Der Brexit und die Automobilindustrie

Manch ein Kritiker befürchtet, dass England durch den EU-Austritt wirtschaftlich zurückfällt. Dort wurden aber auch vor der europäischen Union erfolgreich Autos gebaut und exportiert. | Foto: © Mini /TRD
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  • Manch ein Kritiker befürchtet, dass England durch den EU-Austritt wirtschaftlich zurückfällt. Dort wurden aber auch vor der europäischen Union erfolgreich Autos gebaut und exportiert.
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Auf dem Weg hin zum Brexit-Referendum waren die britischen Automobilkonzerne lautstarke Vertreter der Nicht-Austritts-Partei. Nun, da der Brexit immer mehr Gestalt annimmt, haben sich viele dunkle Prophezeiungen als nichtig erwiesen.

(TRD/WID) Selbstverständlich könnte England durch den Brexit die vorteilhafte Behandlung verlieren, die sämtliche EU-Staaten untereinander genießen. Gleichzeitig bedeutet der Bruch aber auch, dass sich das Land anderen günstigen Handelsverträgen widmen könnte, weit über Europa hinaus. Viele Märkte außerhalb Europas empfinden EU-Sanktionen als Einschränkung des freien Handels. Für England ist diese Perspektive eine Chance, die es für ein Wirtschaftswachstum nutzen kann – über die Einschränkungen und Regulierungen der EU hinweg.

Der Australische Premierminister Malcom Turnbull hat nicht als einziger kürzlich bestätigt, ein freies Handelsabkommen mit England abzuschließen. Australien und andere Staaten betrachten EU-Handelsverordnungen als introvertiert und einschränkend. Tatsächlich haben bereits zehn Wirtschaftsmächte – darunter China, Australien, Indien, Japan und Kanada – informelle Zusagen an starke Handelsabkommen mit dem „Post-Brexit“-England abgegeben.

Die britische Premierministerin Theresa May sagt: „Diese Regierung wird aus dem EU-Austritt einen Erfolg machen. Einer der Wege, das zu erreichen, ist der Abschluss von freien Handelsabkommen mit unseren Partnern aus aller Welt. England ist ein nach außen gewandtes und global denkendes Land. Darauf werden wir aufbauen und uns eine neue, eigene Rolle in der Welt erschaffen.“

Schon jetzt exportiert Großbritannien Waren im Wert von umgerechnet 19,5 Milliarden Euro in die Vereinigten Staaten – und das ohne feste Handelsabkommen. Liam Fox, Englands Minister für internationalen Handel, ist mit den Verhandlungen beauftragt, die England zu einem „Leuchtfeuer für freien Handel für die ganze Welt“ machen soll. Fox sagt, dass seine Abteilung eine neue Fähigkeit für England entwickeln wird, „zum ersten Mal seit 43 Jahren“ frei Handelsverträge verhandeln zu können und somit direkte Investitionen auf bisher unerreichtem Niveau nach Großbritannien zu holen. „Als Mitglied der Europäischen Union konnten wir Handelsverträge nicht unabhängig verhandeln. Das gesamte Konzept wirtschaftlicher Blockaden gehört in das 20. Jahrhundert. Die Gewinne des 21. Jahrhunderts werden diejenigen erhalten, die Flexibilität und Agilität begreifen“, sagt Fox.

Brexit-Kritiker befürchten, dass unter der Reglementierung der Welthandelsorganisation (WTO) UK-Exporte von Fahrzeugen um bis zu 10 Prozent steigen könnten. Wenn es Großbritannien nicht gelingt, freie Handelsabkommen mit dem Rest der EU zu schließen, müsste es sich diesen Grundregelungen unterordnen. Ford, Großbritanniens größter Motorenfertiger, warnte vor dem Brexit-Referendum vor 2,7-Prozent-Abgaben auf Motoren. McLaren hingegen erwartet keinen Anstieg von Zollgebühren. Könnte die größte Sorge der Automobilproduktion vor dem Brexit ein mangelndes Selbstvertrauen sein, das möglicherweise zu einer Marktinstabilität führt?

Zum Beispiel hat BMW angedeutet, die Produktion der Ikone Mini von England nach Kontinental-Europa zu verlegen, sollte der EU-Austritt in Kraft treten. Allerdings steht die Ankündigung von Mini entgegen dem Trend anderer Größen der Automobilindustrie. Staatlichen Unterstützungs-Zusicherungen folgend, hat Nissan Pläne angekündigt, zwei neue Modelle – den Qashqai und das SUV X-Trail – im Sunderland-Werk zu fertigen. Weitere Hersteller wie Aston Martin, Honda, Ford und Toyota hoffen nun auf ähnliche Zusicherungen.

Ford – mit Motoren-Produktionslinien in Dagenham und Bridgend – beschäftigt 13.000 Mitarbeiter in Großbritannien. Das US-Unternehmen hat angekündigt, aller Voraussicht nach trotz Brexit im Vereinigten Königreich zu bleiben. Darüber hinaus kündigt der Hersteller das Vorhaben an, seine Produktion elektrischer Fahrzeuge in China zu erhöhen. China und Großbritannien haben in den vergangenen Jahren merklich an einer „goldenen Beziehung“ gearbeitet und werden voraussichtlich gegenseitig vorteilhafte „Post-Brexit“-Handelsabkommen unterzeichnen. Auch der japanische Autogigant Toyota hat Pläne angekündigt, neue Investitionen in Großbritannien zu tätigen, im Hinblick auf den staatlichen Kurs hin zum freien Markt.

Rolls-Royce Motor Cars betrachtet sich als ein Paradebeispiel für britischen Erfolg. Hier gibt es keine Absichten, den Hauptsitz im Vereinigten Königreich aufzugeben. Es werden weiterhin Investitionen im Land getätigt. Das Unternehmen verbuchte kürzlich einen Anstieg der globalen Verkaufszahlen, nicht zuletzt dank des zweistelligen Anstiegs im Heimatmarkt, wo aktuell 100 neue Arbeitsplätze geschaffen wurden. Für das Werk in Bognor Regis sei ein Ausbau geplant, „um die wachsende Nachfrage zu erfüllen und um auf künftige Modelle vorbereitet zu sein“. Torsten Müller-Otvös, Hauptgeschäftsführer bei Rolls-Royce, sagt: „Erfolg für Rolls-Royce ist Erfolg für Großbritannien, und wir erneuern unser Bekenntnis, unsere Konzernheimat im Vereinigten Königreich zu belassen.“

Jaguar Land Rover ist der größte Autokonzern des Landes. Angekündigten Plänen zufolge sollen die Produktion verdoppelt und Tausende neue Arbeitsplätze im Post-Brexit-England geschaffen werden. Die Zahl der Mitarbeiter soll um 10.000 steigen, und bis 2020 sollen jährlich eine Million Fahrzeuge vom Band rollen.

Derartige Zahlen und Ankündigungen zeugen von der Übertreibung zahlreicher „Untergangspropheten“, die im Zuge des Brexit-Referendums ihre Stimme erhoben. Derzeit steigen die Investitionen, Exporte und die Einzelhandels-Verkaufszahlen.

Andere europäische Staaten befassen sich mit der Austritts-Frage, und die britische Premierministerin Theresa May verspricht, das Post-Brexit England zu einem Steuerparadies für Unternehmen zu machen, sollte der Staat mit den Austrittsbedingungen unzufrieden sein. Könnte es sein, dass Großbritannien, fern der Aussicht einer finanziellen oder wirtschaftlichen Isolation, einfach nur das erste Pferd ist, das aus der Einpferchung der EU-Regulierungen ausbricht, um auf grüneren Wiesen zu weiden?

Bürgerreporter:in:

Heinz Stanelle aus Düsseldorf

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