Maschinenbücher I: „Theatrum machinarum novum … von Mühl- und Wasserwercke…“, 18. Jahrhundert

http://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Theatrum_Machinarum_Novum?uselang=de
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Millionen greifen zu „Wikipedia – Die freie Enzyklopädie“, wenn sie am PC schnell per Mausklick etwas wissen wollen. Die großen, teuren, schweren und gewichtigen vielbändigen Lexika wie Brockhaus, Meyer, Encyclopedia Britannica u.a., lange Buchreihen mit Goldschnitt, sind inzwischen aufgegeben, werden nicht mehr gedruckt und stehen oft nur noch als Dekorationsgegenstände in Bücherwänden.
Als kleines Steinchen eines Wissensmosaiks taucht von ihren alten und bedeutenden lexikalischen Vorläufern höchstens noch die große „Encyclopédie“ von Diderot und d’Alembert im Zusammenhang mit der Französischen Revolution auf, mehr nicht.
Dabei gibt es noch andere bedeutende Lexikonwerke vor allem im 17. bis 19. Jahrhundert. Auch sie sind weitgehend vergessen, insofern zu Recht, weil diese nicht geeignet sind, unsere Gegenwartsfragen zu beantworten. Außerdem gibt es sie nur noch selten und sie sind – wenn überhaupt – nur mit großem Aufwand in wenigen großen Bibliotheken erreichbar, z.B. in der „Herzog August Bibliothek“ in Wolfenbüttel. -
„Was aber habe ich mit diesen Büchern zu tun?“ fragt sich der Müller und interessierte Mühlenfreund (die -freundin) spätestens an dieser Stelle.
Versuch einer Antwort: Mit der Entdeckung Amerikas 1492, mit der anwachsenden Bedeutung der Städte, mit den zunehmenden Auseinandersetzungen in der Kirche kam in die statische mittelalterliche Gesellschaft allmählich eine bisher ungekannte Dynamik. Der Dreißigjährige Krieg von 1618 – 48 warf zwar alles noch einmal für viele Jahre zurück, aber der Zug der Zeit war nicht aufzuhalten. Das machte sich z.B. auch im Bereich der Technik bemerkbar.
Wir wissen, dass der geniale Leonardo da Vinci über ein unfassbares Wissen und unglaubliche Kreativität verfügte und damals sogar Hubschrauber skizzierte. Es gab aber auch Techniker, Wissenschaftler, Erfinder, die im 16., 17., 18. und 19. Jahrhundert das technische Wissen ihrer Zeit beherrschten und in – bis heute - weithin berühmten Werken zusammenfassten, die unser Staunen hervorrufen, z.B. „Die Oeconomische Encyclopädie“, von 1773 bis 1858 erschienen und zum größten Teil von Johann Georg Krünitz geschaffen, eine deutschsprachige Enzyklopädie mit 242 Bänden!
Älter noch ist das Werk von Georg Andreas Böckler: „Theatrum machinarum novum, Schauplatz Der Mechanischen Künsten, von Mühl- und Wasserwercke“, Nürnberg 1661.
Schlecht übersetzt hieße es "Neues Maschinentheater" und "mechanische Künste". Das war ein Begriff für künstlich Erschaffenes, also eine Übersicht (Theatrum) über erfundene mechanische Dinge, über Maschinen. Es ist daher ein sog. "Maschinenbuch", in dem Beschreibungen enthalten sind von Wasser- und Windmühlen, von Pumpen, sogar von einem sich selbst drehenden Bratspieß.
Einen besonderen Reiz haben solche Bücher, weil in ihnen wunderbare Kupferstiche enthalten sind und das Beschriebene illustrieren. - Noch einmal also die Frage: Worin besteht jedoch für Mühlenfreunde der Nutzen solcher Werke?
Wenn z.B. das Motto der Bockwindmühle in Wettmar lautet: „430 Jahre Windkraftnutzung – 700 Jahre Windmühlentechnik“, womit ausgedrückt wird, dass sie 430 Jahre alt und heute in ihr eine 700 Jahre alte Technik zu sehen ist, dann finden wir diese Technik auch in solchen Werken dargestellt. Neben dem Genuss an diesen alten Büchern sind in ihnen also auch technische Darstellungen, die trotz ihres Alters im Bezug auf die heutige Bockwindmühle in Wettmar noch "aktuell" sind. Ja, und das Beste ist: Viele dieser Bücher sind online bequem über den PC – häufig als PDF-Dateien – erreichbar, z.B. Andreas Böckler, Theatrum machinarum novum:

http://echo.mpiwg-berlin.mpg.de/ECHOdocuView?url=/...

Aber einen Wermutstropfen gibt es für den einen oder anderen dennoch: Die Bücher sind zwar auf deutsch geschrieben, aber es handelt sich um Frakturschrift. Wer mit diesen ungewohnten Buchstaben und altertümlichen Formulierungen Probleme hat, dem bleiben „nur“ die wunderschönen Illustrationen, aber auch diese lohnen sich schon allein.

Bürgerreporter:in:

Reinhard Tegtmeier-Blanck aus Wedemark

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