Der erste Schritt ist schwer...

Dieter Göbels | Foto: Silvia Göbels

Eine Geschichte aus dem Leben, von Dieter Göbels.
Wie wird man Seemann?

Die erste Reise war angenehm,……; so beginnt ein Lied aus dem Repertoire, dass wir im Shanty- Chor singen. Und tatsächlich hat sich so meine erste Reise auf großer Fahrt abgespielt.
Eigentlich wollte ich mich in Hamburg nur mal erkundigen, wie das so geht, wenn man zur See fahren will. Auf dem Arbeitsamt hat man mir sehr viel und ausführlich die Sonnenseiten und die Vielfältigkeit der Seefahrt erklärt. Es war faszinierend. Auf die Frage wie ich nun dazu käme, sagte der gute Mann vom Arbeitsamt:“ Du brugst a`niet Ship, was willste denn fahren, Tanker, Bullcarrier, Trawler oder was? Ich hatte doch keine Ahnung, kannte ja die meisten Schiffstypen auch nicht. Was würden sie mir denn empfehlen? Fragte ich ihn schüchtern. Er schlug mir ein Kombifrachter auf Trampfahrt vor: Oder willste lieber auf Linie Ostindien fahren. Nee, nee meinte ich, dann doch lieber Trampfahrt; wobei ich mir auch darunter ehrlich gesagt nichts vorstellen konnte.
Sogleich telefonierte er mit einer Reederei, die mir auch prompt einen Job als Ing. Assistent zusagte, müsste mich aber sofort entscheiden…..Ich nickte zustimmend, wusste aber nicht was jetzt auf mich zukam. In Ordnung sagte der nette Mann vom Arbeitsamt. Dann beginnt jetzt deine erste Reise. Du musst aber erst noch zum Gesundheitsamt und dir eine Bescheinigung für die Tauglichkeit auf großer Fahrt ausstellen lassen; dauert nur gut eine halbe Stunde. Wenn du die hast, gehst du zur Reederei mit deinem Seefahrtsbuch und unterschreibst deinen Heuervertrag und los geht`s.
Gemacht, getan, nach ca. 2 Std. stand ich im Büro der Reederei mit einem etwas flauem Gefühl in der Magengegend. Die Leute dort waren sehr freundlich, machten den Papierkram fertig und drückten mir auch gleich ein Ticket nach Antwerpen in die Hand. Mich traf der Schlag. Was soll ich in Antwerpen? fragte ich die nette Dame vom Reedereibüro. Sie lächelte mich etwas mitleidig an und sagte: Das Schiff liegt noch bis morgen Abend dort, sonst müsste ich nach Le Havre fahren und dort einsteigen. Also, der Zug fährt in knapp 1,5 Std . Sie haben ja noch Gelegenheit etwas Einzukaufen, vielleicht noch ne Hose und ein paar Hemden oder so, das ich rein gar nichts dabei hatte, sah sie sofort. Sie erkannte meine Ratlosigkeit und gab mir noch ein paar Tipps was man noch bräuchte.
Um ca. 17 Uhr saß ich im Zug von Hamburg nach Antwerpen und mir war sauschlecht, ja mir war mehr zum heulen zumute als zum lachen. Was mir so alles durch den Kopf ging; heute morgen noch war ich als wohlbehüteter Knabe Zuhause und sponn mit meinem Freund rum, dass ich irgendwann einmal zur See fahren würde. Jetzt sitze ich hier im Zug allein und habe eine scheiß Angst. Was ist das wohl für ein Schiff? Auf einem Foto habe ich es ja bei der Reederei schon gesehen, aber wie finde ich es? Woher wissen die dass ich komme? Tausend Dinge gingen mir durch den Kopf. Alles hätte ich dafür gegeben, wenn ich das rückgängig hätte machen können. Noch nie war ich alleine weg; man ging`s mir elendig.
Plötzlich ging die Abteiltür auf und ein Mann mit einem Koffer setzte sich mir gegenüber. Er war so Mitte 30, ziemlich blass und blondgelockt. Wo der wohl hin will? dachte ich so und war froh nicht allein in diesem Abteil durch die Nacht fahren zu müssen. Auch er schaute mich eine Weile lang an. Na, fährst du auch nach Antwerpen und heuerst an? fragte mich mein gegenüber. So kamen wir in`s Gespräch und es stellte sich heraus, dass auch er auf einem Schiff anheuerte. Allerdings war es von einer anderen Reederei. Er war Norweger; wir verstanden uns auf Anhieb. Als ich ihm sagte, das dieses meine erste Reise werden sollte, grinste er einwenig. Er hat mir so viel von der Seefahrt und allem drum und dran erzählt, das die 4,5 Std. Bahnfahrt wie im Fluge vergingen.
Mir ging es jetzt zusehends besser. Ich fühlte mich auf einmal wie ein Seemann……Mit der Taxe fuhren wir gemeinsam zum Hafen, ab da trennten sich unsere Wege. Das Taxi hielt genau vor meinem Dampfer. Ich bezahlte und stieg aus. Jetzt kam wieder dieses mulmige Gefühl; ich war wieder allein. Das ganze Panorama eines Hafens, in gleißendes Licht getaucht ein riesiges Schiff und dann der Krach der Hafenkräne und des Ladebetriebes ließen mich erstarren. „ Bist du der neue Assi?“ rief eine Stimme oben vom Schiff. Ich erschrak, der meinte mich, aber woher…..Ja, sagte ich mit einem riesen Kloß im Hals. Komm an Bord, das Fallreep ist dahinten. Da das Schiff so lang war hatte ich es nicht gleich gesehen; eh, was ist ein Fallreep überhaupt und schaute in die Richtung in die der Matrose zeigte. Jetzt verstand ich`s; es ist eine Art Treppe. Mit sehr zittrigen Knien ging ich an Bord, das erste mal auf so einem riesen Eimer und ich sollte dazugehören. Ab jetzt begann eine neue Welt.

Bürgerreporter:in:

Waldemar Kiefer aus Burgdorf

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