Warum verlassen Sie Burgdorf, Herr Tluczynski?
Tomasz Tluczynski ist polnischer Handballnationalspieler und verstärkt seit 2005 das Handball-Zweitliga-Team der TSV Hannover-Burgdorf. Das Highlight seiner bisherigen Karriere war 2008 die Teilnahme bei den Olympischen Spielen in Peking. Zur neuen Saison wechselt er zum Bundesliga-Aufsteiger TuS Nettelstedt-Lübbecke.
Im E-Mail-Interview spricht er darüber, was die TSV auszeichnet, wie ihm das Leben im Olympische Dorf gefallen hat und was das Leben in Burgdorf auszeichnet.
Sie verlassen die TSV zum Ende der Saison und wechseln zum TuS Nettelstedt-Lübbecke. Gefällt es Ihnen in Burgdorf nicht mehr?
Natürlich gefällt es mir in Burgdorf noch, aber ich habe mich für die 1. Bundesliga entschieden. Zum Zeitpunkt, als ich mich entscheiden musste, war noch nicht klar, dass Burgdorf eine echte Chance für den Aufstieg haben kann. Deswegen werden wir zu dritt – meine Frau Patrycja und Tochter Maja – eine neue Stadt in unser Herz schließen müssen.
Sie spielen seit 2005 bei der TSV Hannover-Burgdorf. Was zeichnet den Verein in Ihren Augen aus? Und wo zwickt es?
Man kann schon sehen, dass wir uns kontinuierlich weiterentwickelt haben. Im Großen und Ganzen herrscht hier eine sehr gute Atmosphäre, um erfolgreich arbeiten zu können. Leider sind die Schritte sehr klein gewesen, da uns die finanziellen Mittel, um größere Fortschritte machen zu können, gefehlt haben. Sportlich haben wir meistens alles richtig gemacht. Ich denke, was das Marketing angeht, hätte man bestimmt mehr machen können. Das ist in dieser Region sicherlich nicht immer einfach. Wir haben unserem Hauptsponsor CP Pharma praktisch alles zu verdanken. Das Projekt 1. Bundesliga muss in Zukunft auf mehrere Standbeine verteilt werden, um den Ansprüchen gerecht zu werden.
Was zeichnet das Leben in Burgdorf aus – was werden Sie und Ihre Familie vermissen?
Burgdorf ist natürlich keine Großtadt wie Hannover. Wenn man nicht gerade trainiert, muss man schon ein bisschen überlegen, was man so machen will. Aber wir haben uns sehr wohlgefühlt, was die Wohnqualität angeht. Mit Familie und Hund war es hier perfekt. Wir haben ein bisschen außerhalb von Burgdorf gewohnt, aber dafür mit sehr viel Grün und Platz zum Spazierengehen. Wir werden unsere Freunde vermissen, die wir hier kennengelernt haben und mit denen wir sehr viel Spaß hatten. Aber das vermissen geht erst richtig los, wenn man erstmal weg ist.
Ein Highlight in Ihrer Karriere war die Teilnahme bei den Olympischen Spielen 2008. Wie unterscheidet sich das Leben im Olympischen Dorf vom Trainingsalltag und Leben in Burgdorf?
Das kann man gar nicht so richtig beschreiben, was man da erlebt. Es war auf jeden Fall sehr spannend, mit so vielen Sportlern und Stars gemeinsam zu leben. Aber dort war es schwierig, neue Freundschaften zu schließen, da einfach die Zeit für so etwas nicht da war. Die meisten waren sehr beschäftigt mit Sport gewesen. Ich habe sehr viele Sportler aus meiner Heimat Polen kennengelernt, was sehr interessant war. Man konnte einfach auch mal sehen wie andere trainieren. Jeden Tag ging es nur um Sport und ums Gewinnen, was zu Hause schon ein bisschen abwechslungsreicher ist. Ich bin lieber zu Hause mit meiner Familie, deswegen war es sehr schwer für mich, zwei Monate unterwegs zu sein. Aber es wird mich sicher mein ganzes Leben begleiten und mich an sehr schöne Momente erinnern.
Wo sind Sie eigentlich aufgewachsen?
Mit sechs Jahren bin ich nach Deutschland gekommen. Wir sind damals aus Polen nach Fredenbeck gezogen, da mein Vater dort einen Vertrag als Handballspieler unterzeichnete hatte. Dort bin ich eigentlich die längste Zeit gewesen, und ich habe dort auch meine ersten Trainingseinheiten als Handballer absolviert. Es war eine tolle Zeit, da Fredenbeck über sieben Jahre in der 1. Bundesliga gespielt hat. Mittlerweile bin ich über 20 Jahre in Deutschland und momentan in Burgdorf zu Hause. Leider muss man das ständige Umziehen als Sportler in Kauf nehmen.
Sie sind im Verlauf Ihrer Karriere schon weit herumgekommen. Welchen Ort würden Sie als Ihre Heimat bezeichnen?
Ja, ich bin schon sehr viel rumgekommen. Auch international durch die Nationalmannschaft, aber es gefällt mir sehr, neue Länder kennenzulernen. Als meine Heimat bezeichne ich immer noch mein Abstammungsland Polen. Meine Frau ist vor vier Jahren aus Polen zu mir gezogen, und wir fahren sehr gerne dort hin. Zumal es direkt an der Ostsee liegt. Es ist immer wieder schön, meine Familie zu besuchen und alte Bekannte zu treffen.
Wie oft schaffen Sie es, Ihre polnische Heimat zu besuchen?
Das hängt immer stark vom Sport ab, meistens geht das immer so zweimal im Jahr für einen längeren Zeitraum. Aber wenn ich zur Nationalmannschaft fahre, dann eben auch nach Polen, da die Lehrgänge fast immer dort stattfinden.
Wenn sich ein Spielerkollege überlegt, ob er zur TSV wechseln soll – mit welchen Argumenten würden Sie für den Verein und die Stadt werben?
Burgdorf ist sicherlich bis jetzt eine sehr gute Adresse gewesen, was das Handballspielen angeht. Auch finanziell war der Verein immer bemüht gewesen, den Verpflichtungen nachzukommen. Ich kann mich jetzt nicht an irgendwelche Probleme in dieser Richtung erinnern. Das ist für Profis schon sehr wichtig, da man einfach den Kopf voll und ganz für den Sport frei hat. Was die Stadt angeht, ist es einfach sehr überschaubar, aber sehr freundlich von den Bewohnern.
myheimat-Team:Annika Kamissek aus Bad Münder am Deister |
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