Zeitreise: Klassisch par excellence den Harley-Twin per Knopfdruck zum Leben erwecken
By (TRD) Pressedienst Blog News Portal 2018
(TRD/MID) – Am 8. August 1988 berichtete der Motor-Informations-Dienst (mid) über die Harley Davidson XLH Sportster 1200. 1957 war das Geburtsjahr der ersten Harley-Davidson Sportster. Heute, 31 Jahre später, ist die Sportster mit 1.200 ccm Hubraum im Modelljahr 1988 größer und in der Technik moderner denn je. Doch die XLH Sportster 1200 ist weder ein modernes Bike, noch will sie es gar sein, im Gegenteil. Sie ist wohl das klassische Motorrad überhaupt, das man heutzutage noch ab Werk erhalten kann.
Biker, die einmal mit der Sportster fahren konnten, werden sich jederzeit an den V-Zweizylinder erinnern können. Ob sie nun von seinem ausgesprochen rauen Charme angetan waren oder nicht. Allein schon das Starten beeindruckt. Unwillig schnaufend und ohne große Hoffnung auf Erfolg scheint sich der E-Starter jedesmal zu mühen, den ehrwürdigen Twin zum Leben zu erwecken. Doch gelingt es ihm stets und zudem noch auf den ersten Knopfdruck. Und dann geht es los. Die Sportster schüttelt und rüttelt sich bereits im Stand bei Leerlaufdrehzahl, gibt allerlei und für Unbedarfte fast schon besorgniserregende mechanische Geräusche von sich und stampft dann mit urgewaltigem Antritt vorwärts. Laufkultur ist in ihrem Repertoire konstruktionsbedingt nicht enthalten und wird durch Vibrationen ersetzt. Vibrationen der kräftigen, derben Art, die spätestens ab 5.000 Umdrehungen auch von hartgesottenen Naturen wahrlich nicht mehr zu verleugnen sind und bei Drehzahlen in der Nähe des roten Bereichs (6.250 U/min) die Füße einfach von den Rasten schütteln. Doch solche Drehzahlen peilt man ebenso wie die beachtliche Höchstgeschwindigkeit von fast 175 Tachostundenkilometern wohl nur einmal aus Neugierde an.
Die urwüchsige Kraft – in Zahlen ausgedrückt: 47 kW/64 PS bei 5.600 U/min und ein maximales Drehmoment von 90 Nm bei nur 4.000 Touren – erlaubt stilvolles Fahren im großen Gang mit niedrigen Drehzahlen. Die Getriebebedienung beschränkt sich auf die nötigsten Schaltvorgänge und das ist gut so, denn die Gänge lassen sich – speziell bei kaltem Motor – trotz Zwischengas nur sehr hakelig einlegen. Je nach Fahrweise bewegt sich der Verbrauch zwischen vier und 6,5 Litern bleifreiem Superbenzin. Ein Witz ist allerdings der mit rund 8,5 Litern Fassungsvermögen viel zu kleine „Peanut“- (übersetzt: Erdnuss) Tank, der die Reichweite bei einem Durchschnittsverbrauch von rund 5 Litern pro 100 Kilometern auf noch nicht einmal 140 Kilometer bis zur Reserve beschränkt. Das ansonsten ungemein entspannende Sportster-Fahren kann somit an einem schönen Sonntagabend irgendwo auf einer einsamen Landstraße ein fluchendes Ende angesichts eines leeren Tanks finden. Abgerundet wird der „Evolution Engine“ genannte Motor von seiner fast schon zu gut gedämpften Auspuffanlage und der Wartungsarmut, die durch hydraulischen Ventilspielausgleich und eine elektronisch-kontaktlose Zündung gegeben ist. Nur die schlichte Rollenkette (keine lebensverlängernden O-Ringe) passt hier nicht so recht ins Bild und ist zwar klassisch, aber auch ein technischer Anachronismus.
Seltsam, aber an den ruppigen Motor gewöhnt man sich eher als an die unharmonische Sitzposition. Der tiefe Sitz (740 mm), die hoch und relativ weit hinten angebrachten Fußrasten und der zu wenig nach hinten geschwungene Lenker bieten für einen 1,80 Meter großen Biker keine Sitzharmonie. Weite oder schnellere Fahrten werden so verleidet. Die Federelemente vermögen die Sportster-Fahrer in Spreu und Weizen zu trennen. Will man auf Landstraßen niedrigerer Ordnung so etwas wie Komfort genießen, empfiehlt sich dringend die Einstellung des hinteren Federbeins auf die weichste Stufe.
Das Fahrwerk der 222 Kilogramm schweren Sportster verfügt über einen guten Geradeauslauf und hat angenehme Handling-Qualitäten, wenngleich die Maschine mit etwas Kraftaufwand in die Schräglage gedrückt werden will. Die Schräglagengrenze reicht auch für sportliche Einlagen aus. Im Gegensatz zu den beiden Scheibenbremsen vorne und hinten, die allenfalls durchschnittlich verzögern, wobei die vordere auch noch hohe Bedienungskräfte erfordert. Die Ausstattung beschränkt sich auf Tacho und Drehzahlmesser, Speichenräder und viel Chrom. Die Sozia-Sitzposition ist customlike indiskutabel: Die Fußrasten sind an der Schwinge, das Sitzkissen ist viel zu klein. In der schwarzen Standardlackierung ist die XLH Sportster 1200 für 14.855 DM und auf Wunsch auch gedrosselt auf 35 kW/47 PS zu haben. Ob sie einem diesen Preis wert ist oder nicht: Wer sie einmal gefahren hat, wird sie nicht vergessen.
Bürgerreporter:in:Heinz Stanelle aus Düsseldorf |
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