Der Bi-,Ba-, Butzemann geht um: Geschichte und Gschichtln um die traditionellen Butzelarven von Hindelang, Thalkirchdorf und den Butz von Oberstaufen
Wer von Euch kennt dieses Kinderspiel hierzulande nicht mehr aus den Erinnerungen vom Kindergarten?
Alle Kinder sitzen im Kreis mit Blick zur (leeren) Mitte. Um sie herum schleicht ein weiteres Kind mit einem kleinen Säcklein, das es möglichst unbemerkt hinter dem Rücken eines der sitzenden Mitspieler deponieren soll. Merkt der Hintergangene dies nicht, muss er seinen Sitzplatz in der Gruppe freimachen und als Außenstehender/Außenseiter wiederum durch geschicktes und unbemerktes Platzieren des Säckleins bei einem anderen Gruppenmitglied dessen Platz zu ergattern. Dazu singen die Kinder das Lied: „Es tanzt ein Bi-,Ba-,Butzemann um einen Kreis herum-fidelbumm! Er rüttelt sich, er schüttelt sich, er legt sein Säckchen hinter dich...“
Eigentlich doch nur ein nettes Kinderspiel, oder? Aber ist das nicht auch typisches Rollenverhalten?
Fasst man den Vorgang verallgemeinernd zusammen, kann es im folgenden Lernprozess doch primär nur darum gehen, sich in eine Gruppe hinein zu dienen, indem man einen anderen durch Geschick (und später im Leben möglicherweise durch Verleumdung und Ausgrenzung) zum „Buhmann“ macht, in also ,wie man im Anglizismus sagt, „outet“.
Die Politik und Geschichtsschreibung kennt es immer wieder als eine Möglichkeit, dass man sich aussenpolitisch eine Feindfigur auf baut oder eine Gruppe im Staat vehement befeindet und sogar niedermacht, um von eigenen innenpolitischen Fehlern ab zu lenken. Die Zeit des Nationalsozialismus ist sicher ein besonders trauriges Beispiel dafür.
Aber schon auch im kleinen privateren Kreis wird man es schon öfter erlebt haben, dass ein(e) Arbeitskollege/in, sich den Gesprächen in einem Freundeskreis mit den Worten: „ Habt ihr schon gehört, die/der…..“ beginnt, um dann genüsslich über einen Abwesenden herzu ziehen. Wird man jetzt reagieren mit : „ Wirklich, ja erzähl doch mal!“, ist der/die Neue bereits ins Gespräch aufgenommen.
Was ist ein Butz, ein Butzemann? In der Lexikothek, in Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Butzemann ) findet man eine mögliche Verbindung zu „ bozen“ (schlagen, poltern, ein Poltergeist vielleicht?, ein Bozenmacher ist allerdings jemand, der Abgußformen für Puppenköpfe, standartisierte Charakterköpfe, herstellt- gibt es hier eine lange Leitung zur Rolle des Außenseiters) . Andererseits gibt es auch eine Verbindung zu verbutzen (mit b!!) als vermummen, verkleiden (langobardisch:Pauz), die durch Synonyme wie Mummelmann, Mummelputz, Mummpitz untermauert würde.
Ein Vermummter erzeugt in uns Angst vor dem Unbekannten und Fremden. Filmisch im „Herrn der Ringe“ mit den Schreckensreitern bestens in Szene gesetzt. Aber auch der Tod als Sensenmann, verhüllt unter der Kapuze, ist uns als Bildidee seit dem Mittelalter bestens bekannt.
Das dunkle Gesicht (?), unsichtbar im Schatten, erzeugt Angst, weil man seinen Gemütszustand nicht definitiv zuordnen kann und die mimischen Erkennungszeichen soweit also nicht positiv gedeutet werden können: kein freundliches Lächeln lädt zum Miteinander ein.
Somit war uns in früheren Zeiten natürlich vor Allem auch die dunkle Gesichtsfarbe, in der man weit weniger Details erkennen kann, abgrundtief suspekt. Auch hier bestätigt wieder ein Kinderreim: „Wer hat Angst vor´m schwarzen Mann“, die traurige Reichweite dieses Verhaltens.
Aber natürlich ist oft auch ein nur in Details von der Norm abweichendes Aussehen in früheren Zeiten Grund für Fremdenscheu gewesen. Wird diese Scheu aus politischen oder gruppenbedingten Zielen heraus aufgepeitscht, entsteht Fremdenhass. Diesen zu schüren, lenkt andererseits wieder von der eigenen Unzulänglichkeit ab. Heutzutage ist dies leicht am Beispiel der Rechtsradikalen nach zu weisen. Andere zu outen, lenkt vom Fehlen jeder geistigen Klarheit, also vom Fehlen der eigenen Intelligenz ab.
Die Scheu vor anderem Aussehen erleben wir auch bei unseren Kindern, dort aber meist verbunden mit einer ganz einfachen und offenen Neugier: Die Frau mit dem Verband, der Mann mit dem künstlichen Auge regen sofort zum kindlich naiven Fragen an, ohne bewusst aus grenzen zu wollen.
Erst wer selber oder in Gruppe seine Kinder, seine Familie, sein Hab und Gut schützen will, fängt an, zu mauern und stereotype Vorurteile auf zu bauen.
Früher hat hier viel die Zeit des Fasching, bei dem man aus der Rolle fallen darf, geholfen, Ängste ab zu bauen. Auch verlangt die Fasenacht in der Rolle eines Anderen die Möglichkeit, sich über die einzelnen Charakteristika des zu Karikierenden Gedanken machen zu müssen. Vieles wird dann als gar nicht so unerklärlich und anders verstanden. Der Aussenseiter rückt einem dann selbst näher, wenn man in seine Rolle schlüpfen will. Perspektivenwechsel ist hier quasi das Heilmittel gegen Fremdenscheu. Bleibt doch noch etwas Negatives haften, dann hat man in der grotesken Maske die Möglichkeit, den Störenfried im Dorfsystem, den Spiegel vor zu halten und die Meinung zu geigen. Manchmal können dann auch sogar bis zum nächsten Faschingstermin vom Außenseiter Beanstandungen ab gebaut werden.
Auf die Herkunft des Faschings aus den römischen Saturnalien, bei denen die Sklaven in die Rolle ihrer Herrn schlüpfen und diesen ungestraft die Meinung sagen durften, wurde an anderer Stelle hingewiesen.
So geschah es in der „aufgeklärten“ europäischen Gesellschaft, schon sehr schnell, dass z. B. die aus Italien über den Alpenkamm nach Tirol herübergewanderten Händler mit Ihren hölzernen Tragegestellen dort als Kranebitter, Vogelhändler etc. („ohne Ehr“) gefürchtet waren und beim Fasching als Maskentypen verspottet wurden. Ihr Aussehen wurde in diesen geschnitzten Holzlarven übel karikiert.
In der Schweiz wurden in der Gegend der Marchen die Fabrikbesitzer mit Nickelbrille und vom Geiz verbissenem Mund mit hängenden Mundwinkeln als Röllimasken hergestellt.
Die „blauen Jöiden“ in der bayerischen Rhön zeigen die Spottrolle, die man den jüdischen Viehhändlern aus der Sicht der „armen“ Ziegenhirten zusprach.
Die aus den nahen slawischen Ländern in früherer Zeit zureisenden Bärentreiber mit Ihrem Bären, werden zu gelbgesichtig fremd und vergrämt anmutenden Gestalten, die in der Auseinandersetzung mit dem kräftigen jungen Bären im Faschingsumzug die Rolle des alten Winters gegen den Frühling in Bärengestalt antreten müssen.
Aber auch schon der griesgrämige Alte aus der Mitte des heimatlichen Dorfes und die hakennasige Frau mit den "hässlichen" Warzen wurden so aus der Gemeinschaft ausgegrenzt und mit bösartigen Masken dem Fastnachtsspott ausgesetzt.
Gab es da jemand mit großen Ohren, oder jemand, der hinkte oder der aus dem Krieg ein Holzbein mitgebracht hatte, gab es jemand, der immer wieder weinen musste, oder eine größere Zahnlücke aufwies: Schon war ein Charakter geschaffen, der den Spott nach sich zog und zur Gestaltung einer Faschingsmaske anregte.
So findet man auch bei den sogenannten Butze-larven in Hindelang und Thalkirchdorf schon ab 1800 genau diese primären Spottgesichter wieder: „D´Blärrade“, d´Zahnlugade“ usw.
Auffallend ist dabei auch: D´r Napoleon, eine Maske, die zwar in nichts zwingend französisch charakterisiert war, ausser vielleicht mit einem etwas schmaleren Gesicht und einem breitgezogenen dünnen Bart. Bekannt ist aber, dass der Besitzer immer in einem verblichenen Feldmantel der französischen Armee auftrat, den wohl ein aus der Schweiz oder Tirol herüber geflüchteter Soldat, der den Anschluss an die glorreiche Armee noch finden wollte, in irgendeinem verlassenen Feldstadel zusammen mit seinem geschundenen Körper im Tod zurücklassen musste.
Den imposanten charakteristischen Offiziershut hatte er dagegen wohl schon auf einem Südtiroler Schlachtfeld verloren geben müssen.
Viele Geschichten werden erzählt, die auch einer der heute noch lebenden Maskenschnitzer, der Schmid Sepp zusammengetragen und deren Personen er zu Masken gestaltet hat.
Da ist z.B.die Geschichte vom Frauenhelden mit stark gelocktem Haar. Sieht man hier Neid und Missgunst der vielleicht etwas schwerfälligeren einheimischen Jungmänner gegenüber den italienischen Zuwanderern mit ihrer redestarken Überzeugungskraft und ihrem elegant glatten Auftreten( que bella figura, mi amore !)?
Nun dieses volllockige, tiefschwarze Haar (und alles was sonst noch daran war)musste der Mär nach wirklich Frauenherzen höher schlagen gelassen haben. Normalerweise kühlt die Ehe solch vielfältiges Verlangen, wird gesagt. Unser Romancier aber schien auch aus dem Hafen der Ehe heraus, noch deutliche Fremdgelüste entwickelt zu haben. Die gute Ehefrau wandte sich in Ihrer tiefen Verzweiflung in einem Gebet an die Jungfrau, sie möge ihr doch helfen, wenigstens immer zu hören, wo denn gerade ihr Ehemann sich aufhalten würde. Als dieser sich am nächsten Morgen neben sie in´s vorgewärmte Bett hinein mogeln wollte, siehe da erklangen gar süße Glöcklein, die der Abtrünnige fortan anstelle der herrlichen Locken auf dem sonst kahlen Schädel tragen musste.
Erzählt wurde mir auch die Geschichte vom mitleidlosen Wilderer mit den eineinhalb Hörnern.
Tagaus, tagein ohne Rücksicht auf die Schonungszeiten oder das Leid des Wildes im strengen Winter machte sich ein Holzarbeiter zum Wildern auf. Er trieb die Gemsen und Steinböcke bei Sturm, Gewitter und Eisesglätte weit hinauf auf die schneebedeckten Felszinnen, bis dass sie von dort oben elendiglich in die Tiefe stürzen mussten. Diesere Frevel an Gottes Natur erzürnte die braven Wintergeister: Blitz, Donner, Schnee und den Sturm aber so sehr, dass sie den Unhold selbst eines Nachts tief in einer Schneewehe begraben wollten. Allein der Fürspruch der Heiligen erreichte, dass er sich am Morgen doch noch aus eigener Kraft aus dem kalten Grab befreien konnte. Wie aber jetzt? Den Frevler ungestraft davon lassen? Nie und nimmer! Als da wuchsen dem hurtig nach Hause eilenden plötzlich Gamskrucken, die beiden gekrümmten Hörner des so mitleidlos verfolgten Wildes. Daheim angekommen erschrak seine Frau so sehr, die wohl meinte , anstelle ihrem Angetrauten mit einem wohlschmeckenden Braten im Rucksack dem Leibhaftigen selbst gegenüber zu stehen und schleunigst versuchte, das Weite zu suchen. Der wilde Jager konnte seiner Frau gerade noch habhaft werden. Er hielt ihre Rechte fest im harten Griff . Sie aber stand bibernd und zitternd wie Espenlaub in all ihrer Angst. Auf den Hackstock legte er nun sein Haupt und drückte dem Weibe die Axt in die noch freie Linke. Diese glaubte aber sicher nun, er wolle seinem schändlichen Leben so durch ihre Hand ein gotteslästerliches Ende bereiten und weigerte sich sehr, die Axt zu schwingen. „ Dumme Frau! Die Hörner sollst´d mer abschlagen „ ,lies sich der Unglückliche vernehmen und hielt die rechte Hand noch stärker fest. Die Frau, ungeübt im einhändigen Umgang mit der schweren Axt, zielte, das erste Horn knapp an der Stirn vom Kopfe zu trennen …… , schlug zu….. und verfehlte, so dass nur ein kleines Stückchen der Krucken zu Boden fiel.
„ Dumme Frau“, keuchte wieder der Mann, „gib her, damit ich mich selber und besser versorge“. So sehr er sich aber auch mühte, er konnte weder das ganze Horn noch den Stutzl erreichen und mußte seither zeit seines Lebens mit diesen schandvollen Attributenweiterleben.
Nachdem er so seine verdiente Strafe erhalten und dem Gespött ausgesetzt war, konnte ihm aber niemand mehr ob seiner Taten böse sein.
Josef Schmid hat auch dazu eine Maske (Butzelarve) gestaltet.
Wie zu vermuten ist, hat der Fasching mit dem gesellschaftlich kanalisierten Spott also auch reinigende Wirkung. Wer verspottet wurde, hat genug gesühnt. Den Aussenseitern wird mit der spottenden Rüge schon übel mitgespielt. Auch werden sie oft noch sogar von den hinter der Maske Vermummten durchs Dorf getrieben (Haberfeldtreiben). Nach all der öffentlichen Schmach sind sie danach aber meist wieder in die Dorfgemeinschaft integriert worden. Leider nur meistens wurde am Ende des Treibens lediglich eine Stoffpuppe verbrannt, wie beim Tod des Oberstaufener Butzes!
Bürgerreporter:in:Haus der Kulturen michael stöhr aus Diedorf |
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