billig. Schon die Basis mit einem Akku kostet 5.390 Euro. Und wer sein E-Rollerchen auch noch mit – beispielsweise – schickem lichtblauem Lack, einem speziellen Sitzbezug, Hauptständer, zweitem Akku und ABS ausstattet, ist bei 6.640 Euro angelangt. Viel Geld für einen eigentlich nur als Zweitgefährt einsetzbaren Roller. Unbezahlbar ist aber das, was man gratis dazubekommt: Die Aufmerksamkeit, die man bei jedem Abstellen der E-Schwalbe erregt – bei Nostalgikern wie bei Fans der E-Mobilität.
Technische Daten Govecs E-Schwalbe
Zweisitziger Elektroroller der Fahrzeugklasse L1e, Leergewicht (mit 2 Akkus): 135 kg, Sitzhöhe: 840 mm, Stauraum: 5,0 Liter, Räder: All Season-Reifen 100/80 R 16, Bremsen: Scheiben vorne und hinten. Reichweite: 125 km, Beschleunigung 0 bis 45 km/h: 5,0 Sek., Höchstgeschwindigkeit: 45 km/h.
Antrieb: Bosch Drive Unit 48 V, Leistung: 4,0 kW/5,4 PS, Kraftübertragung: Doppelriemenantrieb, Batterien: 2 Bosch Lithium-Ionen-Akkus mit je 2,4 kWh, fest installiertes Ladegerät mit Schnellademodus, 0 bis 50 Prozent in 1 ¾ Stunden, Normalladung 0 bis 100 Prozent in 4,5 Stunden. Preis (mit 2 Akkus): ab 5.990 Euro.
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Bürgerreporter:in:Heinz Stanelle aus Düsseldorf |
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