Bericht aus Berlin...
10.09.2008
Bericht aus Berlin...
Gestern Abend in Kreuzberg:
Ein unscheinbarer Mann steht vor einem Zigarettenautomaten und weinte bitterlich. Auf die Frage Warum? schilderte er sein Leid. Er sei Raucher, der Tabakladen sei schon zu und weit und breit keine Tankstelle in Sicht; nur dieser Zigarettenautomat hier. Diesen könnte er aber nicht benutzen, da er keine Bankkarte habe. Eine Bankkarte habe er deshalb nicht, da er bei keiner Bank ein Konto eröffnen könne. Was hat ein Bankkonto und eine Bankkarte mit dem Zigarettenautomaten zu tun? Die Gesetzgebung ist schuld: Rauchen erst ab 18, Altersnachweis, Bankkarte dient zur Altersidentifizierung und oft auch zum Bezahlen. Man könnte ja auch den Führerschein zur Alterskontrolle benutzen, aber der Gute Mann hatte keinen solchen. Man hätte ihm ja gerne mit seiner eigenen Bankkarte in dieser Notsituation geholfen, aber: Dies ist gefährlich in den Zeiten des Datendiebstahls.
Durch diese Begegnung sehr nachdenklich hinweggehend, den passenden Artikel zu dieser soeben erlebten Tragödie in der Frankfurter Rundschau vor Augen....:
Gesetzesinitiative
Jeder hat ein Recht auf Girokonto
VON MARKUS SIEVERS
Artikel unter: http://www.fr-online.de/in_und_ausland/wirtschaft/...
... Eine halbe Millionen Menschen in Deutschland soll die Chance auf ein Girokonto erhalten, um ungehindert am Wirtschaftsleben teilnehmen zu können. Darauf zielt eine Gesetzesinitiative des Bundeslandes Bremen. "Wir brauchen eine gesetzliche Regelung, weil die Kreditwirtschaft freiwillig ihrer Aufgabe nicht nicht gerecht wird", sagte die Bremer Finanzsenatorin Karoline Linnert der FR. "Wer kein Girokonto vorweisen kann, wird weitgehend vom Wirtschaftsleben ausgeschlossen," kritisiert die Bremer Bürgermeisterin. Sie schätzt die Zahl der Betroffenen bundesweit auf 500 000.
... Da stößt der Hartz IV-Empfänger auf Probleme bei der Wohnungssuche, weil er den Vermietern keine Einzugsermächtigung geben kann. Eine Langzeitarbeitslose droht bei der Jobsuche zu scheitern, weil Arbeitgeber eine Kontoverbindung erwarten. So schildern Schuldnerberatungen die Nöte, die ein Leben ohne Girokonto bereitet. Wer auf Alternativen wie Bareinzahlungen und Überweisungen am Schalter ausweichen kann, zahlt wegen der happigen Gebühren nach einer Untersuchung der Verbraucherzentrale Hamburg zwischen 40 und 80 Euro monatlich. "Viel Geld für Menschen mit geringen Einkommen", meint Linnert.
... Einen "enormen Bedarf" für ein Recht auf ein Girokonto sieht auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV). "Heute hängt es vom Wohlwollen der Banken ab, ob jemand ein Girokonto bekommt oder nicht", sagt VZBV-Expertin Christina Beck.
... Die Banken- und Sparkassenverbände, zusammengeschlossen im Zentralen Kreditausschuss (ZKA), setzen auf das Prinzip Freiwilligkeit. Bereits 1995 hat der ZKA eine Empfehlung zum Girokonto für jedermann ausgesprochen. Demnach sollen die Geldhäuser grundsätzlich jedem auf Wunsch ein Girokonto auf Guthabenbasis einrichten, sofern nicht schwerwiegende Gründe dagegen sprechen. Halten muss sich allerdings kein Institut an diesen Appell. Daher hat die Bundesregierung die Banken und Sparkassen aufgerufen, die Empfehlung durch eine Selbstverpflichtung zu ersetzen, die rechtlich bindend wäre. Die Branche weist selbst dies als überflüssig zurück, wie ein Sprecher des Bundesverbandes der deutschen Banken der FR erklärte. Ende 2007 hätten 2,1 Millionen Bürger die "Grundversorgung" in Form eines Girokonto auf Guthabenbasis genutzt. Die Empfehlung wirke also. Nur bei schwerwiegenden Gründen werde ein solches Angebot verweigert.
... Linnert verweist dagegen auf "positive Erfahrungen" in Belgien, das bereits einen Rechtsanspruch auf ein Girokonto geschaffen hat. Auch der Bremer Gesetzesentwurf setzt - wie die ZKA-Empfehlung - auf ein Guthabenkonto, bei dem Überziehungen unmöglich sind. Zudem sollen Banken "Nein" sagen dürfen, etwa wenn ihre Angestellten bedroht oder falsche Angaben gemacht werden.
... Die Bundesregierung hat sich zwar wiederholt unzufrieden über die ZKA-Empfehlungen geäußert. Dennoch zögert sie, Konsequenzen zu ziehen. Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) setzt stattdessen auf das Pfändungsschutzkonto, auch P-Konto genannt. Das soll 2009 kommen und in Not geratene Menschen vorm Verlust ihrer Bankverbindung bewahren. "Mit dem P-Konto erhält der Schuldner ohne aufwändiges und bürokratisches Verfahren einen automatischen Pfändungsschutz, der vermeidet, dass das Konto wegen der bevorstehenden Pfändung blockiert wird und die Bank deshalb das Konto kündigt", beschreibt Zypries die Absicht.
... Helfen kann dieses Gesetz, das sich in den parlamentarischen Beratungen befindet, allerdings nur, wenn jemand schon ein Konto hat. Für die ohne Konto dämpft die Union die Hoffnung auf mehr. Ihr finanzpolitische Sprecher, Otto Bernhardt, nennt die Forderung nach einem Recht auf ein Girokonto "populär und im Kern auch richtig, aber nicht praktikabel". Eine solche Zwangsmaßnahme greife stark in die Vertragsfreiheit ein und passe nicht zu einer Marktwirtschaft, so Bernhardt.
Ich werde mich jedenfalls tatkräftig dafür einsetzen, dass der Raucher in Deutschland und in der EU nicht länger von den Banken diskriminiert wird.
Beste Grüße aus der Hauptstadt
Ihr
OHscar
Bürgerreporter:in:OHscar ..... aus Berlin |
2 Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.