Übernachtung mit Ruhrblick
Urlaub mit den Eltern? Kann ich mich gar nicht daran erinnern, dass die Eltern mit uns Kindern, meiner Schwester und mir verreisten - von was denn auch?
Einmal war Vater für vier Wochen von Zuhause fort, zur Kur im Schwarzwald. Jahre nach seinen schweren Unfällen in der Grube verordnete ihm der Arzt Erholung im Bergmannserholungsheim auf Bühler Höh. Natürlich nur mit Bewilligung der Krankenkasse und unter Zugabe von zehn Urlaubstagen.
Dass meine Schwester und ich wenigstens im Sommer an Ausflügen mit der Stadtranderholung teilnehmen konnten, machten Mutter und Oma möglich. Als ehrenamtliches Mitglied bei der Arbeiterwohlfahrt beaufsichtigte unsere immer zu Scherzen aufgelegte Großmutter zusammen mit zwei weiteren Helferinnen eine beachtliche Kinderschar. Korrekt, aber nicht streng meisterten sie ihren Job, die drei Damen von der AWO. Erkennungsmerkmal: Blütenweiße Schürze mit selbst aufgesticktem Emblem.
In meinen Erinnerungen an eine wirklich wundervolle Zeit, sehe ich mich als glückliches Kind beim Wettschwimmen in der Ruhr sowie Völkerball-Spielen auf ausgedehnten wilden Wiesen. Selbstverständlich war fürs leibliche Wohl aller Kinder mit einer warmen Mahlzeit gesorgt, eingenommen im Kameradschaftsheim.
Mutter bringt ihre Erinnerungen ans Kameradschaftsheim mit Zelten übers Wochenende in den Ruhrwiesen in Verbindung. Schwärmend erzählt sie heute noch von dem wunderbaren Ausblick auf die Ruhr. Mit Freunden von der Jugendgruppe „Falken“, ihren beiden Brüdern und Anderen, machten sie sich auf den Wanderweg zum beliebten Treffpunkt unterhalb der Burg Blankenstein.
Mir viel schwer zu glauben, dass eine Gruppe junger Leute, wahrhaftig vom Ausgangspunkt „Betriebsbahnhof Gerthe“, laut singend losmarschierte. Am Samstagmorgen in aller Herrgottsfrühe bewegte sich die fröhliche Wandertruppe von Kornharpen, Abzweig Laer, Wasserstraße, über die Königsallee in Richtung Ruhrtal. Glücklich traten natürlich die stolzen Besitzer eines Fahrrads in die Pedale und wer sich den Luxus erlauben konnte mit der Straßenbahn zu fahren, begab sich für fünfzig Pfennig mit der BoGeStra auf Abenteuerreise.
Mutti investierte ihr Vermögen lieber in die beiden älteren Brüder. Stillschweigen über heimliches Poussieren mit ihrem Freund zu bewahren, forderte nun mal einen Lohn. Großzügig wurden sämtliche Augen zugedrückt, wenn es sich um den letzten Groschen für den Fährmann handelte. Die Weiträumigkeit der Ruhrwiesen zu erforschen, verlangte nur einen Glockenschlag. Mit der Fähre lagen die für Mutter unvergessenen, bedeutungsvollen Wochenenderlebnisse nur einen Katzensprung entfernt. Geröstete Kartoffeln im Lagerfeuer, Gitarrenklang und Gesang waren so selbstverständlich wie Zusammengehörigkeit und Miteinander. Zwar von Urlaub keine Spur, dennoch auf der Spur von Freiheit und Abenteuer genossen sie im Einklang ein zufriedenes Leben.
Bürgerreporter:in:Hildegard Grygierek aus Bochum |
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