Ben Becker liest Die Bibel
Am 2. Februar 2009 machte Ben Becker mit seinem aktuellen Projekt "Die Bibel", laut Ankündigung einer "gesprochenen Symphonie", in der sog. AWD-Hall in Hannover Station. Mit dabei hatte er das Deutsche Filmorchester Babelsberg, seine Zero Tolerance Band und einen 4-köpfigen Gospelchor als Background (im zweiten Teil der Aufführung sollten wir merken, dass diese 4 Mädels nur für Backgroundgesang viel zu schade sind). Aber der Reihe nach.
Es ist 20:00 Uhr, die Besucher der nicht ganz ausverkauften AWD-Hall haben ihre Plätze eingenommen, die Bühne ist dunkel, auf der wie ein Altar-Triptychon dreigeteilten Videoleinwand steht in gotischen Lettern das, was uns heute erwartet: "Die Bibel". Das Orchester unter Leitung von Peter Christian Feigel betritt die Bühne und beginnt mit der Ouvertüre - und dann kommt er, auf den alle warten: Ben Becker. Gekleidet ganz in schwarz, mit knielanger Jacke, betritt er das schwarze, mit einem goldenen Kreuz versehene Lesepult, ein Schluck Wasser noch, er beugt sich zum Mikro, und dann lässt er seinen Bass erdröhnen: "Am Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde ..." Ben Becker liest die Bibel. Natürlich nicht die gesamte, dafür würde - wer jemals das Buch der Bücher auch nur gesehen hat, wird mir beipflichten - dafür würde ein Abend, und sei er noch so lang, nicht ansatzweise ausreichen. Nein, Becker beschränkt sich auf einzelne Passagen: die Schöpfung reißt er an, Paradies und Sündenfall (ja, mit genau dieser Stimme, so stellt man sich vor, mit genau dieser Stimme hat Gott Adam und Eva aus dem Paradies vertrieben), die Geschichte von Kain und Abel, die Arche Noah, den Turmbau zu Babel, Auszug aus Ägypten, die Geschichten von Samson und Delila, von Hiob, von Jona und von Maleachi.
Im zweiten Teil, nach der Pause, geht es in gleichem Tenor weiter, diesmal mit dem Neuen Testament: Jesu Geburt , Johannes der Täufer, Jesu Versuchung, das Vater Unser (als Geschichte vorgelesen, mitnichten gebetet), verschiedene Heilungsgeschichten, Einzug in Jerusalem, das Abendmahl, die Nacht im Garten Gethsemane, Jesu Verurteilung, die Kreuzigung, die Auferstehung und schließlich die Offenbarung.
Ein "Best of Bible" gewissermaßen, Geschichten, die man wahrscheinlich schon seit der Kindheit kennt. Das eine oder andere Aha-Erlebnis gab es, zumindest bei mir, dann auch: Es war mir bisher z.B. überhaupt nicht bewusst, dass Samson nach Gaza ging, später von den Philistern wieder dorthin gebracht wurde, und dass, als er das Haus der Philister einriss und tausende von Menschen mit in den Tod riss, dies wohl das erste Selbstmordattentat der Geschichte war, dem, Gott sei es geklagt, viele folgen sollten (Richter 16, 1ff). So wiederholt sich die Historie. Oder die Bilder, die im zweiten Teil vor meinem inneren Auge erstanden, vor nicht langer Zeit selbst gesehen während unserer Israel-Reise: der See Genezareth, Kapharnaum, Jerusalem, der Garten Gethsemane ...
Unterbrochen wurde die Lesung hin und wieder durch Lieder, dargeboten von Becker mit Unterstützung seiner Zero Tolerance Band und des Gospelchors, Elvis Presley's Superhit "In The Ghetto" war eins davon, Johnny Cash's "Hurt" ein anderes, zum Schluss Dolly Parton's "He's Alive", das angeblich der Auslöser für dieses Projekt gewesen sein soll. Leider war von den Texten eigentlich kaum etwas zu verstehen, wobei die Frage war, ob es an Beckers Stimme lag, am Mikrofon, oder am Mix. Dafür war am Gesangsmikro bis zum Schluss ein deutlicher Brumm zu hören, ein Fehler, den ein gutes professionelles Soundteam eigentlich in den Griff zu bekommen in der Lage hätte sein sollen. Absolutes Glanzlicht, mit Gänsehaut-Garantie, die Version des Gospelchores des alten Simon & Garfunkel-Hits "Bridge Over Troubled Water", nicht schlechter der Gospel "Jesus Hears Every Prayer".
Das Spiel der Zero Tolerance Band, das muss auch noch gesagt werden, war über jeden Zweifel erhaben: einfach Klasse.
Das Deutsche Filmorchester Babelsberg spielte seinen Part (größtenteils eigens für dieses Projekt komponiert, aber auch eine Mahler-Adaption) professionell, wenn auch nicht zu Begeisterungsstürmen hinreißend. Aber sie sollten ja "nur" begleiten, und das taten sie hervorragend.
Ben Becker selbst legte eine stimmliche Glanzleistung hin, so etwas muss man erst mal zweimal knapp 1,5 Stunden durchzustehen in der Lage sein. Dennoch - ein wenig fehlte die Abwechslung; immer dieselben eine Spur zu ausladenden Bewegungen, häufig ein wenig zu viel Timbre und Pathos in der Stimme, nur dreimal änderte er die Artikulation: in der Geschichte "des in seiner Angst und Rachsucht so zutiefst menschlichen Jona" (Die Welt), meiner Meinung nach der beste Teil der Lesung, bei der Vertreibung der Händler aus dem Tempel, und schließlich bei der Kreuzigungsszene. Zumindest die Kreuzigungsszene fand ich persönlich allerdings etwas übertrieben dargestellt.
Was hat das Ganze nun mit Religion zu tun, oder mit Glauben? Gar nichts, und Becker hat auch nie, das muss man ihm zugute halten, etwas anderes behauptet. Die Bibel ist für ihn ein Fundament, auf dem er seine schauspielerischen und vor allem seine stimmlichen Fähigkeiten ausleben kann. Er ist schließlich Schauspieler, und nicht Wanderprediger. Das alles im Hinterkopf behaltend, war es ein angenehmer und auch bereichsweise beeindruckender Abend, der nur durch eine Sache durchgängig gestört wurde: durch die Echos von der Rückseite der AWD-Hall, die man vielleicht in den Griff bekommen hätte, wenn man die Rückwand komplett, und nicht nur teilweise, verhängt hätte.
Bürgerreporter:in:Detlev Müller aus Burgdorf |
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