Lange verschollener Physikatsbericht zu Höchstädt liegt nun in Buchform vor
Es war eine kleine Sensation, als Anfang 2008 der Physikatsbericht von Höchstädt an der Donau als Zufallsfund im Gemeindearchiv Blindheim wieder entdeckt wurde. 2002 wurden bereits die "Volks- und landeskundlichen Beschreibungen aus dem Landkreis Dillingen" veröffentlicht. Der Band edierte Physikatsberichte, also Amtsarztberichte, der Landgerichte Bissingen, Lauingen, Dillingen und Wertingen von 1858 bis 1861. Der Bericht von Höchstädt war zu dieser Zeit verschollen. Auch er liegt nun als Edition vor und wird im Rahmen einer Buchpräsentation am Montag, 14. Juni, um 20 Uhr im Heimathaus Blindheim (Landkreis Dillingen) der Öffentlichkeit vorgestellt.
Kaum eine andere historische Quelle erreicht die Lebendigkeit, Unmittelbarkeit und Direktheit der Beschreibungen, die die Amtsärzte der jeweiligen Landgerichte verfassten. "Die Berichte waren in offener, freier, zum Teil schonungsloser Subjektivität verfasst", sagt Bezirksheimatpfleger Dr. Peter Fassl. Auch schwierige soziale Situationen der Bevölkerung wurden darin deutlich gemacht: So schrieb etwa der Höchstädter Amtsarzt Dr. Karl Demleuthner: "Eine besondere Klasse Unvermöglicher bilden in Höchstädt die ledigen Weibspersonen, die es in ihrer Jugend versäumten, sich durch Sparsamkeit in einen beständigen Dienste ein Vermögen zu erwerben, sondern aus Gemächlichkeit dem wenig erträglichen Spitzwirken (eine einfache Webarbeit), oder dem Wechsel anderer zufällig sich darbiethender Erwerbsarten, und der Lüderlichkeit sich widmen. Sie fallen im spätern Alter den Wohlthätigkeitsanstalten zur Last."
Der Physikatsbericht zur Stadt Höchstädt und rund 20 weiteren Gemeinden wurde von Gerhard Willi von der Bezirksheimatpflege Schwaben und Jürgen Fiedler vom Stadtarchiv Wertingen transkribiert und kommentiert. Er bietet eine Fülle an Informationen über das Leben vor 150 Jahren: So wird nicht nur die historische Topographie einzelner Orte beschrieben, sondern auch die physische und intellektuelle Konstitution der Bezirksbewohner. Spezielle Untersuchungen zu Lebenserwartung, Krankheitsarten oder ein umfangreiches Tabellenwerk zur Verteilung des Wohlstands, zur Anzahl der Familien und Gebäude in den einzelnen Gemeinden vermitteln ein anschauliches Bild früherer Lebensverhältnisse. Darüber hinaus wurden Wohnungs-, Nahrungs- und Kleidungsweisen beschrieben. Weitere Themen waren Geburts- und Sterblichkeitszahlen, Beschäftigung der Bewohner, ihre Reinlichkeit, ihre Vergnügungen und Feste sowie das eheliche Leben. Grundlage der Beschreibungen, von denen es allein 42 für Schwaben gibt, war ein Fragenkatalog zu topographischen und ethnographischen Themen.
Bei der Buchpräsentation sprechen Blindheims Bürgermeister Wilhelm Gumpp, Dieter M. Schinhammer, Vorsitzender des Historischen Vereins von Dillingen an der Donau und Bezirksheimatpfleger Dr. Peter Fassl. Die Festrede zum Physikatsbericht Höchstädt hält Professor Dr. Marita Krauss, Lehrstuhlinhaberin für Bayerisch-Schwäbische Landesgeschichte an der Universität Augsburg.
Die Bezirksheimatpflege ediert seit 2002 in einem insgesamt achtbändigen Buchprojekt zusammen mit der Schwäbischen Forschungsgemeinschaft die Physikatsberichte aus ganz Schwaben. Neben den Dillinger Beschreibungen sind diejenigen aus Günzburg, Burgau und Krumbach bereits ebenfalls erschienen.
Buchinformation:
Jürgen Fiedler, Gerhard Willi: Volks- und landeskundliche Beschreibungen aus dem Landkreis Dillingen, Ergänzungsband. Der Physikatsbericht des Landgerichtes Höchstädt (1861) mit einem Beitrag von Bezirksheimatpfleger Dr. Peter Fassl, Augsburg 2010. (Veröffentlichung der Schwäbischen Forschungsgemeinschaft, Wißner-Verlag, Reihe 10: Quellen zur historischen Volks- und Landeskunde, Band 3.1) circa 140 Seiten, 19,80 Euro (ISBN 978-3-89639-761-4)
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