Galante Musik für einen sehr zwiespältigen Herrscher
Das Faszinierende an dem Konzert der Capella de la Torre in der Klosterkirche von Auhausen war die Einheit von Raum und Musik. Kaum findet sich ein besserer Ort für die dargebotene Renaissance-Musik aus der Zeit des englischen Königs Heinrich VIII, der nicht nur wegen des Tods seiner Ehefrauen, sondern auch für die Musikbegeisterung berühmt war. Trotz der Größe des Kirchenschiffs waren der Klang klar, die Stimmen differenziert zu hören und die Sprache gut verständlich, wenn auch der Text in einem Englisch der damaligen Zeit gesungen wurde. Dem kam entgegen, dass der Tenor Charles Daniels Engländer ist ebenso wie sein Kollege Jeremy West. Dieser spielte den Zink, eine Art Flöteninstrument mit Trompetenmundstück. Dem kann zwar jeder Blechbläser Töne entlocken, doch kaum jemand wird mit diesem schwierigen Instrument so bewundernswert intonieren wie dieser Zinkenist aus England. Damit bewies er wie seine Mitspieler, dass sich das Instrumentarium der Renaissancemusik, Flöten und Rohrblattinstrumente ohne die für die Tonklarheit ergänzte Klappen jüngerer Instrumente für einen wunderbaren Zusammenklang eignen und einen ziemlich authentischen Eindruck dieser oft als „alte Musik“ bezeichneten Gattung vermittelte.
Diese Originalität bestand aber nicht allein im Abspielen der vorgegebenen Stimmen, sondern in der Verteilung auf die verschiedenen Instrumente, Pommern, Schalmeien, Zugposaune, Flöten, Zink und Dulcian, die nach einem Arrangement der Leiterin Katharina Bäuml zum einsatz kamen, wobei Improvisationen, Kanonformen und spielerische Ausschmückungen zudem eine wichtige Rolle spielten. Sänger Charles Daniels steuerte dabei als wichtige Eigenschaft eine instrumentale Auffassung seines Gesangs bei und fühlte sich offenbar als Teil des Ensembles. Dieser folgte gewiss auch Lautenist Johannes Vogt, der mit seinem virtuosen Spiel glücklicherweise mit seinem feinen, aber relativ leisen Instrument auch immer wieder solistische Passagen spielen durfte, teilweise auch in der Begleitung des feinfühligen Schlagzeugers Peter A. Bauer, der mit seinem vielfältigen Schlagwerk den einzelnen Stücken den jeweils besonderen Stempel aufdrückte. Bestimmt war die Musik jedoch vor allem durch die Rohrblattinstrumente, bei denen durch das Anspielen eines Mundstücks aus zwei zusammengebundenen Rohrblättern sehr durchdringende, sonore Töne entstehen. Für das Spiel mit diesen Vorläufern von Oboe und Englischhorn erwiesen sich Katharina Bäuml und Hildegard Wippermann als absolute Expertinnen. Sie boten wie bei den ebenfalls eingesetzten Blockflöten meisterliches Spiel mit Alt- und Tenorinstrumenten. Die tiefen und mittleren Lagen übernahmen Regina Hahnke mit dem Vorläufer des Fagott, dem Dulzian, und Gerd Schnackenberg mit der Zugposaune, dem ältestem chromatisch spielbaren Blechinstrument. Alt sind die Instrumente, doch äußerst lebendig war die Spielweise der „Capella de la Torre“, benannt nach den damals als Pfeifer bezeichneten Musikanten, die oft von Türmen oder Balkonen herab spielten. Mit einer Abfolge von Stücken aus der Regentenzeit des Heinrich VIII. gelang es dem Ensemble einen Überblick zu schaffen über die Vielfältigkeit der seinerzeitigen höfischen Musik. Einerseits diente sie der Prachtentfaltung der höfischen Feste und der Darstellung der politischen Macht, aber auch der bei aller Darstellung der Würde der Lust am ausgelassenen Tanz und dem Ausdruck temperamentvoller Lebensfreude. Die Widersprüchlichkeit dieses Herrschers, der als Frauenmörder, aber auch als Kirchenstifter in die Geschichte einging, wurde auch in den Texten der Lieder dargestellt. Themen waren Krieg- und Frieden, Verherrlichung des noch katholischen Glaubensverteidigers (Fidei Defensor) in seinem Eifer gegen die Reformation, aber auch die eigennützliche Gründung der Anglikanischen Kirche. Nicht zuletzt musste er von Krankheit gezeichnet den Tod beweinen. „Adieu madama ma tristesse“ schloss seinen Lebenslauf und das Konzert ab. Die zahlreichen Besucher würdigten mit einem lang anhaltenden Beifall nicht nur die hervorragende Leistung der Musikanten, sondern auch das Engagement der Gründer von „Musica Ahuse“, der neuen Konzertreihe nördlichsten Dorf des Landkreises. (emy)
Bürgerreporter:in:Ernst Mayer aus Nördlingen |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.