Chamer Tierschützer befragten Landratskandidaten
Anlässlich seines Besuches im Tierheim stellte sich Landratskandidat Gerhard Reisinger den Fragen der Tierschützer und des 1. Vorsitzenden des Tierschutzvereines für den Landkreis Cham e. V. und Tierheimleiter, Jörn Hund.
INTERVIEW
Jörn Hund: Wie stellen Sie sich künftig die Förderung des Tierschutzes im Landkreis vor und mit welchen Mitteln soll dies finanziert werden?
Gerhard Reisinger: Ich bin überrascht über die Vielzahl der hier untergebrachten Tiere. Klar ist, dass eine Versorgung, darunter fallen unter anderem auch die tierärztlichen Behandlungen, nicht allein von den Mitgliedsbeiträgen getragen werden können. Mir ist bewusst, dass angesichts der wirtschaftlichen Situation auch die Spendenbereitschaft stark zurückgeht. Eine angemessene Pro-Kopf-Pauschale oder die Umlegung eines Teils der Hundesteuer wäre hier eine Möglichkeit. Als Anhaltspunkt hierfür könnte man Vergleiche zu den Förderungen der Tierheime in den umliegenden Landkreisen vornehmen, da diese von den Größenverhältnissen gleich mit dem Tierheim Cham gestellt sind.
Jörn Hund: Welche Möglichkeiten ziehen Sie in Betracht, den Tierschutz im Landkreis verstärkt zu fördern?
Gerhard Reisinger: In vielen Fernsehsendungen wird immer über Tierschicksale aus dem Ausland berichtet. Auch bitten verschiedene Tierschutzorganisationen in Rundschreiben, deren Sitz weit ab vom Landkreis Cham entfernt ist, um Spenden. Sicherlich sollte grundsätzlich jedes Tier Hilfe bekommen, egal welche Organisation hierum bittet. Jedoch sollte genau geprüft werden, ob die Spende auch wirklich Tieren zu Gute kommt und die Organisation vertrauenswürdig ist. Schreckensbilder erregen zwar Mitleid, sollten einem jedoch nicht zu unüberlegten Spenden hinreißen lassen. Wie ich hier erfahren konnte, haben auch viele der Tierheiminsassen traurige oder grausame Schicksale hinter sich. Wenn jeder in seiner eigenen Umgebung dafür Sorge trägt, dass Tiere besser geachtet und behandelt werden, entsteht kein so großer Handlungsbedarf für die ansässigen Tierschutzorganisationen. In Sachen Tierschutz muß im Landkreis mehr Aufklärungsarbeit geleistet werden. Eine Möglichkeit wäre dies verstärkt in den Schulen zu unterrichten bzw. dort Informationsveranstalltungen durchzuführen. Vor allem müssen Verstöße gegen das Tierschutzgesetz härter bestraft werden.
Jörn Hund: Was halten Sie von einer Gründung eines Tierschutzrates im Landkreis unter Einbeziehung der entsprechenden Institutionen auf Landkreisebene?
Gerhard Reisinger: Diese Idee gefällt mir sehr gut. Viele Leute zeigen eine gewisse Scheu vor Amtspersonen. Den Gang zum Veterinäramt meiden Sie aus Angst, dass durch Anzeigen von Mängeln Probleme auf sie zukommen. Ein Gespräch mit einem Tierschutzbeauftragten, der das Anliegen dann an die entsprechende amtliche Stelle weiter gibt, würden sicherlich viele bevorzugen. Zudem würden den Beamten die Arbeit erleichtert, wenn sich ein Zwischenglied einschaltet und evtl. schon im Vorfeld einige Unklarheiten oder Irrtümer aus dem Weg räumen könnte.
Jörn Hund: Wie könnte man Ihrer Meinung nach die Tierschutzarbeit in Zusammenarbeit der einzelnen Gemeinden und des Landratsamtes fördern?
Gerhard Reisinger: In den Gemeinden ist meist bekannt, wenn Leute ihre Tiere schlecht halten oder sie zur unkontrollierten Zucht her nehmen, bzw. wenn jemand der Modekrankheit „Animal-Hoarding“ verfallen ist, oder zu verfallen droht.
Hier sollte das Übel bereits an der Wurzel gepackt werden, bevor es zu Massenbeschlagnahmungen und vermeidbaren Tierleid kommt. Wie ich hier im aktuellen Fall sehe, entstehen gerade bei Tieren aus Beschlagnahmungen in Folge von unsachgemäßer Haltung enorme Kosten durch tierärztliche Behandlungen und Arbeitsaufwand der Tierpfleger. Auch wäre es wünschenswert, wenn man im Bezug auf die unkontrollierte Katzenvermehrung Kastrationsaktionen in Zusammenarbeit der Tierärzte, der Gemeinden und des Landratsamtes durchführen würde. Nehmen die Katzen überhand oder haben sie sich mit einer Krankheit infiziert, die tierärztlich behandelt werden muß, werden sie ausgesetzt und kommen somit nicht selten als Fundtiere ins Tierheim. Es entstehen wesentlich weniger Kosten durch Bezuschussung einer solchen Aktion als durch die Verrechnung von Unterbringungs- und Behandlungskosten, abgesehen davon, das die meisten dieser Krankheiten unbehandelt für die Katzen tödlich verlaufen. Der Gang zum Tierarzt wird von vielen Menschen aus Kostengründen unterlassen. Einer Ausbreitung von Krankheiten und Infektionen ist Tür und Tor geöffnet und macht auch nicht vor dem wohlbehüteten Stubentiger halt.
Jörn Hund: Wie beurteilen Sie die soziale Stellung des Tieres in der Familie?
Gerhard Reisinger: Meine Kinder sind mit Haustieren aufgewachsen. Ich kann darüber nur positives berichten. Die Kinder lernen Verantwortungsbewusstsein und Rücksichtnahme. Auch lernen sie, dass mit dem „Familienmitglied Tier“ diverse Arbeiten verbunden sind, die gemacht werden müssen. Sie lernen, die Bedürfnisse des Tieres zu achten und zu respektieren und gegebenenfalls zum Wohle des Tieres auf dies oder jenes zu verzichten. Zudem bringt ein Haustier, artgerecht gehalten, Abwechslung in das Familienleben, da man sich täglich mit ihm entsprechend beschäftigen muß.
Jörn Hund: Was ist Ihre Meinung zu der sozialen Stellung des Tieres als Parnter?
Gerhard Reisinger : Wie ich hier an dem einen oder anderem Tierschicksal sehe und aus dem Gespräch mit Ihnen entnehmen kann, werden vermehrt Tiere abgegeben, die bezüglich der wirtschaftlichen Lage oder Umzug in eine Seniorenresidenz abgegeben werden mussten. Es stimmt mich traurig, dass Leute, die auf Grund ihres Arbeitsverlustes oder sonstiger Umstände in eine derartig missliche Lage geraten, dass sie ihren Partner Tier abgeben müssen. Oft ist gerade bei den sozial schwachen das Tier der noch letzte lebenswerte Aspekt. Arme, behinderte, einsame und alte Menschen sind bei der Integrierung in der heutigen Gesellschaft ohnehin schon gehandicapt. Der Partner Tier bietet ihnen oft den einzigen Halt in ihren Leben. Schön finde ich, dass die Menschen die ihr Tier aus welchem Grund auch immer im Tierheim abgeben müssen, Gelegenheit haben, es zu den Öffnungszeiten zu besuchen. Auch steht einem Besuch bei dem neuen Besitzer nichts im Wege, falls dieser nichts dagegen hat. Für unsere Altersresidenzen wünsche ich mir, dass es hier oder da eine gibt, die es ermöglicht, sein Haustier mit zu bringen. In anderen Bundesländern ist dies schon sehr häufig und man macht durchwegs gute Erfahrungen damit.
Jörn Hund: Was halten Sie von der Gleichstellung des Tierschutzes mit dem Umwelt- bzw. Naturschutz?
Gerhard Reisinger: Für mich ist das eine ohne den anderen nicht möglich. Auch Tierschutz ist eine Art von Umwelt- bzw. Naturschutz. Dies verdeutlicht unter anderem auch das Projekt Drachensee.
Jörn Hund: In einigen Firmen dürfen Tiere mit zur Arbeit gebracht werden, was halten Sie als Unternehmer von dieser Regelung?
Gerhard Reisinger: Ich kann mir einen Arbeitstag ohne meinen Hund Spike überhaupt nicht vorstellen. Er ist mein ständiger Begleiter. Spike wird von allen meinen Mitarbeitern geliebt und kleine Streicheleinheiten entspannen Hund und Arbeiter. Ich bin der Meinung, dass sich die Anwesenheit des Hundes sehr positiv auf unsere Mitarbeiter auswirkt. Natürlich muss der Hund entsprechend erzogen sein. Auch muss das Umfeld passend sein. Neben lauten Maschinen z. B. würde ich es nicht gestatten, sein Tier mitzubringen.
Jörn Hund: Wie stehen Sie zu den Vorwürfen, Hunde würden durch ihre Hinterlassenschaften Wege, Kinderspielplätze oder Wiesen verunreinigen?
Gerhard Reisinger: Klar ist, das solche Hinterlassenschaften nichts auf Kinderspielplätzen und Gehwegen zu suchen haben. Sicherlich ist auch kein Landwirt erfreut, wenn sein Futter durch Hundekot verunreinigt ist. Klar ist auch, dass Hunde eben auch ihre Notdurft verrichten müssen und dies halt beim Gassigang geschieht. Hier liegt es in der Verantwortung der Hundebesitzer. Ein gewissenhafter Hundeführer hat beim Ausführen seines Hundes immer entsprechende Beutel parat, um solche Hinterlassenschaften umgehend aufzusammeln und entfernen zu können. Leider gibt es immer wieder Menschen, die ihre Hunde unbeaufsichtigt laufen lassen, oder die sich nicht um die Beseitigung des Hundekotes kümmern. Die gewissenhaften Hundebesitzer haben unter all diesen zu leiden.
Jörn Hund: Immer wieder stehen Schlagzeilen in der Zeitung, dass Menschen von Hunden attackiert wurden. Wie ist Ihre Meinung zu solchen Meldungen?
Gerhard Reisinger : Solche Vorfälle sind immer schlimm, egal aus welchen Gründen sie passiert sind. Jeder dieser Vorfälle ist einer zu viel. Allerdings bin ich der Meinung, dass es nicht an den so genannten Kampfhundrassen liegt. Viel eher sehe ich das Problem am anderen Ende der Leine. Zum großen Teil liegt der Fehler auch bereits in einer gewollt selektiven Zucht. Jeder darf züchten, egal welches Zuchtziel er anstrebt. Schlägt man die Zeitung auf, so wird man schier überrollt von Inseraten, wo Hunde sämtlicher Rassen zum Kauf angeboten werden. Zum großen Teil zählt hier nur der Faktor Geld, über eine artgerechte Aufzucht während der Welpenzeit, bzw. in der so genannten Prägephase macht man sich keine Gedanken. Dies ist unter anderem auch bei Billigimporten aus dem Ausland der Fall. Auch darf jeder einen Hund halten und nach seinem Wunsch ausbilden. Fachmännischen Rat oder der Besuch von autorisierten Hundeschulen werden nicht für nötig gehalten oder aus Kostengründen abgelehnt. Und letztendlich ist es völlig egal, ob man von einem Rottweiler, einem der so genannten Kampfhunderassen oder von einem Golden Retriever angefallen wird. Jeder dieser Hunde kann unvorstellbaren Schaden verursachen.
Jörn Hund: Wie stehen Sie zu Bestrafungen gegen Verstöße zum Tierschutzgesetz?
Gerhard Reisinger: Grundsätzlich ist zu beachten, dass es sich bei Tieren um Lebewesen aus Fleisch und Blut handelt. Lebewesen, die fähig sind, Freude, Schmerz und Leid zu empfinden. Ich bin der Meinung, dass Verstöße gegen das Tierschutzgesetz härter bestraft werden müssen, weil wer fähig ist, einem Tier Leid zuzufügen, macht bei einer Überschreitung einer gewissen Hemmschwelle evtl. auch bald den nächsten Schritt und schreckt auch nicht vor Menschen zurück. Diesem muss vorgebeugt werden.
Jörn Hund: Was sagen Sie zu Förderungen im Ehrenamt nicht wirksamer Vereine?
Gerhard Reisinger: Meiner Meinung nach sollte jedes Ehrenamt gefördert werden. Sprechen wir hier von Tierschutz so hört man oft die Aussage, man solle sich doch erstmal um die Menschen kümmern, bevor man was für die Tiere macht. Aber wir sprechen hier von „Ehrenamt“ und hier kann sich jeder einsetzen, für was er will. Wer solche Äußerungen macht, der wird nicht aufgehalten, sich für seine Belange ehrenamtlich einzusetzen.
Jörn Hund: Wie kann man den Tierschutzgedanken in die Bildungseinrichtung integrieren?
Gerhard Reisinger: Da wie oben schon erwähnt, lernen die Kinder die mit Haustieren aufwachsen, Verantwortung und Rücksicht zu nehmen. Deshalb sollte das Thema Tierschutz ein fester Bestandteil in Kindergärten, Schulen und Jugendeinrichtungen sein. Ein Besuch im Tierheim wäre hier ein sehr guter Ausgangspunkt. Ebenso sollten die Besuche in landwirtschaftlichen Einrichtungen beibehalten werden, damit die Kinder auch die Nutztiere als schützenswert einstufen. Tierschutz betrifft ja nicht nur Haustiere. Gut finde ich auch die Schulprojekte, wo Schülerinnen und Schüler im Rahmen einer schulischen Maßnahme soziale Stunden im Tierheim ableisten.
Quelle: Tierheim Cham, www.tierheim-cham.de
Bürgerreporter:in:Gabes Jörg aus Reichenbach (BY) |
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