Ich mal wieder
Nachdem Wolfi lieber den fallenden Blättern nachjagt und sich mit für ihn wichtigeren Dingen als dem Tagebuch beschäftigen muß, bin ich wieder mit dem nächsten Eintrag dran. Nicht, daß mir das nicht gefallen würde - nein, ich finde es richtig angenehm, daß ich hier meinen Gedanken freien Lauf lassen kann. Wer hätte es gedacht, die einfache Tina, die so unauffällig aussieht, schreibt das Tagebuch für das Tierheim Höchstädt.
Ich weiß nicht, wer von Ihnen liebe Leser mich schon persönlich kennen gelernt hat, aber ich weiß, daß ich nicht so ganz die übliche Hauskatze bin, wie man sie sich wohl wünscht. Deswegen bin ich wohl auch genau die richtige Bewohnerin um das Tagebuch zu schreiben. Ich betrachte manche Dinge aus einem anderen Blickwinkel, da ich nicht nur für das Ziel lebe, anderen Freude zu bereiten. Doch, ich kann auch schnurren und kuscheln und ich stupse auch gerne mal mit der Nase, aber nicht immer und nicht ständig und nicht mit jedem, der es will und schon an sich überhaupt nicht so gern mit Artgenossen. Vielleicht bin ich eher eine Hunde-Katze als eine Katze-Katze - wer weiß!
Ich habe ja bereits im letzten Eintrag festgestellt, daß Gipsy und ich viel gemeinsam haben und deswegen werde ich sie jetzt dann demnächst bitten einen Gasteintrag zu schreiben. Ich glaube, daß das auch eine ganz nette Geschichte werden wird. Nicht, daß ich glaube, daß Wolfi beständig zu beschäftigt sein wird, um seiner Pflicht nachzukommen, aber Vielfältigkeit sollte man auch nutzen, um eben vielfältig sehen zu können. Ein starrer Blick versperrt oft die Sicht auf so viel spannende Dinge, ohne, daß man es merkt. Also heißt es schön Augen auf!
Was habe ich denn die letzten Tage so alles gesehen?
Es wurde ein Baum bei uns im Tierheim gefällt. Das war mal spannend. Der Baum mußte weg, er wäre sonst vielleicht auf unser Dach gefallen und hätte uns oder unsere Menschen oder auch Besucher treffen können. Also mußte die Entscheidung fallen und der Baum auch. Das war eine Aktion! Also ich habe unsere Menschen selten so schnaufen sehen und es waren so wenig andere Menschen da, um zu helfen. Da hätte man fast Mitleid bekommen können. Aber ich wußte ja, daß ich nicht helfen kann und darf, also habe ich mich auf das Beobachten konzentriert. Das waren wirklich viele Blätter und Äste, die da entsorgt werden mußten. Aber jetzt habe ich sozusagen noch mehr freie Sichtfläche und kann versuchen, die Besucher noch genauer zu studieren.
Das ist etwas was ich ungemein gern tue: Besucher studieren. Warum? Das nennt man effektives Arbeiten! Wenn ich merke, daß der Besucher nur auf die Hunde fixiert ist, muß ich mich nicht bewegen, das wäre vergebene Liebesmüh. Wenn ich merke, daß der Besucher nur Katzen mit außergewöhnlicher Fellfarbe wahrnimmt, dann muß ich mich nicht bewegen. Wenn ich merke, daß der Besucher nur einen Kater sucht, dann muß ich mich nicht bewegen. Wenn ich merke, daß der Besucher nur eine Kuschelkatze sucht, die keinen eigenen Kopf hat, dann muß ich mich nicht bewegen.
Sie merken schon ... ich bewege mich nicht sehr viel! Je besser ich die Besucher einschätzen kann, um so eher spüre ich, ob sich Bewegung als Einsatz lohnt oder nicht. Ob ich schon einmal danach feststellen mußte, daß ich mich geirrt habe? Nein! Ich irre mich sehr selten, wenn es um die EInschätzung unserer Besucher geht. Manche Besucher kommen sehr oft, manche sehe ich nur einmal und dann nie wieder. Manche kommen nur wenn das Wetter schön ist und andere kommen immer nur an ein und dem gleichen Tag in der Woche. Das kann ich aber alles schön von meinem gemütlichen Fensterplatz aus erkennen und da das Wetter nicht immer verlockend ist, verlasse ich meinen Fensterplatz auch manchmal nur für die nötigsten Dinge des Lebens - wenn Sie verstehen was ich meine. Ob ich faul bin? Vielleicht sieht es so aus. Tief in mir drin spare ich aber nur all die Energie um für den einen Tag gerüstet zu sein, an dem es heißt, daß Tina endlich ihre Famiie gefunden hat, die sie so liebt wie sie ist und nicht aus diesem sturen Tigerle eine zahme Kuschelmaus machen will. Dann sage ich Ihnen, dann bin ich schnell wie der Blitz, denn dann lohnt es sich ja. Doch bis dahin konzentriere ich mich auf das Beobachten.
Und ich konnte in den letzten 2 Wochen immerhin erkennen, daß unser Katzen-Kindergarten zwar kleiner geworden ist, aber zum Beispiel gerade Karla immer noch bei uns ist. Mag das am Fell liegen? Fellpflege übernehmen wir Katzen ja an und für sich selbst, aber bei Karla ist schon ein wenig menschliche Hilfe von Nöten. Schreckt das ab? Ich weiß es nicht! Davon abgesehen ziehen 2 Katzen-Kinder aus und 8 neue Katzen-Babys werden unseren Menschen in die Hände gedrückt. Glauben Sie mir, unsere Quarantäne Station ist nicht umsonst schon wieder sehr voll. Auch haben unsere Menschen Katzen-Kinder der unterschiedlichsten Alterklassen zu Hause auf Pflege. Wenn die Kleinen ohne Mama zu uns kommen, dann brauchen sie die Hilfe unserer Menschen, um über die Runden zu kommen. Das ist sicherlich sehr anstrengend und ich empfinde es als Ehre, daß diese Menschen unsere Menschen sind.
Aber es gab Gott sei dank auch bei den erwachsenen Katzen ein paar Auszüge. Jutta und Alice haben ihre jeweiligen Familien gefunden und - hier wäre ein Trommewirbel angebracht - Lexa und Syd sind zusammen ausgezogen! Ja, Sie haben richtig gelesen. Unser Dreamteam darf zusammen bleiben und endlich zusammen ein tolles Katzenleben beginnen. Das freut mich sehr, auch wenn ich damit meiner Story über "Katzen-Aids" nicht näher gekommen bin. Gut, also habe ich mich an meinen Nachbarn gewandt, den etwas maulfaulen Karlo und ihn gefragt, was er so erzählen kann. Ich hatte nicht mit seiner Geschichte gerechnet. Karlo ist krank. Kein "Katzen-Aids" aber dafür Lymphom im Endstadium. Er weiß das sagt er. Es ist erstaunlich, wie er damit umgeht und überhaupt, daß er weiß, wie krank er ist. Ein Lymphom ist ein Tumor - ein sehr häufiger Tumor bei Katzen. Je mehr ich hier für das Tagebuch recherchiere, um so glücklicher bin ich über mein bisheriges Leben. Karlo führt ein Leben auf Zeit, einen Kampf gegen die Zeit, gegen das bißchen Zeit, welches ihm wohl noch bleibt. Aber er ist nicht traurig, er ist hoffnungsvoll noch eine Familie zu finden, die den Weg mit ihm geht und ihm hilft. In seinem Fall war es sein großes Glück, daß er gefunden und hier im Tierheim abgegeben wurde. Wer weiß, wie es ihm allein da draußen ergangen wäre. Hier sorgt man sich um ihn und kümmert sich liebevoll um ihn. Tja und was soll ich sagen, ich hatte gerade mit Karlo mein Gespräch abgeschlossen, da kamen Menschen, die nur wegen ihm zu uns kamen! Nur wegen Karlo! Diese Menschen haben seine Geschichte gelesen und sind extra zu uns gekommen, um Karlo seinen Traum zu erfüllen! Was soll ich sagen? Karlo ist ausgezogen.
Aber ich wollte Ihnen trotzdem erzählen, daß ich mich mit ihm unterhalten hatten und davon abgesehen ... glauben Sie ja nicht, daß hier alle Katzen krank sind. Schauen Sie sich doch mal zum Beispiel Sydney an! Gesünder kann eine Katze kaum aussehen! Oder Rosa im Mietz-Haus! Und auch unsere vielen Neuzugänge im Katzenhaus sind zum Großteil einfach nur kerngesund und Gott weiß warum ihre Besitzer sie nicht vermissen und nicht mehr haben wollen. Aber zu den Neuzugängen werde ich erst im nächsten Eintrag kommen, denn das ist eine ganze Seite für sich allein!
Aber beim Gedanke "Fundtier" fällt mir wieder eine Frage ein, die mir noch keiner hier beantworten konnte! Wie kann ein großer schwarzer Hund wie Nele verloren gehen? Wie kann man nicht feststellen, daß sie weg ist und wie kann man diese umwerfende Hundedame nicht vermissen? Ich verstehe das einfach nicht. Ich hoffe sehr, daß Nele bald ausziehen darf, denn bei all der Größe und all dem Getue, welches sie manchmal an den Tag legt, ist sie doch eine ganz zarte Seele, die ein paar Streicheleinheiten und Liebe sucht.
Ja, ich weiß, das könnte ich hier von jedem Bewohner sagen, zumindest das mit Streicheleinheiten und Liebe, aber bei Nele sieht man das nicht auf den ersten Blick. Wenn sie so da sitzt und einen anstarrt. Aber sie ist eine ganz sanfte Hundedame. Es würde auch sicherlich kaum einer vermuten wie unendlich gerne Bella kuschelt, wenn sie am Gitter steht und bellt. Oder wie geschickt Sammy sich beim Hundesport anstellt.
Der erste Blick ist oftmals ein zu schneller Blick, der die Feinheiten nicht zeigt. Die meisten Besucher schauen unsere Hilde an und empfinden Mitleid und sehen sie als nicht kompletten Hund an. Warum ist Hilde kein richtiger Hund? Sie springt und bellt und beobachtet uns Katzen im Außenbereich ganz genau, wenn Sie im Auslauf ist. Sie sabbert und hechelt, also in meinen Augen und nach meiner geschätzten Erfahrung ist Hilde ein ganzer Hund und noch dazu ein ganz toller!
Wolfi sieht auf den ersten Blick aus wie ein Wolf und dennoch ist er ein Hund. Auch wenn er sich selbst gerne als einen sehr außergewöhnlichen Hund ansieht, weil seine Rasse eher selten ist, so ist er doch ein Hund - zwar in manchen Belangen mehr Wolf als Hund, aber letztlich doch auch einfach nur ein Hund auf der Suche nach Respekt, Anerkennung und Liebe.
Aber er hat es erkannt und das sehr schnell - wir alle hier müssen das zeigen, was uns anders macht, dann haben wir bessere Chancen Menschen auf uns aufmerksam zu machen. Der erste Blick entscheidet leider viel zu viel, wenn man mit menschlichen Augen durch die Welt geht.
Leicht fällt es einem Hund wie Fynn, der allein schon mit seinem weißen Fell auffällt oder eben Nele mit ihrer Größe oder Scooter und Boris im Mietz-Haus mit ihrem wundervollen silbergrauen Fell .... Menschen mögen das Außergewöhnliche, also suchen wir ein Alleinstellungsmerkmal, das uns zu etwas "Besonderem" macht, um die Chance zu haben, mehr von uns zeigen zu dürfen - einen zweiten Blick wert zu sein.
Lassen Sie mich, die ich ein derartiges auffälliges Merkmal nicht habe, etwas klar stellen: jeder Bewohner hier ist mehr als nur etwas Besonderes! Jeder Bewohner hier hat bis hierher überlebt! Jeder Bewohner hier hat für sich entschieden, diese Chance zu nutzen! Jeder Bewohner hier ist unverwechselbar und eigen - manchmal nicht sofort offensichtlich und auf den ersten Blick zu erkennen, aber jeder Bewohner hier hat mehr als einen zweiten Blick verdient.
Teilen Sie uns, bewerben Sie uns, kommen Sie uns besuchen - seien Sie Teil etwas ganz Besonderem.
Ihre
Tina
Bürgerreporter:in:Sabine Pollok aus Dillingen |
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