Besondere Raritäten unter den „Juwelen der Lüfte“ Teil 3: Die Zierliche Moosjungfer (Leucorrhinia caudalis)
Fortsetzung:
In den ersten beiden Teilen unseres Berichtes über die Moosjungfern wiesen wir darauf hin, dass wir diese extrem seltenen fünf Arten alljährlich einmal aufzufinden versuchen.
So hatten wir letztes Jahr in einem unserer Beiträge schon über die Zierliche Moosjungfer (Leucorrhinia caudalis) berichtet. Siehe hierzu: http://www.myheimat.de/bergheim/natur/eine-kaum-no...
Wenn man auf eine derart seltene und in ihrer Lebensweise fast einzigartigen Spezies exkursiert, sind noch längst nicht alle Unternehmungen von Erfolg gekrönt. Dies ist im Besonderen bei der Art der Fall, die wir nun noch einmal mit aktuellen und nahezu unmöglich zu erstellenden Aufnahmen hier auf „myHeimat“ zeigen.
„Nahezu unmöglich“ deshalb, weil die Tiere eine extrem hohe Fluchtdistanz zum Fotografen haben. Sie zählen zu den scheuesten Libellen überhaupt. Ein weiterer Grund findet sich im Lebensraum der Zierlichen Moosjungfern. Ihre angestammten Refugien sind in erster Linie die Schwimmblattzonen mittelgroßer saurer und mooriger Gewässer. Dort sitzen die Männchen auf den Blättern der Teich- und Seerosenfelder, die sich zum größten Teil außerhalb jeder Reichweite eines Kameraobjektivs befinden. Hier haben sie ihre Reviere, die sie gegen jeden Eindringling verteidigen. Die Weibchen der Art halten sich in sehr dichter, fast undurchdringlicher Ufervegetation gut versteckt.
Um die Seltenheit dieser Tierart einmal anders zu verdeutlichen, sei eine kleine Anekdote erlaubt:
Einer der besten und seit langer Zeit mit uns befreundeten Experten auf diesem Gebiet, ist heute 74 Jahre alt. Er betreibt seit über 40 Jahren Libellenforschung und ist eine Art Mentor für uns. Dieser Mann hat drei Jahrzehnte nach der Art gesucht, um ihre Bodenständigkeit nachweisen zu können. Als der dann, nach fast 30 Jahren zum ersten Mal eine Zierliche Moosjungfer schlüpfen sah, weinte er hemmungslos Freudentränen.
In der wohl „verrücktesten Libellensaison“ die wir seit vielen Jahren zu verzeichnen haben, hoffen wir natürlich auch die Zierliche Moosjunger wiederzufinden. Nachdem wir am Tag zuvor von Hitze und Wolkenbrüchen heimgesucht worden waren, stehen wir nun einmal mehr da draußen in der Wildnis, um nach sehr seltenen Tieren Ausschau zu halten. Dieses Mal ist die Ufervegetation eines recht großen Torfsees unser Ziel. Wieder ist es heiß und wieder gilt es sich durch ein Gelände zu bewegen, welches sonst nur den hier wild lebenden Vierbeinern vorbehalten ist.
Nach gut zwei Kilometern erreichen wir das Gewässer mit seinen ausgedehnten niedrigen Mischwaldzonen, Schilfgürten und Beständen von Riesenseggen, jener fast zwei Meter hohen Binsenart, die aus dem schlammigen sehr weichen Untergrund des Uferbereiches hochwächst und die direkte Sicht auf das offene Wasser erschwert.
Nachdem ein Großteil des Ufers mehr schlecht als recht begangen worden ist, entscheiden wir uns für zwei Stellen am Ufer, an welchem die jungen Kiefern mit ihren Ästen über das Wasser ragen. Die Zierliche Moosjungfer ist ein Ansitzjäger, wenn sie nicht gerade auf Teichrosenblättern sitzt, kommt sie vielleicht hierher? Jetzt nicht viel bewegen, sondern schauen und warten. Wir haben uns außerhalb unserer Rufweite postiert. Jetzt geht alles nur noch über Funk.
Es ist einfach unglaublich: Hier fliegen uns Arten „um die Ohren“ nach denen wir zu Hause vergeblich suchen, weil es sie dort einfach nicht gibt. Fledermaus – Azurjungfern setzen sich vor uns ab. Keilfleck – Mosaikjungfern kommen von der Seeseite her angeflogen und sonnen sich im Schilf. Die Kleine Königslibelle scheint alles unter Kontrolle zu haben. Ihre Jagdflüge flößen den anderen Arten Respekt ein, denn sie weichen ihr weit aus. Vierfleck, Spitzenfleck, Große Blaupfeile, Schilfjäger, Smaragdlibellen, Becherjungfern und Granataugen zu Tausenden; wer´s nicht gesehen hat, der glaubt´s einfach nicht.
Es ist nun Mittag: Die ohnehin schon hohe Dichte an Libellen nimmt immer mehr zu. Die Aktivitäten scheinen nun ihren Tageshöhepunkt erreicht zu haben. Es kommen immer mehr große Arten, die Edellibellen, hinzu. In der Luft herrscht ein regelrechter Krieg. Die Weibchen kommen paarungswillig ans Gewässer. Revierkämpfe, Kollisionen, Flügelgerassel, Bruchlandungen und Abstürze werden von uns beobachtet. Unter den Libellen ist Stress pur angesagt. Schwächere Tiere werden von den dominanten Männchen weit vom Wasser weg bis tief in den Wald vertrieben. Das alles mit einem Tempo, als gäbe es kein Morgen mehr. Sekunden später sind sie wieder da und ergreifen die Weibchen zur Paarung im Flug. Das was wir hier zu sehen bekommen, ist in unserer Literatur alles ganz anders beschrieben. Wir machen jetzt unsere eigenen Erfahrungen. Zum Teufel mit all dem, was in veralteten Büchern steht. Das hier ist neu! Jetzt kommt unsere Chance.
Die „Zierlichen Moosis“, die kleinen „Weißnasen“, werden von den großen Arten genauso in die Uferregionen gedrängt wie die anderen unterlegenen kleineren Arten. Hier sehen sie sich weit weniger Luftangriffen ausgesetzt, hier finden sie auch ihre Weibchen und genau hier lauern unsere Kameras.
Doch wer jetzt schon daran glaubt, dass wir gleich erfolgreich sind, sieht sich getäuscht. Die Tiere sind viel zu nervös und viel zu scheu.
Etwa zwei Stunden später. Der größte Teil der Edellibellen ist nicht mehr am Wasser. Es wird merklich ruhiger. Doch die „Ruhe“ täuscht. Jetzt entfalten die mittelgroßen und kleinen Arten ihre Möglichkeiten. Das diese uns nun erneut vorgeführten Manöver der „Kleineren Klassen“ richtig kraftraubend sind, soll uns zum Vorteil reichen. Einige Exemplare der Zierlichen Moosjungfer sind so nett und pausieren mit schnell pumpenden Hinterleibern, völlig außer Puste, direkt vor unseren Linsen. So vergehen weite gute zwei Stunden, bis wir einige Szenen aus ihrem Lebenszyklus, inklusive der Paarung dokumentiert haben.
Nun folgt der nicht minder anstrengende Rückweg. „Endlich“ in unserem „Basislager“ angekommen, wirkt eine Dusche, ein schönes Steak vom Grill und ein Kühles Bier wieder belebend. Beim Sonnenuntergang auf der Terrasse sitzend, werten wir am Laptop unsere Aufnahmen aus, von denen Ihr hier wieder einige sehen könnt.
Wir sind zufrieden….was für ein verrücktes Libellenjahr…und es ist erst Anfang Juni….
Hier ein kleines Artenprofil der Zierlichen Moosjungfer (Leucorrhinia caudalis):
Die Zierliche Moosjungfer hat ihren Verbreitungsschwerpunkt in Osteuropa. In Mitteleuropa ist sie, wie schon erwähnt, sehr selten und kann bis auf sehr wenige Ausnahmen und mit viel Glück nur noch in Ostdeutschland beobachtet werden. Gut gemeinte Eingriffe des Menschen, um etwa die Wasserqualität in ihrem Lebensraum zu verbessern hatten katastrophale Folgen, die beinahe zur Ausrottung der Art führte. Daher ist sie an vielen Orten verschwunden.
Auffallend bei der Art sind die leuchtend weißen Flügelmale und die weißen Hinterleibsanhänge. Ihre weiße Stirn ist wie für alle Moosjungfernarten typisch. Ähnlich, wie die noch seltenere Östliche Moosjungfer (Leucorrhinia albifrons) ist auch die Zierliche Moosjungfer teilweise mit einer blauen Wachsschicht bereift. Eine Verwechslung der Arten untereinander ist jedoch wegen dem Größenunterschied und dem keulig verdickten Hinterleib der Zierlichen Moosjungfer nahezu ausgeschlossen. Bei guter Witterung kann man die Tiere normalerweise von Mitte Mai bis Ende Juni, nur mit viel Glück und Geduld, meist nur mit einem guten Fernglas beobachten.
Wie immer bedanke ich mich schon jetzt für Eure Kommentare zu dem 3. Teil des Exkursionsberichtes ins Land der „Weißnasen“ und hoffe, dass Euch diese kleine Serie gefällt. Fragen zum Thema werden gerne beantwortet. Weiterführende Infos zu diesem und anderen Themen findet Ihr hier: http://waldschrat-online.de/
Für die nächsten Tage haben wir uns ein besonderes Ziel gesetzt: Die erneute Suche nach einer der seltensten Libellen der Welt…
Fortsetzung folgt.
Liebe Grüße an alle Natur- und Libellenfreunde und solche, die es noch werden wollen,
Willi, der „Waldschrat“
Bürgerreporter:in:H. - Willi Wünsch aus Bergheim |
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