Der 4. Geburtstag - ( Herzklinik in Bad Rothenfelde)

All die Ängste und Sorgen meiner Frau, Verwandte und Freunde, kann man nicht mitteilen. Auch die eigenen nicht. Die Dankbarkeit, wieder eine weitere Lebensspanne geschenkt bekommen zu haben, schon.
Als mir Dr. med. Franz, Privatdozent und Leitender Abteilungsarzt der Kardiologe an der Schüchtermann-Klinik mitteilte, "Wir wagen den Eingriff", war ich sehr berührt. "So viel Mühe um mich, einem Staubkorn im Universum?" Er blickte mich an und meinte trocken: "Auch ich bin nur ein Staubkorn." Damit war die Sache geklärt.
Nachdem ich kaum noch 20 Schritte ohne Schmerzen in der Brust laufen konnte, suchte ich meinen Hausarzt auf. Mit 36 Jahren die erste Bypass-OP in Bad Oeynhausen, erblich bedingt, mit 5 Bypässen, wegen einer Herzstammstenose; 9 Jahre später die zweite Bypass-OP in Bad Rothenfelde, 2 weitere Bypässe. Ich hatte eine natürliche "Ich-möchte-es-nicht-mehr-wissen-Haltung" übernommen. Immer wenn ich zu einer Herz-Untersuchung ging, rückte der OP-Tisch näher. Die Herzszintigraphie im Januar 2015 bestätigte meine Befürchtung. Ich wusste nur nicht, dass es wieder so kritisch war. Bei minimaler Belastung wurde meine Herzhinterwand nicht mehr durchblutet.
Eine Woche später hatte ich meinen Termin zum Herzkatheter in der Schüchtermann-Klinik. Noch im Untersuchungssaal erklärte mir Dr. Franz meine Lage. Zuvor fragte er mich noch behutsam, ob ich die Wahrheit wissen möchte und ob ich damit umgehen könne? Was ich bejahte. Mein Herz würde nahezu nur noch von einem gut funktionierenden Bypass, der vor 19 Jahren gelegt wurde, versorgt. Der zweite Bypass sei an 3 Stellen hochgradig verengt. "Um mit einem Bild zu sprechen, ihr Herz, der Motor, funktioniert gut, aber die Zuleitungen sind tot. Ihre Herzkranzgefäße sind nahezu versandet.“ Er erklärte mir, dass die Versorgung mit Stents bei mir höchst risikoreich sei, geschweige denn von einer OP zu sprechen. Eine medikamentöse Behandlung wäre angezeigt, für die nächsten Jahre. Er schaute sich die Aufnahmen am Monitor noch einmal an. "Ich werde das morgen mit dem Chirurgenteam diskutieren. Sie sind noch so jung!" Ich muss wohl sehr gefasst, aber doch erschüttert dreingeblickt haben.
Ich nahm einen Schluck Kaffee. Zu meinem Leidwesen ohne Koffein. Dr. Franz schaute mich an. "Wir haben das Risiko eines Eingriffs abgewogen und meinen, dass die Chance einer Verbesserung ihrer Lebensqualität, die Waagschale zu ihren Gunsten nach oben steigen lässt. Wir werden Sie optimal absichern. In einem Hybrid-OP-Saal. Sie werden so vorbereitet werden, über die Leiste an die Herz-Lungen-Maschine angeschlossen, so dass, falls es Komplikationen gibt, das Chirurgenteam sie sofort übernehmen und operieren kann. Sozusagen den Stab wie bei einer Staffel übergeben.“ Er lächelte. „Für diesen Fall würde der Chirurg dann entscheiden, was zu machen sei." Normalerweise werden Stents bei vollem Bewusstsein platziert. Mein Herz wird schlafen. Der Besuch des Herz-Chirurgen auf meinem Zimmer und die Suche nach geeigneten Venen (Armvene oder rechte Brustaterie?) führten mir nochmal den Ernst der Lage vor Augen.
Als ich in den Vorbereitungsraum gebracht wurde, ging alles sehr schnell. Von der Einleitung der Narkose habe ich gar nichts mitbekommen. Im Aufwachraum tastete ich über meinen Brustkorb. Zu. Keine OP! 4 Stents konnten gesetzt werden. Es lief alles gut. O.k. ein riesiges Hämatom in der Leiste, wo der Zugang zur Herz-Lungen-Maschine war, aber ich konnte wieder beschwerdefrei Treppen steigen.

Das Wissen um Menschen wie Dr. Franz (stellv. für viele Ärzte und med. Personal) macht bescheiden und demütig. Das Wissen um die Zerbrechlichkeit des Lebens ebenso.

Bürgerreporter:in:

Achim Mihailo aus Bielefeld

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