Ohrfeigen gehören selbstverständlich nicht zur Ausbildung- NRW Justiz-Minister packt es an...

Justizvollzugsschule: Was ist dran an den Vorwürfen?

Ohrfeige, Angstklima oder auch Folter: Diese Vorwürfe stehen seit zwei Wochen im Zusammenhang mit der Ausbildung an der Justizvollzugsanstalt im Raum. Auf Antrag der FDP-Fraktion hat sich der Landtag damit heute in einer Aktuellen Stunde erneut auseinandergesetzt (Drs. 15/2415). Bereits in der vergangenen Woche hatte das Thema den Rechtsausschuss beschäftigt.

„Ich bin der Meinung, da müssen wir als Parlament sagen, dass wir so etwas nicht akzeptieren“, appellierte der FDP-Abgeordnete Dr. Robert Orth an das Landtagsplenum. Dies gelte unabhängig davon, wie die Staatsanwaltschaft die Vorfälle letztlich strafrechtlich bewerte. Denn der Landtag trage eine große Verantwortung für die Ausbildung an den landeseigenen Schulen in Nordrhein-Westfalen. Es sei zwar klar, dass die Institution ihre Schützlinge für ihre spätere schwierige Aufgabe rüsten müsse. Jedoch betonte Orth: „Ohrfeigen gehören zu dieser Gratwanderung in keinem Fall dazu.“ Genauso wenig tolerieren könne er das Durchwühlen des privaten Mülls von Anwärterinnen und Anwärtern.

„Wenn wir uns mit dem Inhalt der Beschwerden ein bisschen intensiver beschäftigen, zeigt sich ein systemisches Problem“, befand Peter Biesenbach (CDU). Er stimme seinem Vorredner voll zu und forderte die SPD dazu auf, sich wirklich mit den Beschwerden auseinanderzusetzen: „Nehmen Sie die ernster!“ Zudem gebe es Stimmen, wonach die Verhältnisse in der Schule schon seit längerem bekannt gewesen seien. Andere Anwärterinnen und Anwärter erzählten, aus Angst vor schlechten Beurteilungen lieber den Mund gehalten zu haben, erläuterte Biesenbach Zitate mutmaßlicher Betroffener. Das heiße zwar nicht, dass die Vorwürfe begründet seien. Aber es zeige, dass etwas nicht stimme.

„Körperliche und seelische Gewalt haben nichts in der Ausbildung von Anwärterinnen und Anwärtern zu suchen“, stellte der SPD-Abgeordnete Sven Wolf klar. Wichtig sei nun die vollständige Aufklärung des Sachverhalts. Der Justizminister habe dafür die Weichen gestellt und viele ehemalige Azubis der Schule zu den Vorwürfen direkt anhören lassen. Gleichzeitig machte Wolf deutlich: „Ausbildung und Erziehung bedeutet auch immer einen Spagat.“ Auch empfahl er, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen, sondern die Ergebnisse der Staatsanwaltschaft abzuwarten. Dass dies der richtige Weg sei, habe die Diskussion rund um die Vorfälle auf dem Marineschiff Gorch Fock gezeigt.

„Gewalt und Gewaltübergriffe sind in keiner Form zu dulden“, unterstrich auch Dagmar Hanses (Grüne). Niemand im Parlament habe ein Interesse daran, etwas zu vertuschen. Allerdings kritisierte sie die aus ihrer Sicht emotionale Debatte rund um die Vorwürfe: „Da möchte ich doch bitten, dass wir zurück zur Sachlichkeit kommen.“ Vielmehr sei wichtig zu schauen, welche Möglichkeit Schülerinnen und Schüler bei solchen Vorfällen haben. So könnten sie sich an Vertrauenspersonen oder ans Ministerium wenden und Strafanzeige stellen, zählte Hanses auf. „Aber was macht Herr Biesenbach? Er geht vor die Presse.“ Sie bezweifle deshalb, dass es ihm tatsächlich um die Sache gehe.

„Eine Justizvollzugsschule ist auch kein Ponyhof“, betonte die Linken-Abgeordnete Anna Conrads. Allerdings gebe es hier natürlich Grenzen. Was die aktuellen Gewalt-Vorwürfe angehe: Die könne sie bisher weder belegen noch verwerfen. Jedoch forderte Conrads die rot-grüne Landesregierung dazu auf, die pädagogische und fachliche Qualität der Arbeit in der Ausbildungsstätte zu überprüfen. Auf ihrer Internetseite werbe die Wuppertaler Einrichtung damit, dass viele ihrer Lehrkräfte aus der Praxis kämen – erwähne aber auch, dass sie nahezu keine Qualifikation im Bereich der Erwachsenenbildung hätten, kritisierte die Linke: „Das finde ich, ist ein starkes Stück.“

„Drill, Drangsalierung und vorsätzliche Körperverletzung an Justizeinrichtungen in Nordrhein-Westfalen toleriere ich in keinster Weise“, machte Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) deutlich. Vor Anfang Juli hätten weder er noch die Schule von den Vorwürfen gewusst. Er selbst nehme diese nun sehr ernst und habe veranlasst, alle 290 Absolventen befragen zu lassen. Bisher hätten sich die aktuellen Vorwürfe dadurch jedoch nicht bestätigt. Mögliche Anhaltspunkte gebe es lediglich für eine Ohrfeige während einer Simulationsübung. „Ohrfeigen gehören selbstverständlich nicht zur Ausbildung“, betonte Kutschaty. Anlass für hektisches Handeln gebe es aber derzeit trotzdem nicht.

Bürgerreporter:in:

Wolf STAG aus Essen

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