Was kann moderner Journalismus leisten?
Reflexionen zu Bedeutungsaspekten
TEIL I: MEINUNGSBILDUNG
Banal könnte die ausgehende Fragestellung, was denn moderner Journalismus bedeuten kann, anmuten, denn alltäglich gehen wir alle mit Produkten modernen Journalismus um, sei es durch Printmedien, Zeitungen, Zeitschriften, durch Rundfunk und Fernsehen, sei es durch Präsentationen journalistischer Arbeit im Internet.
Wiederholt ist unsere Gesellschaft nicht mehr mit Blick auf ihre technologisch-produktive Seite hin als “industriell”, “postindustriell” etc. charakterisiert worden, sondern durch die anscheinend in vielfacher Hinsicht bedeutsame Omnipräsenz der Massenmedien, zu denen der Journalismus in seinen modernen Modifikationen Zugang gefunden hat.
Als bedeutsamste Attribution, die mir spontan einfällt, blicke ich auf eine gewichtig anmutende Charakterisierung, nämlich Journalismus als “Vierte Gewalt” in Staat und Gesellschaft. Ist die Bedeutung des Journalisten wirklich so elementar und wesentlich? Darf er seine Arbeit de facto äquivalent zu den drei Zentralgewalten der Demokratie zählen, der Legislative, der Exekutive und der Jurisdiktion?
“Wissensgesellschaft” wird unsere gegenwärtige Kulturepoche zuweilen auch genannt, da sich Qualifikation in Berufs- und Arbeitswelt als A und O darstellt, und Wissen und Fähigkeiten sind schließlich zwei zentrale Kompetenzen der beruflichen Arbeit.
Wer sich durch eigene praktische Arbeit dem Journalismus z. B. durch Praktikum oder freie Mitarbeit (etwa im Kontext einer Vereinsmitgliedschaft oder eben insbesondere durch “Bürgerjournalismus”, wie ihn ja myheimat z. B. ausmacht) befasst hat, wird mehr oder minder intensiv gemerkt haben, was den Alltag journalistischer Arbeit bestimmt.
Worüber berichten Zeitungen? Nach welchen Kriterien werden Nachrichten unterschieden? Welche Inhalte werden als “wichtig” eingestuft?
Wir sind bei den zwei zentralen Funktionen des Journalismus angelangt, nämlich der meinungsbildenden Gestaltung und der (notwendig) selektiven (auswählenden) Funktionsweise. Notwendig selektiv?
Allein indem die Redaktion eines journalistischen Mediums einen bestimmten Bericht für publikationswürdig erachtet, betont sie dessen Bedeutung. Andere mögliche Berichte werden als weniger wichtig angesehen und entweder für eine spätere Publikation bestimmt (wenn weniger “wichtige”, “aktuelle” Inhalte vorliegen) oder landen gleich im Papierkorb.
Warum erscheint die Rede des Dalai Lama auf einem Deutschlandbesuch in allen Medien (wenigstens auszugsweise), während vielleicht zeitgleiche Massaker in Darfur keine Beachtung finden?
Als Lokalreporter kann die Abschlussfeier einer örtlichen Schule durchaus als “wichtig” erachtet werden oder die Renovierung eines Vereinsheims ... .
Ok! Soweit, so gut allgemein bekannte Faktoren. Und genau hier möchte ich einsteigen, um Aspekte zu beleuchten, die gewöhnlich weniger beachtet werden.
Journalismus? Ist Journalismus selber ein Thema? Tja, wir leben doch im Zeitalter der Massenmedien - ü b e r a l l begegnen wir Produkten modernen Journalismus: Kostet uns das dann nicht eine Überwindung, über etwas Alltägliches selbst nun zu reflektieren, das ansonsten von morgens bis abends gegenwärtig ist, so da ist, wie Rundfunk, Fernsehen, Internet - und Zeitung?
Vor kurzem brachte es jemand auf den Punkt, mit dem ich diskutierte, über ein kontroverses, politisches Thema sprach: “Aber das ist Fakt! Das stand doch in - der Zeitung!”
Nicht etwa dass die betreffende Person ziemlich ungebildet, wenig informiert oder weitgehend an gesellschaftlich-politischen Themen uninteressiert gewesen wäre, nein, und dennoch argumentierte er, dass seine (eine bestimmte) Meinung nämlich, dadurch plausibel, tragend und authentisch sei, weil sie doch “in der Zeitung steht”.
Ist das nicht haarsträubend naiv? Warum ich diese Äußerung aufgreife, liegt nicht darin begründet, dass sie besonders überzeugend sei; sie ist vielmehr dadurch signifikant, dass sie eine Grundhaltung repräsentiert (allerdings nicht auch zugleich reflektiert), die v i e l einflussreicher ist, als man ihr zunächst zutrauen möchte: Wie oft würden wir uns als Zeitungsleser, als Rundfunkhörer, als Internetnutzer und als Fernsehzuschauer dabei ertappen, dass wir etwas spontan (und ohne zu zögern) in die Kategorie “Fakten” einordnen, was schlicht selbst Ergebnis oder Inhalt einer Meinung, einer Auffassung und Deutung darstellt, also alles andere als “harter Fakt” ist?
Wir sind tagtäglich mit einer erstaunlichen Fülle von Bewusstseinsinhalten beschäftigt, die wir perzipieren, aufnehmen, interpretieren und beurteilen sowie auch ihrer Wichtigkeit nach einstufen: Wenige, wirklich wenige Inhalte analysieren wir wirklich so gewissenhaft, dass sie auf ihre Authentizität hin überprüft werden. Wir schätzen sie nach ihrer Wahrscheinlichkeit, Plausibilität und nach ihrer Richtigkeit ein, nicht etwa dass wir selbst weitere Quellen nützen, um zu vergleichen: Oft liegen uns ja bereits eine Vielzahl und Fülle weiterer ähnlicher Inhalte bereits vor, die uns mehr oder minder zu befähigen scheinen, einzuschätzen, w i e wir eine Meinung einzuordnen haben.
Ja, wie kommt denn eigentlich eine Meinung zustande? Was läuft in einem Menschen ab, wenn er in den Medien z. B. Meinungen bestimmter Politiker hört oder liest? Wahrscheinlich wären wir ziemlich desillusioniert, wenn wir zuweilen en détail erfahren würden, w i e ein solcher Mainstream in der Öffentlichkeit entsteht, also eine Mehrheitsmeinung, manchmal wenigstens.
Was denkt Ihr? Welche Faktoren sind wichtig, wenn sich die “eigene” Meinung bildet? Welche Erfahrungen habt Ihr gemacht?
Fällt es schwer, manchmal gegen den Strom zu schwimmen? Wer hat sich in einer Diskussionsrunde schon einmal zu einer Meinung bekannt, die nicht eine Mehrheit oder eine größere Gruppe hinter sich hatte?
Wie schwer oder leicht fällt es Euch, Eure Meinung m i t z u t e i l e n?
Ich würde mich freuen, wenn viele ihre Erfahrungen und Anschauungen hier einbringen!
Es soll quasi eine Art “Stoffsammlung” vieler Positionen zum Thema “Meinungsbildung” entstehen.
Bürgerreporter:in:Wolfgang Leitner aus Donauwörth |
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