Neu in der Kamerasammlung: Zenza Bronica ETRS
Die Flexaret hat etwas in mir geweckt - die Lust aufs Mittelformat. Ich hatte länger darüber nachgedacht, ob es nun eine 6x7 werden sollte, oder eine 6x6, oder doch eine 4.5x6. Die 6x7 fiel recht bald raus - diese Trümmer sind einfach zu groß und zu schwer, um sie mit nach draußen zu nehmen; das sind eigentlich reine Studiokameras. Eine 6x6 habe ich ja schon mit der Flexaret - blieb also eigentlich nur 4.5x6. Die bekanntesten in dieser Größenordnung sind die Hasselblads der H-Serie, die Mamiya 645 und eben die ETR-Serie von Zenza-Bronica. Naja, alle auch nicht wirklich unter dem Stichwort Kompaktkamera einzuordnen. Bald hatte ich mich auf die "Broni" versteift - technisch sind die drei vergleichbar (wenn man davon absieht, dass die Mamiya kein Wechselmagazin bietet), und in den damaligen Vergleichstest lagen sie immer sehr dicht beisammen; die Platzierungen waren von der Gewichtung der einzelnen untersuchten Parameter abhängig. Die Broni finde ich aber einfach hübscher als die beiden anderen. Das Auge will ja auch was haben ... Und dann lief mir in der Bucht eines Tages ein ETRS-Body mit 120er-Magazin, Prismensucher und Polaroid-Magazin über den Weg. Für letzteres habe ich keine wirkliche Verwendung - das wird wieder seinen Weg in die Bucht finden - es sei denn, jemand von Euch da draußen möchte es haben. Wer also ein Polaroid-Magazin für eine Zenza Bronica ETR(S(i)) haben möchte, kontaktiere mich per PM.
Kommen wir zur Kamera. Die ETR-Serie von Zenza Bronica erschien 1976 auf dem Markt und wurde bis 2004 in verschiedenen Modellvarianten gebaut. Von 1976 bis 1979 war es die ETR, von 1979 bis 1989 hieß sie, bei einigen Verbesserungen gegenüber der ETR, ETRS, und von 1989 bis 2004 wurde die ETRSi gebaut, die gegenüber ihren Vorgängerinnen mit Spiegelvorauslösung, Bulb-Einstellung am Verschluss und, vorausgesetzt der AE-III-Prismensucher war montiert, mit TTL-Blitzmessung punkten konnte. Allen Modellen gleich war, dass sie Systemkameras waren. Nun bedeutet Systemkamera im Mittelformat(MF)-Bereich etwas anderes als im Kleinbild- oder Digitalbereich. Im MF heißt das nichts anderes, als dass die Kamera selbst, der Body, ein Würfel ist, der nichts weiter mitbringt als einen Spiegel, ein Bajonett, manchmal einen Verschluss und die Möglichkeit, viel Gedöns anzuschließen:
- ein Objektiv, natürlich
- einen Sucher (meistens einen Lichtschachtsucher oder einen Prismensucher)
- ein Film-Magazin
- Balgengeräte - na, einfach alles, was man sich so denken kann.
Zu den Objektiven gibt es nicht so sehr viel zu sagen, außer dass die Original-Zenzanon-Scherben zum Besten gehören, was es in der MF-Szene für Geld zu kaufen gibt. Außerdem enthalten die Objektive den Zentralverschluss. Das alles macht die Objektive leider ziemlich teuer - es sei denn, man hat, wie ich mit meinem 150er, viel Glück.
Die Sucher - nunja, fast schon eine Glaubensfrage. Was man auf jeden Fall nicht vergessen darf, ist eine Mattscheibe. Auch die kann man tauschen - es gibt recht viele unterschiedliche. Ein Lichtschachtsucher (bei meiner Flexaret ist so etwas zu sehen) hat den Vorteil, dass die Kamera nicht in Augenhöhe gehalten werden muss, was i.d.R. eine interessantere Motivansicht gibt. Außerdem ist man damit relativ flexibel - man kann die Kamera auf die Erde stellen und muss sich nicht dahinter in den Dreck legen, es reicht, wenn man in die Hocke geht. Man kann die Kamera über Kopf halten und trotzdem das Motiv anvisieren. Nachteile hat er natürlich auch - der Lichtschacht gibt ein seitenverkehrtes Bild der Realität, eine Sache, an die man sich gewöhnen muss. Und wenn man, beim 4.5x6 Format, hochkant (also im portrait mode) fotografieren will, bricht man sich einen ab. Bei einer 6x6-Kamera ist das natürlich irrelevant.
Bei einem Prismensucher hat man diese Probleme natürlich nicht. Bei der ETRS hat der Prismensucher, zumindest in der Variante ab AE-II (wie bei meiner), den Vorteil, eine Blendenautomatik zu bieten. Diese Funktion muss ich mit meiner "Broni" allerdings noch ausdiskutieren, zur Zeit funktioniert das alles "nur" im manuellen Modus. Gut, kann ich auch mit leben ...
Die Film-Magazine: I.d.R. bieten MF-Systemkameras auch auswechselbare Film-Magazine. Das bedeutet, dass man das Magazin und somit den Film auch wechseln kann, wenn noch nicht alle Bilder verschossen sind. Ein unschätzbarer Vorteil, wenn man mit unterschiedlichen Filmen (Farbe oder s/w) oder unterschiedlichen Formaten (4.5x6, 6x6 oder gar Kleinbild oder Polaroid) unterwegs ist. Um keine ungewollten Belichtungen zu riskieren, wird das Magazin vor dem Wechsel mit einem Schieber ("dark slide") verschlossen. Ohne diesen Schieber kann man das Magazin nicht abtrennen, und deshalb kann ich auch nicht den Würfel als Würfel darstellen: Der Schieber fehlt leider bei meiner Kamera. Dann werde ich mir eben einen selbst bauen ...
Der Verschluss befindet sich im Objektiv und ist ein Seiko-Zentralverschluss mit Zeiten von 8-1/500 sec. + T; letztere Einstellung ist am Objektiv schaltbar.
Das ist eigentlich schon alles, was zu der Kamera zu sagen ist - außer, dass sie, trotz des kleineren Formates, ein riesenschwerer Trümmer ist (1900 g mit der 150mm-Optik, die allein schon 640 g auf die Waage drückt). Unauffällig fotografieren ist damit nicht, aber es macht Spaaaaaß ... :)))
Wie immer zum Schluss noch ganz kurz etwas über die Firma Bronica. Das Unternehmen wurde 1958 in Japan durch Zenzaburo Yoshino gegründet. Der Name Bronica soll von der in den USA populären Kodak Brownie Camera herrühren, ein Modell, dass es in den 50er Jahren samt eingelegtem Film für 1 $ gab. So billig war eine Zenza Bronica allerdings nie ... ;-) 1995 "frühstückte" der Objektivhersteller Tamron die Bronica Co. Ltd., 2004 dann wurde die Kamerafertigung mit der letzten ETRSi eingestellt.
Ohweh - nun ist das ein halber Roman geworden. Der geduldige Leser, der bis hierhin ausgehalten halt, wird nun noch mit ein paar Fotos "belohnt". Ok, die anderen auch ... ;-)
Bürgerreporter:in:Detlev Müller aus Burgdorf |
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