Balticconnect- Anschlag
Und wieder führt die Spur nach Moskau
Wegen der finnischen Ukraine-Hilfen und dem Beitritt zur NATO sieht sich Finnland von der Regierung in Moskau zunehmend feindlich behandelt. Das teilte der finnische Geheimdienst Suojelupoliisi (Supo) in seinem jährlichen Sicherheitsbericht mit. Demzufolge bereite sich Russland auf "Schritte gegen Finnland" vor.
Beispiele dafür seien etwa die Schließung des finnischen Generalkonsulats in St. Petersburg und eine negative Berichterstattung über Finnland in russischen Medien. "Russland behandelt Finnland derzeit als feindliches Land", heißt es im Supo-Bericht. Finnland steht seit März 2022 als EU-Mitglied auf der russischen Liste "unfreundlicher Staaten".
Ein Vorfall an einer Gaspipeline zwischen Finnland und Estland versetzte jetzt am Sonntag die Behörden in Alarmbereitschaft. Die Betreibergesellschaften meldeten einen ungewöhnlichen Druckabfall. In der Folge stoppten die Gesellschaften den Gastransport zwischen den beiden EU-Staaten, wie die Deutsche Presse-Agentur mitteilte.
Der Vorfall ruft Erinnerungen an die Zerstörung der Pipelines Nord-Stream I und II hervor, die ebenfalls in der Ostsee liegen. Mit einem kleinen Unterschied: Dieses Mal kreuzte dort keine von Ukrainern gecharterte Segelyacht, die eine schnelle Aufklärung versprechen würde.
Am Sonntagmorgen meldete die Betreibergesellschaft Gasgrid einen ungewöhnlichen Druckabfall in der Pipeline Balticconnector. Mittlerweile steht fest, dass der Druckverlust auf ein Leck in der Pipeline zurückzuführen ist. Der betroffene Offshore-Abschnitt im Meer ist knapp 42 nautische Meilen lang, was in etwa 77 Kilometer entspricht.
Der finnische Präsident Sauli Niinistö hatte bereits am Dienstag von einem gezielten Vorgehen gesprochen. Neben der Pipeline sei bei dem Vorfall auch ein Telekommunikationskabel beschädigt worden.
"Das Rohr selbst ist mit Beton bedeckt. Es sieht so aus, als ob jemand es seitlich herausgerissen hätte und der Beton an dieser Stelle gebrochen oder abgefallen wäre."
Finnland hatte bereits am Dienstag gemeinsame Untersuchungen mit den zuständigen Stellen in Estland angekündigt. "Es ist deutlich zu erkennen, dass diese Schäden durch eine ziemlich starke Kraft verursacht wurden", sagte der estnische Verteidigungsminister Hanno Pevkur am Mittwoch. Dass der mechanische Schaden an der Pipeline durch einen heftigen Sturm erfolgte, konnte bereits ausgeschlossen werden, hieß es von Seiten des estländischen Betreiber Elering. Die norwegische seismologische Forschungseinrichtung Norsar bestärkt den aufkommenden Verdacht eines Anschlags: Forscher des Instituts hatten zum Zeitpunkt der Beschädigung der Ostsee-Pipeline Balticconnector Anzeichen für eine mögliche Explosion nahe der Leitung verzeichnet. Am Dienstag kündigte das Institut weitere Analysen an.
Klar ist, dass Russland ein Motiv hat. Am Mittwoch äußerte sich der Kreml zum Vorfall an der Pipeline und wusch die Hände in Unschuld. Ein Kremlsprecher nannte die Vorkommnisse "alarmierend", wie die russische Nachrichtenagentur Interfax schreibt.
Erinnern wir uns zurück an die Explosionen rund um die North Stream Pipeline. Bereits kurz vor den Explosionen an den Rohren hielten sich für Unterwasseroperationen ausgerüstete russische Spezialschiffe an den dortigen Tatorten auf.
t-online berichtete exklusiv über den geheimen Konvoi, der wenige Tagen vor dem Anschlag die Tatorte ansteuerte. Internationale Recherchen bestätigten anschließend viele Details des Berichts. Zuletzt räumte auch die Bundesregierung ein, Informationen der Bundeswehr dazu an den Generalbundesanwalt weitergeleitet zu haben.
Durch skandinavische Medien rückte jetzt auch ein weiteres russisches Schiff in den Fokus, das schon mehrere Monate vor den Explosionen an den Tatorten operierte, wie Satellitenbilder und abgefangene Funksprüche belegen. Die rund 86 Meter lange SIBIRJAKOW ist als hydrografisches Forschungsschiff ausgerüstet für Unterwasseroperationen und begleitet häufig russische U-Boote in der Ostsee. Dafür ist sie unter anderem mit einem Mini-U-Boot ausgestattet. Den Recherchen zufolge ist sie Teil groß angelegter Bemühungen des Kremls, kritische Infrastruktur der NATO- Staaten zu kartieren.
Nun wurde bekannt, dass die SIBIRJAKOW sich in diesem Jahr offenbar auch dreimal für mehrere Tage im Bereich des neuen Lecks an der Balticconnector aufhielt. Das legt ein Bericht des polnischen Sicherheitsunternehmens Rochan Consulting nahe, das unter anderem die Bewegungen der russischen Flotte im Baltikum verfolgt. Der Bericht liegt t-online vor und beruht erneut auf abgefangenen Funksignalen, sogenannten Wetter- und Positionsberichten. Schiffsbewegungen der finnischen Marine, die t-online über öffentliche Positionsdaten nachvollziehen konnte, legen nahe, dass sich das Leck etwa in dem Bereich der Pipeline befindet, in dem auch die SIBIRJAKOW operierte.
Wie schon nach dem North Stream- Anschlag kann ich die t- online- Recherchen bestätigen. Die Positionsdaten konnte auch ich nachvollziehen und genau wie bei North Stream zeigen die Hinweise klar und deutlich Richtung Moskau. Wer jetzt noch an das "ANDROMEDA- Märchen" eines von Ukrainern gecharterten Segelboots glaubt, auf der dann auch noch passende Sprengstoffreste "Herzlich Willkommen, Fahnder!" rufen, dem ist kaum zu helfen.
Und da will ich das "Rechercheteam" von ARD, Süddeutsche Zeitung und DIE ZEIT gar nicht ausnehmen. Dieser Rechercheverbund veröffentlichte noch Ende September eine Reportage mit der Aussage: "Die Spuren der Tatverdächtigen führen in die Ukraine". Heraus kam allerdings nichts. Immerhin wies man im Schlusswort darauf hin, dass es sich bei der ANDROMEDA auch um eine False Flag Aktion Russlands handeln könnte.
Verteidigungsminister Boris Pistorius indes diktierte heute morgen am Rande einer NATO- Konferenz in Brüssel folgendes in die Notizblöcke der anwesenden Journalisten:
„Die Informationen, die ich habe, sind beunruhigend“.
Über Details solle nun in aller Ruhe im Kreis der Verbündeten gesprochen werden. Weitere Angaben wollte er nicht machen.
Muss er auch nicht. Die Balticconnect- Pipeline verbindet Finnland und Estland und gehört somit zu zwei NATO- Mitgliedsländern. Lässt sich zweifelsfrei eine russische Beteiligung an diesem Anschlag feststellen, ist es nachvollziehbar, dass der deutsche Verteidigungsminister beunruhigt ist, denn dann wäre das ein Angriff auf zwei NATO- Bündnisstaaten.
NACHTRAG:
In einem Handelsblatt- Interview vom 23.10.2023 äußerte sich Marinechef Jan Christian Kaack zu den Sabotageakten in der Ostsee:
Handelsblatt: Nach der Sprengung von Nord Stream haben Ermittler Sprengstoffspuren auf einem Segelboot gefunden. Kann ein solcher Sabotageakt von einer kleinen Jacht aus erfolgen?
Kaack: "Wir wissen bis heute nicht, wann die Sprengsätze angebracht wurden, das kann auch schon vor langer Zeit passiert sein. Die Pipeline liegt in 84 Meter Wassertiefe, wenn Sie dort mit Tauchern agieren wollen, haben Sie 15 Minuten Arbeitszeit. Ich halte es für schwierig, das von einem Segelboot aus zu bewerkstelligen. Ich will es nicht ausschließen, aber es gibt zumindest Fragezeichen in der Argumentationskette".
Bürgerreporter:in:Peter Gross aus Bochum |
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